„Man muss mit einer großen Leidenschaft und einem gewissen Sendungsbewusstsein arbeiten.“

Elisabeth Schneider im Gespräch mit Persson Perry Baumgartinger über regionale Kulturarbeit in Radstadt, Land Salzburg

Du hast bereits die Unterschiede zwischen Stadt und Land Salzburg angesprochen. Was sind für dich als Kulturarbeiterin die größten Unterschiede?

Ein großer Unterschied zur städtischen Kulturarbeit ist, dass wir am Land ein Mehrspartenbetrieb sind. Ich kann mich nicht darauf spezialisieren, nur literaturinteressierte Menschen anzusprechen, sondern muss immer die gesamte Palette des kulturellen Angebots parat haben. Film ist für uns ganz wichtig und manchmal soll auch etwas dabei sein, wo man sich zurücklehnen kann. Aber ich kann nicht permanent Filme im Original vorführen, obwohl das der Anspruch wäre.

Welche Sparten habt ihr?

Alle (lacht). Wir haben Literatur, Theater, Kabarett, Film und Musik, Bildende Kunst. Wir machen Angebote für Kinder. Es gibt sozusagen nichts, was nicht immer wieder im Laufe des Jahres abzudecken oder zu erfüllen ist. Eine ganz wichtige Sparte wäre Jugendkultur, aber dort stößt man schnell an die eigenen Grenzen. Jugendkultur ist solch ein komplexes Arbeitsfeld, das nicht nebenher gemacht werden kann. Da muss ich sagen: „Was möglich ist, ist möglich, aber mehr geht einfach nicht mehr.“

Gibt es hier in Radstadt Angebote für Jugendliche oder von Jugendlichen?

Zunächst muss man sagen, dass Radstadt der Ort bzw. die Stadt im Bundesland Salzburg mit den meisten Vereinen ist. Wir haben 4800 Einwohner und 57 Vereine. Da kann man davon ausgehen, dass nahezu jeder Erwachsene und Jugendliche in einem Verein organisiert ist, ob das die Jungfeuerwehr, das Jugendrotkreuz, die Eisschützen, die Bürgergarde oder die Blasmusik ist. Es ist ein starkes, intensives Vereinsleben. Darüber hinaus gibt es natürlich noch Menschen, die anders beheimatet sind.

Was meinst du mit anders beheimatet?

Es gibt Menschen, die nicht in den Vereinen beheimatet sind, keine Vereinszugehörigkeit haben oder sich nicht dem Kulturverein zugehörig fühlen.

Gibt es deiner Erfahrung nach weitere Unterschiede zwischen Stadt und Land in Bezug auf Kulturarbeit?

Ein Unterschied ist sicher, dass ich am Land nicht sagen kann: „Ich bin Geschäftsführerin und ich mache nur diese Arbeit und sonst nichts.“ Jeder von uns, der am Land im Kulturbereich arbeitet, muss den Mistkübel ausleeren, die Sessel aufbauen und wegräumen, wissen, wo die Kabel und das Mikrofon sind, Kaffee für die Künstler kochen, eine Jause parat haben oder den Schnee vor dem Haus wegräumen. Man muss also das Gesamte vom Hausmeister über Künstlerbetreuung bis Programmgestaltung parat haben. Das ist manchmal sehr anstrengend.

Woran liegt es, dass so ein großer Unterschied besteht?

Wenn ich von unserer Struktur ausgehe, wird der Hauptteil ehrenamtlich erledigt. Wir haben seit Jänner dieses Jahres eine Mitarbeiterin für 15 Stunden und der Kinovorführer wird bezahlt. Der Rest ist ehrenamtliche Arbeit. Man muss mit den ehrenamtlichen Mitarbeitern sehr respektvoll umgehen und kann nicht davon ausgehen, dass sie alles gleich machen wie jemand, der dafür bezahlt wird. Man braucht eine bessere Team- und Vertrauensstruktur und auch eine freundschaftlich-zugewandte Struktur. Ansonsten wird ein ehrenamtlicher Mitarbeiter sagen: „Weißt du was, stell dir deine Sessel selbst auf!“ Das Interesse und die Wertschätzung füreinander müssen groß sein, damit so ein umfangreiches Kulturprogramm das ganze Jahr lang aufrechterhalten werden kann. Wir haben mehr als 100 Veranstaltungen pro Jahr, wenn man das Festival auf einzelne Veranstaltungen aufteilt. Während des Festivals haben wir von Mittwoch bis Sonntag durchgehend ab acht Uhr früh Programm. Die Schulen sind auch sehr stark eingebunden. Deshalb braucht es ein gutes ehrenamtliches Team, denn ohne ehrenamtliche Mitarbeiter funktioniert am Land gar nichts.

Persson Perry Baumgartinger, Elisabeth Schneider ( 2019): „Man muss mit einer großen Leidenschaft und einem gewissen Sendungsbewusstsein arbeiten.“. Elisabeth Schneider im Gespräch mit Persson Perry Baumgartinger über regionale Kulturarbeit in Radstadt, Land Salzburg. In: p/art/icipate – Kultur aktiv gestalten # 10 , https://www.p-art-icipate.net/man-muss-mit-einer-grossen-leidenschaft-und-einem-gewissen-sendungsbewusstsein-arbeiten/