Hybride Vermittlungsräume als partizipatorische Räume?
Dass in der Verzahnung von digitalen und virtuellen Welten großes Potenzial liegt, ist unbestritten. Davon zeugt auch die Impulskonferenz Das Museum der Zukunft ist kein Museum mehr, welche am 3. Juli 2020 vom Zentrum für Kunst und Medien Karlsruhe (ZKM) ausgerichtet wurde. Hier heißt es:
Das Museum der Zukunft muss ganzheitlich gedacht werden: als ein intelligenter Hybrid aus Analogem und Digitalen muss es, im Sinne des Bildungsauftrags, so viele Türen wie möglich zu einer kritischen Auseinandersetzung mit der gesellschaftlichen Entwicklung öffnen. (Zentrum für Kunst und Medien 2020) (*18)
Dies gilt insbesondere dann, wenn Kunst nicht als autonomes Tun verstanden wird, sondern wenn über künstlerische Prozesse auch gesellschaftliche Prozesse begleitet und verschiedene Anspruchsgruppen einbezogen werden sollen. Wenn Kunst und ökologischer, ökonomischer und gesellschaftlicher Wandel zusammen gedacht werden, wenn danach gefragt wird, wie mit und durch Kunst nach Lösungen für eine nachhaltigere Zukunft gesucht werden kann, öffnen sich Räume, um Neues zu denken. Zugleich geht eine solche engagierte Kunst im besten Fall sowohl medial wie auch thematisch auf die Lebensgewohnheiten und Forderungen der Digital Natives bzw. der Generation Friday for Futures ein. Das lässt die Vermutung zu, dass diese Angebote für sie an Relevanz gewinnen.
Als Herausforderung erweist sich im Bereich der hybriden Angebote allerdings der Anspruch nicht nur „interaktiv“, sondern auch „partizipatorisch“ zu sein. Interaktive Angebote unterscheiden sich von partizipatorischen dahingehend, dass sie nicht in Gruppensituationen realisiert werden, sondern sich vor allem an Individuen wenden (vgl. Kravagna 1998, o. S.). (*8) Letzteres ist bei den untersuchten Beispielen der Fall, sie sind also durchaus „interaktiv“. Die Teilnahme ist jedoch nur begrenzt als gemeinschaftliches Handeln zu betrachten. Außerdem ließen interaktive Angebote nach Kravagna (vgl. ebd.) (*8) zwar multiple Reaktionen zu und in Folge könne die Situation beeinflusst werden. Die strukturelle Anlage könne jedoch nicht grundlegend verändert oder mitbestimmt werden. Insofern lässt sich durchaus kritisch fragen, ob das „Mitmachen“ im digitalen Raum automatisch gleichzusetzen ist mit „Partizipation“, wenn die Regeln und Rahmenbedingungen einer Beteiligung schon fix vorgegeben sind. Nicht zu vernachlässigen ist ferner der Aspekt, dass Partizipation auch heißt, die Interessen der Beteiligten zu berücksichtigen – und nicht nur die eigenen wie die Generierung von mehr Publikum – und ein transparenter und offener Umgang mit Machtverhältnissen und Eigeninteressen. Oder anders gesagt: „To what degree will technology users be empowered to share, participate and create using these infrastructures? To what degree will their power be limited to consumption?“ (Shepard 2006, o. S.) (*15)
Das Kriterium der grundlegenden Mitbestimmung verlangt den Teilnehmenden aufgrund der Komplexität der digitalen Angebote und Software und der nötigen Programmierkenntnisse freilich hohes Insider-Wissen ab, weshalb die Umsetzbarkeit oft schwierig ist. Der Medienwissenschaftler Mirko Schäfer plädiert in Bezug auf MR-Partizipation daher dafür, dass der Begriff der Partizipation semantisch in „explizit“ und „implizit“ unterteilt wird. Während explizites Partizipieren heiße, bewusst Einfluss zu nehmen, beispielsweise durch „creating, maintaining or contributing to data collection“ (Schäfer 2011, S. 115), (*13) meine implizites Partizipieren, dass zum Beispiel auf digitalen Plattformen Medieninhalte mitgestaltet werden, ohne die Absicht, etwas an der Grundstruktur des Angebots zu verändern: „Implicit participation is channeled by design, by means of easy-to-use interfaces, and the automation of user activity processes.“ (Ebd. 2011, S. 51) (*13) Diese implizite Form der Partizipation wiederum ist eigentlich heute nichts Neues mehr. Unsere Informationsgesellschaft ist längst eine Producer:innengesellschaft, die unablässig kreiert und teilt. Damit allerdings mit und durch hybride Kunsträume kritische Auseinandersetzungen angeregt und zur Demokratisierung und Aktivierung beigetragen werden kann, muss den Beteiligten explizit Einfluss auf die Prozessgestaltung, Fragestellungen oder auf die Analyse und Ergebnisproduktion eingeräumt werden. In hybriden und digitalen Räumen eröffnet sich die Möglichkeit, über Zeit und Raum hinweg Verbindungen einzugehen und zu Fabulationen anzuregen, die auf der Verzahnung von Technik, Mensch und Natur basieren. – Zu Fabulationen, in denen wir uns verwandt machen mit nicht-menschlichen und menschlichen Wesen, unwahrscheinliche Verwandtschaften eingehen und uns von möglichen neuen Verbindungen irritieren lassen. Das Anthropozän ist eine transdisziplinäre Herausforderung, in der nicht nur Fakten, sondern auch „andere“ Wissensformen an Relevanz gewinnen, etwa das Wissen um Empathie und Empfinden.
Martina Fladerer ( 2021): Hybride Vermittlungsräume, Partizipation und Umweltbewusstsein: Ein Match?. In: p/art/icipate – Kultur aktiv gestalten # 12 , https://www.p-art-icipate.net/hybride-vermittlungsraeume-partizipation-und-umweltbewusstsein-ein-match/