So absurd diese Klassifikationsversuche auf den ersten Blick scheinen mögen, so effizient sind sie auf den zweiten Blick: Die Nobilitierung des Comics vulgo Graphic Novel als ernsthafte Kunstform, die sich auf ernsthafte Stoffe bezieht, in ästhetischer Hinsicht von Trivialisierung absieht (Absenz von Humor) und sich in ihrer Materialität an das konventionelle Buchformat angepasst hat, spiegelt sich in einem rapiden Anstieg an Produktion: Am amerikanischen Buchmarkt hat sich der Anteil an Graphic Novels zwischen 2001 und 2010 verfünffacht (Guilbert 2012: 97). (*12) Auffällig ist die Ähnlichkeit mit der vergleichbar rasch ansteigenden Romanproduktion nach Etablierung des Genres: Franco Moretti hat in seinen quantitativen Studien gezeigt, dass sich die Zahl der Romanveröffentlichungen in Großbritannien, Japan, Spanien und Italien innerhalb von rund 20 Jahren zu unterschiedlichen Zeitpunkten (18. bis Mitte des 19. Jahrhunderts) vervierfacht hat (Moretti 2013: 68ff.). (*15)
Ausblick …
Diese Überlegungen führen uns zu der Feststellung, dass sich der Begriff ‚Graphic Novel‘ im Sinne der oben angestellten Beobachtungen als exkludierender Terminus erweist, der dazu beitragen kann, bestehende (ästhetische, formale, inhaltliche, etc.) Nuancen im Comicbereich zu nivellieren. Gleichzeitig kann das Medium des Comic jedoch für Neuerungen in genannten Bereichen geöffnet werden. Punktuelle Vergleiche mit Entwicklungen in der Literaturgeschichte könnten weiter dazu beitragen, Debatten um die Graphic Novel zu erhellen. Dazu werden wir zu einem späteren Zeitpunkt weiterarbeiten.
Bettina Egger, Johanna Öttl ( 2017): Graphic Novel. Zur Popularisierung eines neuen Begriffs. Ein Wissenschaftslogbuch. In: p/art/icipate – Kultur aktiv gestalten # 08 , https://www.p-art-icipate.net/graphic-novel-zur-popularisierung-eines-neuen-begriffs/