Ins Bild setzen: an der Schnittstelle von privaten und öffentlichen Räumen Platz nehmen
Das Projekt „Test.Test.Liegen“
Text: Romana Hagyo, Fotografien: Romana Hagyo und Silke Maier-Gamauf
Die eingangs beschriebene hegemoniale Konzeption von Öffentlichkeit und Privatheit als räumlich konnotierte Gegensätze (die in einem hierarchischen Verhältnis stehen) ist verbunden mit räumlichen Zuweisungen: Abhängig von Geschlecht*, sozialem Status, Herkunft, Ability, Religion und weiteren Faktoren*4 *(4) wird bestimmten Personengruppen die Nutzungskompetenz der jeweiligen Räume zugeschrieben oder abgesprochen. Dieser Vorgang strukturiert nicht nur Aufgaben im Zusammenleben, sondern auch Ein- und Ausschlüsse. Die Möglichkeiten der Nutzung des öffentlichen Raumes sind folglich abhängig von den genannten Faktoren (Geschlecht*, sozialer Status, Herkunft, Ability, Religion u. a.). Auf diese Weise wirken Ungleichheiten in dualen Konzeptionen des Öffentlichen und Privaten konstitutiv. Zugänglichkeit wird immer von Machtverhältnissen strukturiert, Menschen sprechen und handeln aus unterschiedlichen sozialen Positionen (vgl. Fraser 1996: 154f.) (*5)*5 *(5). Ich teile die Vorannahme, dass Menschen mit unterschiedlichen Bedürfnissen gleichberechtigter Zugang zur Auseinandersetzung über das Zusammenleben ermöglicht werden soll. Die Nutzung des öffentlichen Raumes wird prozessual verhandelt. Es steht in Frage, wie für Menschen mit unterschiedlichen Bedürfnissen und Ressourcen eine gleichberechtigte Beteiligung an der Konstitution öffentlicher Räume möglich ist. Zudem können die Adjektive ‚öffentlich’ und ‚privat’ als „kulturelle Klassifikationen“ fungieren, um Bereiche zu markieren und sie mangels Legitimierung von einer allgemeinen Diskussion auszugrenzen (vgl. Fraser 2001: 141): (*5) Die Markierung bestimmter Themenbereiche als ‚privat’ dient dazu, Personen von der Diskussion ihrer Anliegen auszuschließen.*6 *(6)
Hervorzuheben ist die Forderung der zweiten Frauenbewegung, das Private sei politisch.*7 *(7) Sie löste eine Auseinandersetzung aus, in deren Rahmen der Zusammenhang von Privatheit und Politik bis heute zur Diskussion steht. Aus aktueller Perspektive sind zwei Denkrichtungen feministischer Ansätze festzustellen (vgl. Bartl 2014: 205): (*1) Einerseits wird die Dualität von Öffentlichkeit und Privatheit in Frage gestellt, um veränderte Konzeptionen des Öffentlichen zu erarbeiten (vgl. Klaus 2001), (*13) anderseits wird vorgeschlagen, den Fokus auf den „Wert des Privaten“ zu richten (Rössler 2001). (*20) Der Vorschlag der Aufwertung des Privaten steht in Zusammenhang mit der oben konstatierten Durchdringung der beiden Bereiche: Im häuslichen Raum wird infolge mobiler Kommunikation und Social Media mit Arbeitgeber_innen und medialen Öffentlichkeiten kommuniziert, während im Außenraum private Telefongespräche durchgeführt werden. Der zunehmende Einsatz von Technologien der Überwachung verstärkt diese Entwicklung.
Bedingt durch flexible Arbeitzeiten und Mobilität wird etwa der Stadtraum vielfach für Pausen und Verpflegung genutzt. Die aktuelle Zunahme der Obdachlosigkeit und der Mangel an Unterkünften für geflüchtete Menschen haben zur Folge, dass weitere privat konnotierte Tätigkeiten wie Übernachtung und körperliche Verrichtungen verstärkt im so genannten öffentlichen Raum ausgeführt werden (vgl. Siebel/Werheim 2003: 5). (*32) Die Notwendigkeit, eine Bleibe zu finden, wird aber als privates Problem der jeweiligen Personen bezeichnet. Anstatt gemeinschaftliche Lösungen zu suchen und die Zahl an Unterkünften zu erhöhen, werden Stadtmöblierungen entfernt oder potentielle Schlafplätze unbrauchbar gemacht:*8 *(8) Im März 2017 wurden die Bänke am Vorplatz des Wiener Westbahnhofs entfernt, um das angebliche Lagern unerwünschter Personen zu verhindern (vgl. Rebenwein 2017).*9 *(9) Im Winter 2016 wurden in der Innsbrucker Innenstadt die Schlafplätze obdachloser Personen abends mit Wasser bespritzt, um das Übernachten unmöglich zu machen. Die Bürgermeisterin Christine Oppitz-Plörer äußerte die Hoffnung, dass ein Teil der obdachlosen Personen die Stadt verlassen würde, während der Verein für Obdachlose auf den Mangel an Notschlafplätzen und günstigem Wohnraum als Ursache der Übernachtungen im Stadtraum verwies und die Schaffung zusätzlicher Angebote forderte (vgl. Arora 2016; (*24) o.V. 2016 (*27)).
Romana Hagyo, Silke Maier-Gamauf ( 2017): Ins Bild setzen: an der Schnittstelle von privaten und öffentlichen Räumen Platz nehmen. Das Projekt „Test.Test.Liegen“ Text: Romana Hagyo, Fotografien: Romana Hagyo und Silke Maier-Gamauf. In: p/art/icipate – Kultur aktiv gestalten # 08 , https://www.p-art-icipate.net/ins-bild-setzen-an-der-schnittstelle-von-privaten-und-offentlichen-raumen-platz-nehmen/