„Ich sehe da die Möglichkeit der Buntheit …“

Conny Felice im Gespräch mit Persson Perry Baumgartinger.

Was macht ihr, damit so viele wie möglich in euren Projekten teilnehmen oder mitmachen können? 

Vor einigen Jahren gab es ein aktives Verkaufsmarketing, wo Schulen kontaktiert wurden und man unsere Workshops verkaufen wollte. Das war nicht wirklich von Erfolg gekrönt. Wen erreicht man in den Schulen? Das Sekretariat, die Direktion, irgendein*e Lehrer*in, der*die gerade abhebt und abwimmelt. Gerade im ländlichen Bereich bekommt man Antworten wie „Bei uns in der Schule gibt es das nicht“ oder „Homosexualität war noch nie ein Thema bei uns.“ Dem etwas entgegenzusetzen ist natürlich schwer. Deshalb vertrauen wird auf die Multiplikatorenwirkung. Viele Schulen holen uns auch immer wieder, jedes Jahr oder alle zwei Jahre. Gemessen an der Zahl der Schulklassen sind das Sandkörner, trotzdem ist mir jeder einzelne Workshop wichtiger, als hätten wir nichts getan. Ich denke auch, dass wir viel für die Sichtbarkeit tun. Wo immer ich unterwegs bin, erwähne ich sehr oft die HOSI zusätzlich zu meiner beruflichen Tätigkeit. Darüber sind auch schon einige Anfrage gekommen.
Weiters halten wir die Eintrittshürde sehr niedrig. Ich denke, wir holen die Menschen dort ab, wo sie sind. Sie müssen kein Vorwissen haben. Wir laden sie ein, alles zu fragen, was immer ihnen auf der Zunge liegt. Da kommen oft spannende Fragen, die wir eben auch wieder zurückspielen können. Wir hatten schon Workshops, wo die Teilnehmenden nicht wussten, wer da überhaupt kommt und mit welchem Thema. Das war zum Beispiel in Arbeitsmarktförderungsprojekten mit Jugendlichen zwischen 17 und 23, wo die Betreuer*innen das Bedürfnis hatten, Vielfalt hineinzubringen. Zu Beginn haben es einige Betreuer*innen nicht geschafft, uns bzw. das Thema LGBTIQ vorab anzukündigen. Die hatten selbst eine Scheu.
Im beruflichen Bereich, in der Arbeit mit Erwachsenen sehe ich es im Moment sogar fast anders rum. Im heurigen Jahr sind alle unsere Workshops durch Weiterempfehlung zustande gekommen.

Sind das eher Leute, die noch nie etwas von queer und LGBTIQ+ gehört haben oder sind das eher solche, die entweder selbst queer sind oder irgendwelche queeren Familienmitglieder oder Freundschaftspersonen haben? 

Wir arbeiten mit gemischten Gruppen. Gerade im beruflichen Bereich mit Erwachsenen ist das klasse zu sehen, dass im Lauf der Workshops genau diese Thematiken an die Oberfläche kommen. Dann kommen eben sehr persönliche Fragen und Hintergründe heraus, wo man merkt, da ist irgendeine queere Person. Entweder ist sie selbst da, manche sprechen es auch ganz offen in diesem Setting an. Bei anderen merken wir auch, dass sie es in diesem Setting noch nie angesprochen haben. Das ist quasi ein Outing. Da versuchen wir auch diesen geschützten Rahmen zu halten. Gar nicht so wenige haben tatsächlich Familienangehörige mit queerem Thema, egal ob Eltern, Geschwister, Kinder, Onkel, Tante, Cousine oder wer auch immer. Aber auch Menschen, die noch nie Erfahrungen und Kontakt mit LGBTIQ hatten, besuchen unsere Workshops.

Glaubst du, dass eure Workshops, wenn wir jetzt von Schule der Vielfalt und Vielfalt im Beruf reden, die Kultur, also die Unternehmens- oder Schulkultur, verändern?

Ja, definitiv. Für mich ist ganz wichtig, dass man den Menschen auch etwas mitgibt, wie jede einzelne Person das Umfeld so gestalten kann, dass queere Personen wissen, dass sie in einem Safe Space sind. Das sind so einfache und kleine Tipps wie ein Regenbogenaufkleber an der Tür oder an einem Schaufenster oder die Regenbogenflagge auf der Homepage. Es reichen ja oft diese kleinen Signale, damit queere Menschen wissen, dass sie willkommen und sicher sind. Diese Präsenz macht natürlich etwas mit der Unternehmens- oder Schulhauskultur, sie verändert, klar. Das steht und fällt natürlich mit den Menschen, die dahinterstehen und – ich möchte fast sagen – es wagen, einen Aufkleber irgendwo hinzutun oder die Regenbogenfahne zu hissen. Es ist ja ein Statement, mit dem möglicherweise gleich wieder eine Zuschreibung verbunden ist.
Ich bin überzeugt, dass wir die Unternehmens- und Schulhauskultur verändern, wenn auch auf einen sehr kleinen Bereich bezogen. Mein persönlicher Traum wäre es, mit Schulleiter*innen zu arbeiten. Jedes System hat eine Leitung und die muss davon überzeugt sein, wie wichtig es für ein System ist. Wenn es nur von einzelnen Lehrpersonen kommt, ist es eben geduldet, aber wenn eine ganz klare Ansage von oben kommt – dass bei uns die Schulkultur so ist, dass das Wort „schwul“ nicht im Alltag als etwas Negatives verwendet wird … –, verändert sich das ganze System.
Je höher die Autorität der bestimmenden Menschen, desto mehr ist möglich. Natürlich kann das Thema auch vom Kollegium, vom Lehrpersonal und von den Kindern und Jugendlichen eingefordert werden. Aber um „bei denen da oben“ zu arbeiten, müssen wir was weiß ich was machen. Es ist noch nicht so weit, aber auch nicht unmöglich. Gerade so ein Interview, wie ich es jetzt mit dir führe, wird dann möglicherweise in einer Bildungsdirektion irgendwo gelesen oder von irgendeinem politisch verantwortlichen Menschen, der oder die dann sagt, dass sie das machen sollten. Da genügt ein kleiner Workshop bei einer Veranstaltung. Wenn das fünf Menschen gemacht haben, verändert sich schon wieder etwas.

Persson Perry Baumgartinger, Conny Felice ( 2019): „Ich sehe da die Möglichkeit der Buntheit …“. Conny Felice im Gespräch mit Persson Perry Baumgartinger.. In: p/art/icipate – Kultur aktiv gestalten # 10 , https://www.p-art-icipate.net/ich-sehe-da-die-moeglichkeit-der-buntheit/