„Alle arbeiten alleine an gleichen Problemstellungen dahin“
Diana Schmiderer im Gespräch mit Dilara Akarcesme über LEADER Saalachtal und die Rolle der Vernetzung in der ländlichen Kunst- und Kulturarbeit.
Von wem ging dieses Projekt aus?
Von der Frauenberatungsstelle Kokon und dem Frauennetzwerk Pinzgau. Neben dem Politiklehrgang gab es außerdem einen Workshop für Mädchen. Es gab auch einen Plakatwettbewerb, in dem es darum ging, sein individuelles Wahlplakat zu gestalten: „Mein Wahlplakat, wenn ich Bürgermeisterin wäre.“ In Saalfelden hatten die Mädchen den Slogan: „Mädchentreff statt Whats-App-Chat!“ Das war eines der Gewinnerinnenplakate. Sie haben, glaube ich, den dritten Preis gewonnen und haben es daraufhin im Do-Lab realisiert. Do-Lab ist ein Worker-Space in Saalfelden. Für Saalfelden ist das schon sehr modern. Dort haben wir einen Workshop zum T-Shirt-Drucken gemacht. Sie haben diese Slogans erarbeitet, grafisch gestaltet und auf die T-Shirts gedruckt. Das war eine der Umsetzungen. Im Rahmen von Frauen gestalten haben wir auch versucht, die Gemeindevertreterinnen zusammenzubringen und zu vernetzen, was ganz schwer war, weil es so wenige gibt, und die wenigen, die es gibt, sehr viel zu tun haben. Sie sind in der Elternvertretung, sind Gemeindevertreterinnen und arbeiten für die Bibliotheken. Das sind die Frauen, die in einer Gemeinde wirklich alles machen. Wir haben uns gefragt: „Was können wir trotzdem tun?“ Denn so leicht geben wir nicht auf, wenn etwas nicht funktioniert. Wir haben dann die Bezirkssprecherinnen bzw. politischen Frontfrauen von jeder Partei an einen Tisch zusammengeholt. Wir waren wirklich bunt und haben gemeinsam erarbeitet, was es braucht. Wir haben angefangen, einen Empfehlungskatalog für die Gemeinden zu schreiben, was sie tun können, damit sich mehr Frauen in das politische Amt trauen und damit Gemeindevertretung familienfreundlicher wird, was ja auch für die Männer sinnvoll ist. Dieser Empfehlungskatalog ist in Frauenworkshops laufend erweitert und vor der Wahl an die Gemeinden ausgeschickt worden.
Es gibt Projekte, wo wir als LEADER-Manager*innen mehr involviert sind. Wir merken einfach, dass manche Projekte unsere Mitarbeit brauchen. Ein Beispiel dafür ist eben dieses Frauenprojekt, an dem wir aktiv mitgearbeitet und nach Lösungen gesucht haben. Andere Projekte hingegen laufen ganz von selbst.
In vielen Interviews wurde das Mobilitätsproblem in Salzburg angesprochen. Was kannst du zu diesem Thema auf Basis deiner Erfahrungen sagen?
Im Saalachtal ist es generell nicht einfach, wenn man kein Auto hat. Die Jungs, die im Flüchtlingshaus in Lofer waren, hätten zum Beispiel nicht an Theaterworkshops in Saalfelden teilnehmen können, wenn es Querbeet nicht gegeben hätte. Sie wären nicht nach Hause gekommen. Hermann Hollaus, der bei Querbeet damals die Koordinationsstelle innehatte, ist deshalb mit ihnen dorthin gefahren, sie haben teilgenommen und sind gemeinsam mit dem Auto wieder nach Hause gefahren. Wir gehen auch viel direkt in die Gemeinden, weil es notwendig ist, Projekte vor Ort zu haben. In Saalfelden erreicht man natürlich viele Menschen, weil dort einfach mehr Menschen wohnen. Für gewisse Projekte macht das auch Sinn. Aber um bestimmte Zielgruppen zu erreichen und wirklich eine Entwicklung zu ermöglichen, muss man in die Gemeinden selbst gehen. In der Stadt wird das oft übersehen, da die Verwaltung und viele Initiativen dort angesiedelt sind. Das ist auch ein Thema im Kulturentwicklungsplan. Es wäre so wichtig, dass man Initiativen in den Gemeinden unterstützt. Vor allem, wenn sie in Richtung zeitgenössische Kunst gehen. Ehrenamt ist ohnehin ein großes Thema, da vieles dadurch funktioniert. Wenn man im Bereich Ehrenamt sagt: „Wir brauchen eine finanzierte Stelle“, haben Bürgermeister*innen große Sorge, dass dadurch das restliche Ehrenamt auch in Frage gestellt werden könnte. Ganz nach dem Motto: „Dann sagt ja jede*r: Wenn die*der Geld bekommt, will ich das auch!“, oder: „Wenn die*der Leiter*in des Kulturvereins Geld bekommt, dann will die Feuerwehr auch Geld für ihre Arbeit.“ Das ist die Sorge. Das war auch das große Thema bei Querbeet. Deshalb war es ganz schwierig, das Projekt im Vorstand durchzubringen. Es gibt aber so viele Ehrenamtliche, die Hilfe brauchen. Viele sind am Ausbrennen. Querbeet hat bewiesen, dass professionelle Unterstützung genau das ist, was die Ehrenamtlichen brauchen. Und obwohl es bei Querbeet so großartig funktioniert hat und alle einsehen müssen, dass die Sorge über die Ehrenamtlichen völlig unbegründet war, haben wir das Thema wieder. Es ist ein Knackpunkt, diese Ehrenamtlichkeit zu bewahren. Wenn es sie nicht geben würde, würde in den Gemeinden vieles zusammenbrechen.
Welche Rolle spielt der Tourismus?
Das ist natürlich ein großes Thema bei uns, weil wir eine Tourismusregion sind. Wir kämpfen ein bisschen mit dem Image des Tourismus. Es gibt eine Generation in der Bevölkerung, die darunter ein Stück weit gelitten hat. Wenn viele Gäste da waren, musste sie ihre Zimmer räumen und im Keller wohnen, weil es genügend Zimmer geben musste. Die Gäste waren sehr wichtig und alles hat sich nur um sie gedreht. Was Häuser, Hotels und Infrastruktur angeht, sind wir im Bereich Tourismus, denke ich, wirklich gut aufgestellt. Wo wir an unsere Grenzen stoßen, das ist der Bereich des Personals. Vor allem ist es nicht leicht, Einheimische zu finden, aber genau sie werden gebraucht. Das wünscht sich auch der Gast. Deshalb schaut man, dass man das Image verbessert, vor allem für Jugendliche und Lehrlinge, und auch die Vorzüge betont, die man hat, wenn man eine Ausbildung im Bereich Tourismus macht. So kann man zum Beispiel als Koch auf der ganzen Welt arbeiten. Man muss einfach Positivbeispiele aufzeigen, wie es funktionieren kann. In diesem Bereich gibt es das wirklich gute Projekt Komm Bleib von der Wirtschaftskammer. Es geht dabei darum, dass man Fachkräfte in der Region hält bzw. sie wieder zurückholt. Menschen, die in Städte wie Wien oder Innsbruck studieren gehen, sollen auch die Möglichkeit haben zurückzukommen und sehen, welche Arbeitsplätze es in der Region gibt. Umgekehrt haben Betriebe über Komm Bleib auch Zugang zu aufliegenden Bewerbungen von Leuten, die sich in der Endphase ihres Studiums befinden oder in der Region Praktika machen. Es sollen einfach nicht alle weggehen. Auf der anderen Seite ist es auch wichtig, Facharbeiter*innen in die Region zu holen und zu zeigen, welche Vorzüge die Region hat. Dieses Projekt funktioniert wirklich gut. Hier werden spannende Jobs vermittelt, die nicht beim AMS ausgeschrieben und die gar nicht so leicht zu finden sind, wenn man fünf Jahre in Wien oder Innsbruck war.
Dilara Akarçeşme, Diana Schmiderer ( 2020): „Alle arbeiten alleine an gleichen Problemstellungen dahin“. Diana Schmiderer im Gespräch mit Dilara Akarcesme über LEADER Saalachtal und die Rolle der Vernetzung in der ländlichen Kunst- und Kulturarbeit. . In: p/art/icipate – Kultur aktiv gestalten # 11 , https://www.p-art-icipate.net/leader-saalachtal/