Go Public mit WK.

Was tun. Goldegg 2009

Goldegg war meine erste Projektteilnahme. Ich kannte WK zwar vorher schon – aber nur vom Lesen und Hörensagen, aus Erzählungen. Keine Ahnung, wie so eine Klausur en détail abläuft. Als ich gefragt wurde, ob ich Lust hätte mitzumachen, WK suchte noch Leute, fühlte ich mich geehrt. Toll, WochenKlausur, internationale Anerkennung und so weiter … Gleichzeitig war ich aber auch unsicher. Kann ich das überhaupt? Ich wusste nur so viel – es würde um Jugendliche gehen, und Freizeitgestaltung. Damit hatte ich aber gar keine Erfahrung, nur die Erinnerung an meine eigene Jugendzeit. Außerdem kam ich mir nicht wie eine Künstlerin vor. Jahrelange Musikpraxis her oder hin. Aber die Neugier, was auszuprobieren, war doch groß. Hinzu kam, dass ich sowieso gerade ein bisschen Leerlauf hatte, zwar noch Studentin, aber keine Univerpflichtungen mehr. Blieb nur die wichtigste Frage: Mitzumachen würde bedeuten, dass ich vier Wochen lang nicht in Wien wäre. Möchte ich das meiner kleinen Tochter und mir zumuten? Und: Wie organisiere ich ihre Betreuung?

Ich lernte, dass ein Projekt nicht erst vor Ort beginnt, sondern eine längere Vorlaufzeit hat. Der Kulturverein hatte das Thema selbst vorgeschlagen; als ich damals einstieg, ging es quasi direkt auf Recherchereise. Rausfinden, was die Jugend von Goldegg denn gut gebrauchen könnte, woran es fehlt, was sie sich wünscht. Eine Einladung zu einem Treffen mit WK war bereits an alle Haushalte mit Kindern zwischen fünfzehn und achtzehn Jahren rausgegangen. Und immerhin – rund zehn junge Leute, Jungs und Mädchen, aber mehr Jungs kamen dann auch tatsächlich Anfang April in den Schlosshof …

„Was tun“ wurde sinnigerweise der Titel eines Projektes, bei dem es darum ging, gemeinsam mit Jugendlichen etwas auf die Beine zu stellen, von dem sie selbst profitieren. Und das war nach mehrheitlichem Wunsch ein gemütlicher Treffpunkt.

Für die Realisierung dieses Wunsches standen nur vier Wochen zur Verfügung. Und ehrlich gesagt, ich konnte mir damals nicht vorstellen, wie das alles zu schaffen sein würde. Ein stimmiges Konzept musste entwickelt werden, das erledigten wir allerdings schon vorab, gleich im Anschluss an die Recherchereise. Die GemeindepolitikerInnen mussten für diese Idee gewonnen werden, die Jugendlichen sollten bei der Realisierung beteiligt werden, ein geeigneter Ort musste gefunden und eingerichtet werden. Ein Team von vier WK-Leuten war dafür im Dauereinsatz, zeitweilig unterstützt von drei weiteren projekterfahrenen KlausurmitarbeiterInnen. Vier Wochen lang Handwerken, Moderieren, Überzeugen, Beharrlichsein, dauernd kurzfristige Probleme lösen. Wie kommt der Tischfußballtisch von Salzburg nach Goldegg, wenn wir kein Auto haben, wie kriegt man ein riesiges Stück Kunstrasen auf eine zwanzig- Quadratmeter-Rundfläche geschnitten, woher kommt das Füllmaterial für die selbst genähten Sitzsäcke, woher die Stoffe, wer hat Zeit und Lust zu nähen, wo kann das stattfinden? Das WochenKlausur-Banner am Turm macht sich schon wieder selbstständig, wer geht schnell rauf und fixiert? Reißen wir den Fußboden im oberen Turmgeschoss einfach raus ohne zu fragen? Sind das jetzt wertvolle Wandmalereien, die durch die weiße Farbschicht durchscheinen? Bemalen wir mit Kreiden oder Buntstiften? Wie lösen wir das Problem der fehlenden Toiletten? Wie verhindern wir, dass die Jugendlichen ihren Turm mit anderen teilen müssen? Welcher Tischler schneidet gratis Holz zu? Im oberen Stockwerk fehlt noch ein Geländer, lässt sich das aus einer Vorhangstange zurechtbiegen? Kennt jemand einen Schlosser? Wie kommt eigentlich das Erwachsenenkommitee zustande? Wo gibt es Helfer, Unterstützer, wer kennt jemanden, der helfen oder unterstützen kann? Wer geht rüber ins Lokal und bittet zum x-ten Mal, den Internetanschluss zu reparieren?

Bürgermeister und Gemeinderäte ließen sich vor allem dadurch überzeugen, dass ihnen keine Kosten entstanden, WK versprach für sämtliche Renovierungs- und Einrichtungsaufwendungen zu sorgen. Die Jugendlichen über die ganze Zeit hindurch in die laufenden Arbeiten einzubinden, war nicht weniger wichtig und nicht weniger herausfordernd. Vertrauen gewinnen, Rücksicht auf schulische und anderweitige Verpflichtungen nehmen, aber immer wieder betonen, dass es nur mit ihrer Unterstützung möglich wird. Die Workshops an den Wochenenden gehörten ebenso dazu, wie das Signal: Ihr seid bei uns hier jederzeit willkommen. Immer wieder einladen, bei jeder Gelegenheit, ob im Einkaufsladen, oder unten beim See. Flugblätter verteilen, über die Gemeindepost nochmal eine Aussendung machen und nochmal einladen. Kontakt halten. Aber nicht aufdringlich sein. Den schüchternen Paul immer einbinden, ihm zeigen, dass er gebraucht wird. Getränke und Snacks vorrätig haben, unterstützen beim Nähen, Handwerken, Renovieren, beim Programmplanen, bei der Entwicklung der Hausordnung, aber wiederum auch nicht zu viel Unterstützung, dass sie sich nicht übergangen fühlen oder die Lust verlieren. Ermutigen, anregen, Dinge selbst zu entdecken. Erfahrungen aus anderen Klausurprojekten, bei denen es um Jugendliche ging, flossen mit ein. Ich hörte oft, das machen wir wie in Ottensheim. Oder das machen wir so wie bei den Schulklassen.

Nadja Klement ( 2013): Go Public mit WK.. In: p/art/icipate – Kultur aktiv gestalten # 03 , https://www.p-art-icipate.net/go-public-mit-wk/