Gestaltung als Forschung

Kooperationspotenziale von Design-Based Research und Artistic Research am Beispiel des Projektes Kunst- und Kulturvermittlung im Brennpunkt

(Zwischen-) Fazit

Bei allen positiven Erfahrungen des Autors in der Zusammenarbeit mit VertreterInnen des Artistic Research und seiner Vorfreude auf die entsprechenden weiteren Schritte ist jedoch auch folgende AR-Definition zu bedenken: „Artistic research is research where the artist makes the difference“. Mit dieser Aussage bringt Henk Borgdorff (2012: 50)star (*4) seine Überzeugung auf den Punkt, dass es (zumeist) notwendig ist, KünstlerIn zu sein, um künstlerisch-forschend tätig zu werden (vgl. ebd.). Im Umkehrschluss gilt das ebenso für BildungswissenschaftlerInnen. Insofern geht es bei einer Kooperation zwischen der pädagogischen und der auf die Künste bezogenen Forschung keinesfalls um eine Perspektivenverschmelzung und erst recht nicht um einen „Rollentausch“. Vielmehr stehen dabei v.a. folgende zwei Fragen im Vordergrund:

  1. Welche Vorteile für den gesamten Projektfortschritt können sich aus einer Zusammenarbeit in Hinblick auf die Durchführung konkreter interdisziplinärer Forschungs- und Praxisvorhaben ergeben?
  2. Was kann der eine Bereich von den Ansätzen des jeweils anderen lernen bzw. wie können die Gebiete durch die Kooperation in Hinsicht auf eine disziplinäre Weiterentwicklung voneinander „profitieren“?

In Bezug auf die begleitende Forschung zu von KünsterInnen durchgeführten schulischen Vermittlungsprojekten lautet – auf den Erfahrungen mit dem beschriebenen Vorhaben basierend – eine der wichtigsten Antworten auf die erste Frage folgenderweise: Eine Kombination der Ansätze unterstützt alle an solchen Unternehmungen Beteiligten dabei, beide für das Gelingen der Arbeit zentralen Perspektiven im Blick zu behalten – sowohl jene der Pädagogik als auch die der Kunst. Die dargestellten Analogien der Methodologien erleichtern es im Zuge dessen, kontraproduktive Konkurrenzverhältnisse zwischen pädagogischen und künstlerischen Bestrebungen – wie sie z.B. im Rahmen der Bemühungen im Bereich Arts-Based Research in Education zu beobachten waren – zu vermeiden. Stattdessen besteht die Möglichkeit, sich auf das dem Design-Based- und dem Artistic-Research gemeinsame Hauptziel zu konzentrieren: Auf die Erschließung von Potenzialitäten für die Praxisentwicklung und die Theoriebildung. Dem Erreichen dieses Ziels kommt am meisten zugute, dass es sowohl innerhalb des DBR- als auch des AR-Zugangs nicht als Scheitern interpretiert wird, wenn sich Vorannahmen bei ihrer Erprobung in der Realität als falsch erweisen. Vielmehr dienen daraus resultierende Erkenntnisse als Inspirationsquellen für die Entdeckung wenn nicht sogar Erfindung von Neuem.

Damit eng zusammenhängend besteht eine (von vielen) Antworten auf die zweite Frage darin, dass beide Forschungszugänge von einander nicht zuletzt durch die gegenseitige Bestärkung in der Schwerpunktlegung auf die Gestaltung als Forschung „profitieren“ können. Das schließt u.a. die Anerkennung der (schöpferischen) Entwicklung als eines in seiner Bedeutung nicht genug zu wertschätzenden Aspekts wissenschaftlicher Arbeit ein, was die Betrachtung bzw. Achtung der konzeptionellen Tätigkeit als einen essentiellen kreativen Forschungsprozess inkludiert.

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Für einen Ein- und Überblick zu dieser Thematik siehe Reinwand-Weiss (2013) und die damit zusammenhängenden Texte.

Nicht zuletzt damit wird argumentiert, dass bei Design-Based Research „trotz allen praktischen Problemlösewillens die Frage der Wissenschaftlichkeit nicht zu kurz“ kommt (Reinmann 2005: 67). Das dient auch als Begründung, warum dieser Zugang „mehr Chancen hat als bisherige Versuche integrativer Ansätze, sich in der wissenschaftlichen Landschaft einen Platz zu erobern“ (ebd.: 66).

Das bedeutet nicht, dass im DBR keine Formulierung von Hypothesen stattfindet. Jedoch werden diese im Falle, dass sie sich als nicht zutreffend erweisen, nicht verworfen, sondern als Ausgangspunkt für die Entwicklung modifizierter forschungsleitender Annahmen betrachtet (Euler 2014: 19).

Lehen ist einer jener Stadtteile der Stadt Salzburg, die prozentuell den höchsten Anteil sozio-ökonomisch exkludierter BürgerInnen bzw. solcher mit Migrationshintergrund aufweisen. Entsprechend ist auch die Zusammensetzung der SchülerInnenschaft an der Neuen Mittelschule Lehen.

Eine detaillierte Analyse aller Ursachen der Probleme kann im vorliegenden Artikel aus Platzgründen nicht vorgenommen werden. Da eine oberflächliche Darstellung der Projektverläufe sowohl den teilnehmenden SchülerInnen als auch den beteiligten KünstlerInnen nicht gerecht werden würde, wird hier darauf fast gänzlich verzichtet. Deswegen erfolgt ebenso lediglich die namentliche Erwähnung jener am Projekt beteiligten KünstlerInnen, die intensiv in die (Weiter-)Entwicklung des Gesamtkonzepts eingebunden waren.

Der Projektleiter ist zwar selbst (auch von der Grundausbildung her) Künstler und hat zahlreiche (medien-) künstlerische Projekte an Schulen durchgeführt. Mit Ansätzen der künstlerischen Forschung kam er aber erst im Verlauf der vorerst letzten Phase des hier beschriebenen Vorhabens in Berührung.

Bisher wurden solche Präsentationen im Bestreben nach der Herstellung eines „geschützten Rahmens“ nicht veranstaltet. Denn bei allen Vorteilen des Arbeitens auf eine Vorführung hin (v.a. in Hinblick auf den Aspekt der Motivation und des Engagements) besteht in Vermittlungskontexten mit „benachteiligten“ Kindern immer auch die Gefahr ihrer öffentlichen Zurschau- bzw. Bloßstellung. Um diesem Problem entgegenzuwirken, fühlen sich die beteiligten KünstlerInnen oft dazu verpflichtet, massiv in die Gestaltung der Endproduktionen einzugreifen, was im Widerspruch zu selbsttätigkeitsorientierten didaktischen Ansätzen steht (vgl. Mörsch 2005: 18). Der Lösungsansatz im vorliegenden Projekt besteht darin, nicht nur die Produkte, sondern auch die dahinter stehenden Prozesse (v.a. jene im Bereich der künstlerischen Forschung) zu präsentieren und mit dem Publikum zu diskutieren.

Iwan Pasuchin ( 2016): Gestaltung als Forschung. Kooperationspotenziale von Design-Based Research und Artistic Research am Beispiel des Projektes Kunst- und Kulturvermittlung im Brennpunkt . In: p/art/icipate – Kultur aktiv gestalten # 07 , https://www.p-art-icipate.net/gestaltung-als-forschung/