Kunst & Social Media

Ausgewählte künstlerische Positionen zum Web 2.0

Nobuyoshi Araki

Katja Weber

Einleitung

Die Idee der IG Achselhöhle aufgreifend, schienen mir die Körperdarstellungen und Fotografien des Künstlers Nobuyoshi Araki als geeignete künstlerische Referenz. Arakis Werke stecken voller Widersprüche, entsprechen nicht der gängigen Norm, lösen beim Betrachter verschiedene Gefühle und Empfindungen aus. Anfänglich war ich eher im negativen Sinn von Araki fasziniert. Seine Darstellungen der weiblichen Geschlechtsteile und gefesselten Frauen empfand ich einerseits abstoßend, andererseits aber auch faszinierend. Je mehr ich mich mit den Werken Arakis auseinandersetzte, desto interessanter und faszinierender erschienen mir die Arbeiten. Anfänglich wirkten die Bildbände, die er zu Beginn seiner Karriere schuf, und die aktuellen Werke wie zwei verschiedene Welten: seine Frau, die er von der gemeinsamen Hochzeitsreise und dem darauf folgenden häuslichen Alltag bis zu ihrem Tod fotografisch begleitete, die Stadtaufnahmen Tokios, erotische Blumenbilder, die entblößten, gefesselten Frauen. Obwohl die Aufnahmen zuerst unterschiedlich und widersprüchlich erscheinen, zieht sich bei näherer Betrachtung und Auseinandersetzung ein roter Faden durch Arakis Werke und Arbeiten: Die Bilder vermitteln stets eine melancholische Stille und Schwermut. Alle Motive und Modelle wirken dabei stark und präsent.

Lediglich die Fesselbilder zu betrachten, rückt Araki meiner Meinung nach in ein falsches Licht. Um seine Werke zu verstehen, sollte man die künstlerischen Anfänge und Arakis Weg zur Fotografie betrachten.

Künstlerische Anfänge und der Weg zur Fotografie

Nobuyoshi Araki wird 1940 als Sohn eines Schuhverkäufers in Tokio geboren. Von der Fotoleidenschaft seines Vaters angesteckt, studiert Araki Fotografie und Film an der Chiba Universität Tokio und arbeitet nach Beendigung des Studiums in Japans größter Werbeagentur als Werbefotograf. 1964 beginnt er seine Karriere mit Bildern von seiner Heimatstadt und erotischen Blumenaufnahmen. Ende der 1960er Jahre lernt er seine spätere Frau Yoko kennen, mit ihr beginnt, wie er sagt, sein Leben als Fotograf und Yoko wird zum bevorzugten Modell und Motiv seiner Fotografie. Seine Hochzeitsreise hat Araki dokumentiert und daraus das 1971 erschienene Buch „Sentimental Journey“ entwickelt. Diese frühe Serie markiert den Beginn von Arakis fotografischer Tätigkeit und damit auch den „tagebuchartige(n) Umgang des Fotografen mit seinen Bildern.“ (Zuckriegl 2008: 9) star (* 8 )

Werke

Sentimental Journey: Araki fotografiert seine junge Ehefrau in den unterschiedlichsten Situationen und reiht ein Foto an das andere: im Hotel, auf Reisen, im Garten, in der Badewanne, mit Gesichtsmaske beim Stricken, im Restaurant, schlafend, essend, trinkend, zuerst auf der Hochzeitsreise, später dann auch im häuslichen Alltag.

Araki begründet mit dem „in Ich-Erzähler-Form verfassten intimen Tagebuch seiner Flitterwochen, ein neues Genre in der Fotografie, die so genannte I-Photography.“ (Westlicht 2006: o.S., Hervorheb. i. O.) star (* 9 ). Araki dokumentiert obsessiv sein eigenes Leben und merkt an, er sei nichts ohne seine Kamera und nichts ohne Fotografie.

Winter Journey: 1989/90 veröffentlicht Araki mit „Winter Journey“ den zweiten Teil seiner Publikation über seine Frau Yoko. Araki beginnt mit den Arbeiten, als Yoko die Diagnose für ihre Krebserkrankung erhält, und dokumentiert in Bildern den Leidensweg seiner kranken Frau von ihrem letzten Geburtstag bis zu ihrem Begräbnis.

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Abb. 1: Nobuyoshi Araki (2008). In: Museum der Moderne Salzburg (Hg.): Nobuyoshi Araki. Silent Wishes. Weitra: Verlag publication PN°1, S. 102).

Der Tod als einschneidende Erfahrung nimmt ab diesem Zeitpunkt einen wichtigen Teil seiner Arbeit ein und drückt sich in Szenen und Motiven aus, die subkutan mit der Bedrohung durch Tod und Gewalt zu tun haben. Das Bild der Frau, das Abbild seiner verstorbenen Ehefrau Yoko, wird richtungweisend für seine späteren Arbeiten, in deren Mittelpunkt die Faszination für das Erotische, für das andere Wesen „Frau“ und ihre Verstrickungen in traditionelle und moralisierende gesellschaftliche Vorstellungen stehen (vgl. Zuckriegl 2008: 10).star (* 8 )

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Besonders die Fotografien, in denen Araki gefesselte Frauen zeigt, haben ihm einen zweifelhaften Ruf eingebracht. Araki bewegt sich zwischen Kunst und Pornographie, seine Werke finden sich sowohl in Kunstkatalogen als auch im japanischen Playboy. Aber genau durch diese Art der Provokation gelingt es Araki, sowie anderen zeitgenössischen japanischen KünstlerInnen, die Aufmerksamkeit des westlichen Publikums zu erregen und eine Auseinandersetzung des Westens mit der japanischen Kunst zu erwirken.

Die Fesselungsbilder machten Araki international berühmt und fallen gleichzeitig immer wieder behördlicher Sabotage und Zensur zum Opfer. Dass Araki unter anderem Strecken für den japanischen Playboy fotografierte, trug ihm im Westen den Ruf eines Pornografen ein und verschaffte dem Künstler einem zweifelhaften Status. Das Studium seiner Fotografien zeigt allerdings, dass es fast immer zu einem Blickkontakt zwischen den Frauen und dem Fotografen kommt. Die Pornographie bedient die mimischen Stereotype der Lust, Araki hingegen stellt sich dem Blick seiner Modelle. Es kommt „zu einem Blickkontakt, der sich vom Fotografen, resp. der Kameralinse auf den Betrachter überträgt, und der grade in seiner absoluten Statik und offensiven Präsenz eine Idee von Endlichkeit in den Darstellungen spüren lässt, die Lust mit der Idee der Vergänglichkeit verbindet.“ (Brehm 2005: 132)star (* 10 )

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Abb.2: Nobuyoshi Araki, Ohne Titel, o.J.: Online im Internet unter http://www.artnet.de/magazine/dossier/kunstmessen/gwb2008/index_detail.asp?picnum=14 (24.02.2010).

Japanische Traditionen und Geschichte spielen eine wesentliche Rolle in Arakis Arbeit. Ohne sich damit auseinanderzusetzen, behalten die Bilder einen schalen pornografischen Beigeschmack. Araki selbst scheint egal zu sein, wo seine Bilder abgedruckt werden oder wer seine Bilder kauft, von Kritikerinnen wie Susan Sonntag oder Alice Schwarzer zeigt er sich genauso unbeeindruckt wie von den ständigen Zensuren und staatlichen Eingriffen, mit denen er in seiner Heimat Japan zu kämpfen hat. „Ich kann den Körper einer Frau fesseln, aber nicht ihren Geist“ (ebd.)star (* 10 ) sagt Araki und hält gegen jegliche Kritik, dass seine Fotografien stets im Dialog mit den Frauen entstehen und er nie Qual oder Schmerz von Frauen dargestellt hätte (vgl.: Brehm: 2005)star (* 10 )

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Elisabeth Schmirl über ihre Arbeit Squares. In: Salz – Zeitschrift für Literatur, 138. Heft (Jg. 35/11), Dezember 2009, S. 2.

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Website der Campus Party: https://www.campus-party.eu/2012/index.html , abgerufen am 27.11.2012

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Daniela Kuka (2012): The Social Quantified Self. Video. http://www.youtube.com/watch_popup?v=Pvr7HsR96jI#t=0m31s

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Wunderling, Jens (2008): default to public. interventions in the field of digital self-exposure and physical privacy using the example of twitter. Online im Internet unter: http://www.defaulttopublic.net/ (20.11.2012)

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Zettel, Claudia (2009): Zehn Facebook-Freunde sind einen Burger wert. Burger King belohnt das Eliminieren von Online-Bekanntschaften. Pressetext. Online im Internet unter: http://www.pressetext.com/news/20090112032 (25.02.2013)

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Wang, Regina (2012): WATCH: Who Would You Unfriend on Facebook? Online im Internet unter: http://newsfeed.time.com/2012/11/19/watch-who-would-you-unfriend-on-facebook/ (23.02.2013)

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Kimmel, Jimmy (2012): Hey Jimmy Kimmel, Meet My Best UnFriend. Online im Internet unter: https://www.youtube.com/watch?v=-ltzszPmE1w (25.02.2013)

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Zuckriegl, Margit (2008): Die Rhetorik des Poetischen. Zur Bildsprache der frühen Fotografien von Nobuyoshi Araki. In: Museum der Moderne Salzburg (Hg.): Nobuyoshi Araki. Silent Wishes. Weitra: Verlag publication PN°1, S. 9 – 12.

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Westlicht (2006): Nobuyoshi Araki: Diaries (Love by Leica). Online im Internet unter http://www.westlicht.com/index.php?id=nobuyoshiaraki (24.11.2012).

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Brehm, Margit (2005): Die Melancholie des Körpers in der Stadt. In: Huslein-Arco, Agnes/ Museum der Moderne Salzburg (Hg.): Die sinnliche Linie. Klimt – Schmalix – Araki – Takano un der japanische Holzschnitt. Weitra: Verlag publication PN°1, S. 131-136.

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vgl. Fraunholz,Uwe / Hänseroth, Thomas / Woschech, Anke: Hochmoderne Visionen und Utopien – Zur
Transzendenz technisierter Fortschrittserwartungen. Dresden 2012. 15.

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Macheck, Alexander: Am Ende war das Wort. In: The Red Bulletin, 2012/9. 68.

periscope:project:space; Sterneckstraße 10, 5020 Salzburg; www.periscope.at

( 2013): Kunst & Social Media. Ausgewählte künstlerische Positionen zum Web 2.0. In: p/art/icipate – Kultur aktiv gestalten # 02 , https://www.p-art-icipate.net/kunst-social-media/