Sprechen und das Herstellen von Öffentlichkeit
Was können künstlerische Interventionen in Bildungskontexten sowie im Kontext kollektiver Wissensproduktion und kritischer Praxis dazu beitragen, dass Menschen ihre Stimme erheben, das Wort ergreifen und gehört werden (können)? Und wie können über dieses Eingreifen – dem Intervenieren – Öffentlichkeiten hergestellt werden? Welche Rolle spielt dabei die Kunst? Und in welchem Verhältnis stehen Bildung, als kollektive Wissensproduktion verstanden, und die Herstellung von Öffentlichkeit? Wer spricht und wird gehört? Wer spricht und wird nicht gehört? Und wer spricht nicht?
Als gesellschaftlich legitimiertes Diskursfeld oder mit Bourdieu als Teil des „Feldes der Macht“ hat das Wort des Künstlers oder der Künstlerin als Intellektuelle/r die Macht gehört zu werden, wenn er/sie sein/ihr Handeln in den Dienst einer politischen Aktion stellt.
Daher kann das Bilden von Allianzen mit AkteurInnen, die wenig gesellschaftliche Sichtbarkeit genießen, als wichtige Strategie des Eingreifens, also der Intervention, verstanden werden. Durch Allianzen und Solidaritätsarbeit kann mit Mitteln künstlerischer Interventionen Öffentlichkeit für wenig sichtbare AkteurInnen hergestellt werden (vgl. Huber 2009). (*6)
Aus Sicht der postoperaistischen Gesellschaftsanalyse (vgl. u.a. Virno 2005) (*18) stehen Sprache und Kommunikation – als Grundlage der Ökonomie der Symbole (Zukin 1998) (*21) – heute im Zentrum der kapitalistischen Produktion und Ausbeutung und sind demnach auch der gesellschaftliche Ort des Kampfes. Paolo Virno zufolge liegt das Potenzial gesellschaftlicher Transformation mehr denn je in der Herstellung „nicht-staatlicher Öffentlichkeit“ (Virno 2005: 95) (*18) und in diesem Zusammenhang käme den Kunst- und Kulturschaffenden eine Schlüsselrolle zu: Indem sich das Denk- und Sprachvermögen der Produktion von Kommunikation dem Dienst kapitalistischer Mehrwertschöpfung widersetzt bzw. diese im Gegenteil in den Dienst einer politischen Aktion stellt und so durch Kommunikation politische Öffentlichkeit anstelle von ökonomischem Mehrwert herstellt (vgl. Virno 2005: 94). (*18)
Da in der postfordistischen Ökonomie die Produktion von Affekten zentral ist und somit das Imaginäre und die Konstruktion von Identität zum Kampfplatz des Kapitalismus mutieren, muss laut Chantal Mouffe (2014) „eine gegenhegemoniale Politik […] auf diesem Terrain aktiv werden, um andere Identifikationsformen voranzutreiben“ (Mouffe 2014: 140). (*12) In ihrem Konzept „agonistischer Demokratie und Öffentlichkeit“ beschäftigt sich Mouffe mit der spezifischen Rolle Kunstschaffender und den Mitteln künstlerischer und kultureller Praktiken und Interventionen als Teil einer agonistischen Politik.
Laila Huber, Elke Zobl ( 2014): INTERVENE! Künstlerische Interventionen II: Bildung als kritische Praxis. In: p/art/icipate – Kultur aktiv gestalten # 05 , https://www.p-art-icipate.net/intervene-kunstlerische-interventionen-ii-bildung-als-kritische-praxis/