„Ich sehe da die Möglichkeit der Buntheit …“

Conny Felice im Gespräch mit Persson Perry Baumgartinger.

Hast du das Gefühl, dass ihr Leute ausschließt, dass Leute bei euch nicht teilnehmen können, aus welchen Gründen auch immer?

Nein, also von unserer Seite definitiv nicht. Stopp, falsch. Ich habe einmal jemanden tatsächlich aus einem Workshop ausgeschlossen, allerdings nicht wegen inhaltlichen Themen, sondern weil der respektvolle Umgang innerhalb der Gruppe durch diese Person nicht gegeben war. Ein solcher Ausschluss steht mir als Workshopleiterin frei. Man hat dann sofort gesehen, wie sich die Frage- und Gesprächskultur in der Gruppe änderte. Das war aber keine Aktion, sondern eine Re-Aktion auf das Infragestellen des Workshopziels. Ich bin für das Setting verantwortlich. Ansonsten würde ich liebend gerne gerade mit Gruppen arbeiten, die nicht so queer-affin sind. Die Frage ist nur, wie man da rankommt. Wie kann man diese Offenheit auf der anderen Seite erhalten? Mein politisches Engagement ist sehr breit. Ich persönlich habe in fast allen Bereichen sehr gute Kontakte, auch in der Kirche. In manchen Institutionen hat die jeweilige Person innerhalb der Institution nicht das Standing, das Thema durchzusetzen.

Du hast vorher kurz die digitalen Medien oder digitale Möglichkeiten erwähnt und zwar auf eine bestimmte Art und Weise: Digitale Medien als Möglichkeit, Menschen auszuschließen. Arbeitet ihr mit digitalen Möglichkeiten oder Medien? 

Wir als HOSI haben zwar die Homepage als Plattform und Ressource für ganz viele Sachen, die man abrufen kann und als Schule der Vielfalt sowie HOSI haben wir einen Facebook-Account, aber das war‘s dann schon. Hier geht es natürlich wieder um personelle Ressourcen. Bei den Schulprojekten machen wir gerne ein Foto von uns vor dem Schulgebäude, vor der Institution oder nach dem Workshop, wir sind aber sehr vorsichtig. Wir stellen zum Beispiel keine Fotos von Teilnehmenden oder von spezifischen Settings online, damit keine Zuschreibungen passieren. Das schränkt unsere Möglichkeiten allerdings wieder sehr ein. Am liebsten wäre es mir natürlich, ein Foto mit 20 grölenden Kids im Hintergrund zu haben, die sagen, dass es ihnen Spaß gemacht und gefallen hat. Das geht aber nicht.

Hast du das Gefühl, das liegt am Thema TGBTIQ+? Es gibt ja mittlerweile ganze digitale Ausstellungen. Es wird oft argumentiert damit, dass Leute am Land sind und nicht so mobil sind. Am Salzburger Land gibt es nicht immer kulturelle Angebote. Die Leute, die vielleicht kein Auto haben, ältere und andere Leute, die nicht in dem Ausmaß mobil sind, können sich dann diese Ausstellung im Internet trotzdem ansehen. Das ist eine Form des Einschlusses. Ich höre bei dir so ein bisschen raus, dass LGBTIQ ein sehr sensibles Thema ist, da immer die Gefahr besteht, jemanden zu outen oder eine Person bekommt Zuweisungen, die sie nicht haben will – ob sie stimmen oder nicht ist dann ja dahingestellt.

Genau. Zu den Medien. Die HOSI Salzburg hat, glaube ich zumindest, die größte Bibliothek in Österreich, was queere Themen angeht. Die ist natürlich analog. Im Internet findet man alles, wenn man ein bisschen googlet. Ich glaube, das ist auch nicht Aufgabe der HOSI, da jetzt weiß Gott wie tiefgehend und spezialisiert etwas anbieten zu müssen. Was die HOSI allerdings im Internet sehr wohl gemacht hat, ist Meinungsbildung, etwa Pressemeldungen lancieren oder andere politische Medien kommentieren. Dazu ist das Internet perfekt und Facebook ist ein wichtiges Instrument. Das machen wir.

Das Internet ist ja auch eine Generationenfrage. In meinen Trans-Studies-Forschungen gibt es „vor dem Internet“ und „nach dem Internet“. Du hast ja auch gesagt, mittlerweile gibt es so viel Zugang zu queerem Wissen, und nicht wenige LGBTIQ-Leute organisieren sich in Gruppen, sie sind oft weltweit vernetzt. „Vor dem Internet“ fand auch Vernetzung statt, aber über Zeitungsannoncen oder Treffen. Es war eine andere Kultur, zu Informationen zu kommen, sich auszutauschen, sichtbar zu sein. Das Internet ermöglicht es ja auch, dass man in geschlossenen Online-Gruppen out ist, gleichzeitig aber im Dorf versteckt bleibt.

Ihr arbeitet mit Kindern und Jugendlichen an Schulen. Arbeitet ihr mit Apps oder verwendet ihr Printmaterialien?

Wir arbeiten mit Karten. Die Methoden sind alle sehr einfach. Ich bin aber persönlich auch überzeugt, nicht nur weil ich jenseits von einem Digital Native bin, dass die Lernerfahrung eine andere ist. Die Leute sind bei uns im Workshop in Bewegung. Sie sitzen zwar zu Beginn im Sesselkreis, aber dann sind wir ganz viel im Raum unterwegs und da werden alle Sinne beansprucht. Sie müssen sich positionieren, sie müssen miteinander reden, sie müssen argumentieren. Da findet ganz viel statt. Da bin ich persönlich der Meinung, dass man das nicht mit einer App machen könnte. Mag sein, dass es ganz großartige Apps gibt, um mit Menschen draußen in der weiten Welt und auch sozusagen hinten im letzten Dorf zu arbeiten. Mein Auftrag im Workshop ist, diese Menschen aufeinander abzustimmen und zu helfen, dass sie miteinander gut können. Dazu kommen zu Hause ihre Systeme, draußen ihre Peer Groups, wenn sie skaten oder auf den Fußballplatz gehen oder allein sind. Das Internet hat da wenig Raum, bei mir sowieso nicht. Die Hebelwirkung ist viel größer, wenn ich Menschen vor mir habe. Das bringst du online nicht rüber. Mag sein, dass ich in zwei Jahren überzeugt von irgendeiner App bin, die dann kommen wird und super funktioniert.

Persson Perry Baumgartinger, Conny Felice ( 2019): „Ich sehe da die Möglichkeit der Buntheit …“. Conny Felice im Gespräch mit Persson Perry Baumgartinger.. In: p/art/icipate – Kultur aktiv gestalten # 10 , https://www.p-art-icipate.net/ich-sehe-da-die-moeglichkeit-der-buntheit/