„Kultur kollaborativ produzieren“

Das Lehrkonzept zu „I am a Cultural Producer“
Eine Lehrveranstaltung im Rahmen des Studienschwerpunktes Cultural Production & Arts Management an der Universität Salzburg in Kooperation mit der Universität Mozarteum

Bei der Konzeption der projektorientierten Lehrveranstaltung „I am a Cultural Producer“ war die zentrale Anforderung an die Lehrveranstaltung rasch formuliert: Über die Theorie- und Faktenvermittlung hinaus sollte durch kritische Reflexion und aktive Selbsttätigkeit kreatives und problemlösendes Denken vermittelt und evoziert werden. Die Lehrveranstaltung war von Beginn an als offener Prozess und moderierte Projektentwicklung konzipiert. Wir haben daher folgende Parameter als Zielvorgabe definiert:

#1 Wissenserwerb, -vertiefung und -umsetzung als  Anregung zu kritischem, kreativem und problemlösendem Denken

Die Hinführung zu einer eigenständigen „Kulturproduktion“ der Studierenden und das Erleben von vielfältigen Möglichkeiten der Partizipation und der Intervention mittels künstlerischer Strategien standen im Vordergrund der Wissensvermittlung. So wurden theoretischer Input und Diskussionen mit praktischen Workshops in den Bereichen Plakat-, Magazin- und Jingle-Gestaltung verbunden, so dass die Studierenden ihr Wissen anwenden, kritisch reflektieren und zugleich praktisch umsetzen konnten. Dieser Prozess des Transfers von Wissenserwerb in die eigene Praxis war von einem Diskurs begleitet, der zwar durch die LV-Leiterinnen moderiert wurde, aber auch rein innerhalb der LV-Gruppe unter den Studierenden stattfand. Ein Blog hat dabei zentral die Lehrveranstaltung unterstützt.

#2 Transfer des Wissenserwerbs auf und Integration der Fachliteratur in eigene Konzepte

Die Studierenden bekamen kontinuierliche Aufgaben pro Lehreinheit, die nach nochmaliger Reflexion in die Abschlussaufgabe der Studierenden mündeten: Ziel dieser Aufgabe war die Erstellung eines eigenen Konzeptes zur Projektentwicklung und Veranstaltungsorganisation zur 50-Jahr-Feier Universität beim Altstadtfest der Universität Salzburg im Juni 2012, damit fand das erworbene Wissen eine praxis- und realitätsbezogene Anwendung. Für die Erstellung dieses Konzeptes war erforderlich, sämtliche Inhalte und bisherigen (kleineren) Aufgaben der LV mit dem Wissenstand zu „Cultural Production“ zu verknüpfen, aber auch im Hinblick auf die tatsächliche Realisierung als Veranstaltung die praktische Anwendbarkeit zu reflektieren. Da es sich bei der Veranstaltung um eine öffentliche Vermittlung der Inhalte der LV handelte, war hier besonders der Transfer von Wissenschaft in einen (verständlichen) Alltagskontext gefragt.

#3 Entwicklung einer eigenen Perspektive und Formulierung einer persönlichen Sichtweise auf Basis von Reflexion und Interpretation

Speziell im Kontext von zeitgenössischer Kunst gibt es keine „vorgefertigten, richtigen“ Antworten. Daher – und grundsätzlich! – ist die Entwicklung und Formulierung der eigenen Perspektive von zentraler Bedeutung. Die LV hat entsprechend auf zentrale Aspekte der Kunst – nämlich das Fragen stellen, das Hinterfragen, die Entwicklung neuer Sichtweisen und das Vorantreiben neuer gesellschaftlicher Prozesse – Bezug genommen, um den Studierenden in Theorie und Praxis die eigenen Perspektiven greifbar zu machen und konkret die Möglichkeit zu eröffnen, den eigenen Handlungsraum zu erkennen, zu nutzen und persönliche Sichtweisen zu entwickeln und zu reflektieren. Ganz wichtig ist uns darüber hinaus, die eigene Kritikfähigkeit und die Entwicklung der eigenen Meinungsfähigkeit zu fördern, da wir darin eine wichtige Voraussetzung für eine wissenschaftliche Herangehensweise sehen. Dabei hat der Austausch innerhalb der Gruppe – in Form von Diskursen im Blog, aber auch innerhalb von Gruppenarbeiten – eine zentrale Rolle gespielt.

#4  Kollektive und kollaborative Problemlösung auf Basis individueller Sichtweisen und Vorstellungen (schrittweise Begleitung und Anleitung)

Die Tendenz zu kollaborativem und netzwerkorientiertem Arbeiten in der zeitgenössischen Kunst bildet sich auch in der Lehrveranstaltung durch kontinuierliche Kommunikation und interaktives Lernen in der Gruppe ab. Die Studierenden wurden in Aufgabenstellungen angeleitet, eine kollektive Sichtweise zu generieren, die mehrere Perspektiven umfassen sollte.

#5  Methodik des aktiven Lernens: Initiierung einer „participatory culture“ in der Lehrveranstaltung und Projektentwicklung

Der Thematik der Lehrveranstaltung („Kulturelle Produktion als engagiertes, teilweise kritisches und auch produktives Mitgestalten der eigenen Lebenswelt“) ist der Prozess des aktiven Lernens sowie kritisches, problemlösendes Denken per se immanent. In Bezug auf die in der LV u.a. verwendete Fachliteratur von Henry Jenkins et. al haben wir versucht, das Konzept einer „Participatory Culture“ (Jenkins et. al 2006)star (* 3 ) als Ausgangspunkt zu nehmen und die Leitlinien auf die Lehrveranstaltung zu transferieren. Das Konzept der „Participatory Culture“ spielt eine wichtige Rolle im Kontext kultureller Beteiligung. Henry Jenkins et. al beschreiben in ihrer zentralen Studie „Confronting the Challenges of Participatory Culture“ (Jenkins et. al 2006)star (* 3 ) diese als eine Kultur mit niedrigschwelligem Zugang für künstlerischen Ausdruck und ziviles Engagement, in der Menschen als aktive Beitragende und TeilnehmerInnen in kultureller und medialer Produktion (vor allem online und kollaborativ) agieren, sich gegenseitig in Netzwerken und Communities unterstützen und über informelles Mentoring Wissen teilen und weitergeben (Jenkins et. al 2006, S. 3)star (* 3 ). Bis dato wurde das Konzept in medienpädagogischen Kontexten und in Bezug auf online Entwicklungen diskutiert: In dieser Lehrveranstaltung wird es auf Interventionsmöglichkeiten im Bereich zeitgenössischer Kunst und den „realen“ Raum angewandt.

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du Gay, Paul/ Hall, Stuart/ Janes, Linda/ Mackay, Hugh/Negus, Keith (1997): Doing Cultural Studies: The story of the Sony Walkman Milton Keynes: Open University; Thousand Oaks, CA: Sage.

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Hepp, Andreas (2009): Richard Johnson: Kreislauf der Kultur. In: Hepp, Andreas/ Krotz, Friedrich/ Thomas, Tanja (Hg.): Schlüsselwerke der Cultural Studies. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften. S. 247-256.

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Jenkins, Henry/ Puroshotma, Ravi/ Clinton, Katherine/ Weigel, Margaret/ Robison, Alice J. (2006): Confronting the Challenges of Participatory Culture: Media Education for the 21st Century. Online unter http://www.newmedialiteracies.org/files/working/NMLWhitePaper.pdf.

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Johnson, Richard (1986): What is Cultural Studies anyway? In: Social Text, 16, S. 38-80.

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Johnson, Richard et al. (2004): The Practice of Cultural Studies. A Guide to the Practice and Politics of Cultural Studies. London u.a.: Sage.

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Schweizer Bundesamt für Kultur und Kulturdefinitionen. Online unter: http://www.bak.admin.ch/kulturerbe/04335/04337/index.html?lang=de (28.2.2012) (=Schweizer Bundesamt für Kultur und Kulturdefinitionen o.J.).

Elke Zobl, Siglinde Lang ( 2012): „Kultur kollaborativ produzieren“. Das Lehrkonzept zu „I am a Cultural Producer“ Eine Lehrveranstaltung im Rahmen des Studienschwerpunktes Cultural Production & Arts Management an der Universität Salzburg in Kooperation mit der Universität Mozarteum . In: p/art/icipate – Kultur aktiv gestalten # 01 , https://www.p-art-icipate.net/kultur-kollaborativ-produzieren/