Ins Bild setzen: an der Schnittstelle von privaten und öffentlichen Räumen Platz nehmen
Das Projekt „Test.Test.Liegen“
Text: Romana Hagyo, Fotografien: Romana Hagyo und Silke Maier-Gamauf
Test.Test.Liegen
Im Folgenden liegt der Fokus auf dem künstlerischen Projekt Test.Test.Liegen, das Silke Maier-Gamauf und ich seit 2015 gemeinsam erarbeiten.*10 *(10) Das Vorgehen an der Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Kunst impliziert, in meiner Forschung*11 *(11) mit künstlerischen und kulturwissenschaftlichen Zugängen an die gewählten Fragestellungen heranzugehen, vergleichbar mit Wegen entlang einer Fragestellung, die sich immer wieder kreuzen. Ich nutze sowohl das Lesen, Denken und Schreiben als auch die körperliche Wahrnehmung und die künstlerische Arbeit an den Fotografien als Erkenntnisquellen. Am Boden liegend und die Blicke der Vorbeigehenden spürend, platziere ich mich selbst und nehme die Blicke der Vorbeigehenden wahr. Ich schreibe also nicht nur über den Prozess der Platzierung von „Lebewesen und sozialen Gütern an Orten“ (Löw 2001: 225) (*16), sondern ich platziere mich an einem Ort und nehme die Kälte des Asphalts wahr.
Einer kulturwissenschaftlichen Position liegt zugrunde, die untersuchten Kunstwerke – im Regelfall die Arbeiten anderer – aus der Distanz analytisch zu betrachten.*12 *(12) Ist dieser Abstand – so möchte ich fragen – tatsächlich gegeben, wenn ich auf den Fotografien des Projektes Test.Test.Liegen selbst abgebildet bin und die überlebensgroßen Fotos (gemeinsam mit Silke Maier-Gamauf) weiter bearbeite, indem ich sie entlang meiner eigenen Körperkonturen ausschneide?*13 *(13) Meine Involvierung hat zur Folge, dass meine Erfahrungen in das Schreiben einfließen. Hat meine Beteiligung gleichfalls zur Folge, dass die Distanznahme nicht mehr so einfach möglich ist (im Vergleich zum Schreiben über die Werke anderer im Rahmen meiner Dissertation)? Im Formulieren dieses Gedankengangs wird deutlich, dass ich meine Überlegung, die Position als über die eigenen Fotografien Schreibende sei eine weniger distanzierte, differenzieren muss: Wenn in der fotografischen Arbeit mit dem eigenen Körper ein Changieren zwischen der Konfrontation mit der körperlichen Wahrnehmung und der radikalen Distanzierung von ebendieser Wahrnehmung möglich ist, dann kann diese Distanz auch im Schreiben eingenommen werden.*14 *(14) Über die eigene Arbeit zu schreiben, impliziert folglich, sowohl körperliche Wahrnehmung als auch die Möglichkeit der Distanzierung von den Effekten dieser Wahrnehmung zu nutzen.
Liegen im Stadtraum
Test.Test.Liegen ist ein längerfristiges Projekt: Wir wählen jeweils eine Gegend*15 *(15) und machen uns dort auf die Suche nach Plätzen, an denen es möglich ist zu liegen. Der erste Projektteil hatte die Wiener Bezirke 7, 15 und 16 zum Thema (2015), der zweite, 2016 begonnene Teil beschäftigt sich mit dem 5. und 15. Bezirk in Wien. Es ist geplant, in weiteren Städten zu arbeiten. Der Akt des Liegens fokussiert in unserem Verständnis zwei Bedeutungsebenen: Den Aufenthalt im öffentlichen Raum abseits von konsumorientierter Nutzung und die Notwendigkeit, im Stadtraum zu übernachten.*16 *(16) Die fotografische Arbeit bildet die Grundlage für Rauminstallationen, die Collagen, Objekte und Einzelfotos umfassen.*17 *(17) Sowohl der Titel als auch die Arbeitsform der Collage verweisen auf die Inszenierung als Ausdruck unserer privilegierten Situation, nicht auf der Straße übernachten zu müssen. Die Suche nach Orten, an denen ein Aufenthalt ohne Konsumzwang möglich ist, kennen wir jedoch aus eigener Erfahrung: In den Pausen des Fotografierens ist es nötig, Sitzplätze zu finden, um die Fotografien am Display zu kontrollieren. Da wir aus unserer eigenen Perspektive und nicht stellvertretend für andere Menschen arbeiten, wählen wir ausschließlich Gegenden, an denen wir uns im Alltag selbst aufhalten. Der Stadtraum ist als sozialer Raum von (Un-)Möglichkeiten und (Un-)Gleichheiten strukturiert. Der Prozess seiner Nutzung wird prozessual verhandelt (vgl. Löw 2001: 225). (*16) In unserer Arbeit möchten wir zu einem Aushandlungsprozess beizutragen, der für unterschiedliche Nutzer_innen des öffentlichen Raums auf ihre jeweils eigene Weise relevant ist.
Romana Hagyo, Silke Maier-Gamauf ( 2017): Ins Bild setzen: an der Schnittstelle von privaten und öffentlichen Räumen Platz nehmen. Das Projekt „Test.Test.Liegen“ Text: Romana Hagyo, Fotografien: Romana Hagyo und Silke Maier-Gamauf. In: p/art/icipate – Kultur aktiv gestalten # 08 , https://www.p-art-icipate.net/ins-bild-setzen-an-der-schnittstelle-von-privaten-und-offentlichen-raumen-platz-nehmen/