„Man muss mit einer großen Leidenschaft und einem gewissen Sendungsbewusstsein arbeiten.“

Elisabeth Schneider im Gespräch mit Persson Perry Baumgartinger über regionale Kulturarbeit in Radstadt, Land Salzburg

Liegt das daran, dass man sich in ländlichen Strukturen mehr kennt und deswegen mehr miteinander arbeitet oder liegt es daran, dass es am Land weniger Finanzierung gibt? Oder ist es beides oder vielleicht etwas ganz anderes?

Es hängt sicher mit der Finanzierung zusammen, wenngleich auch klar ist, dass nicht alles finanziert werden kann. Das ist mir vollkommen klar und ich finde es auch in Ordnung, dass ein gewisser Teil an ehrenamtlicher Arbeit geleistet wird. Ich hoffe ganz stark, dass es nach wie vor Menschen gibt, die die Qualität dieser Arbeit und die gestalterische Möglichkeit sehen. Der Aufwand ist vielleicht groß, aber der Aufwand für eine andere Arbeit, die vielleicht nicht so lustig ist, ist genauso groß. Ich hoffe, dass sich in Zukunft auch wieder Menschen finden, die das weiter betreiben. Ich sehe das, was wir hier machen, als ganz starke politische Arbeit. Es ist ein Beitrag zur Lebensqualität hier im Ort und für die ganze Region. Wie schafft man es, ein Netzwerk aufzubauen, das Menschen die Möglichkeit gibt, ein Umfeld, Inhalte und Programme zu finden, ohne mit dem Auto irgendwo hinfahren zu müssen? Es gibt bei uns keinen öffentlichen Verkehr. Das ist Tatsache. Niemand kann am Abend irgendwo ohne Auto hinfahren, egal ob ins Kino oder in ein Café. Wenn man von Radstadt ausgeht, wohnen innerhalb der Stadtmauer 300 Menschen. Die können etwas zu Fuß erreichen. Der Rest ist aber auf das Auto angewiesen. Ich finde es wichtig, dass man vielleicht nur drei oder fünf Kilometer, aber nicht gleich nach Salzburg fahren muss.

Mobilität ist eigentlich in ganz Salzburg ein Thema …

Das ist wirklich ein großes Problem. Beim Filmfestival haben wir beispielsweise viele Gäste, die mit dem Zug anreisen, ob aus Wien, Innsbruck oder Salzburg. Die Gäste kommen abends am Bahnhof Radstadt an. Es ist stockfinster, du weißt nicht, wo der Weg in die Stadt führt. Da kann man keinen Plan hinschicken und sagen, wo die Adressen sind. Es findet niemand in die Stadt herauf. Jeder muss abgeholt werden.

Welche Vor- und Nachteile gibt es noch bei Kulturarbeit am Land?

Eine Auffälligkeit ist ganz klar, dass der Weg vom Land in die Stadt kürzer ist als von der Stadt aufs Land. Für uns ist es wesentlich selbstverständlicher, dass wir nach Salzburg fahren, egal aus welchem Grund, als dass irgendwer von Salzburg nach Radstadt fährt, weil es dort interessante Angebote gibt. Das ist ein ganz großer Unterschied. Lediglich im naturverbundenen Freizeitverhalten ist das vielleicht anders. Das ist ein gefühlter Unterschied im Kopf und nicht in der Wirklichkeit. Ich glaube, dass allgemein und in der Stadt im Besonderen ein Überangebot produziert wird. Das ist in der Stadt stärker, aber auch wir müssen schauen. Wir könnten fünfmal so viel Programm machen, denn Künstler brauchen klarerweise Orte und Kulturstätten, wo sie Programme präsentieren können. Es kommen aber jeden Tag so viele Anfragen und Angebote, dass man leider ganz oft sagen muss: „Ja, das ist wirklich interessant, aber wir können im Monat keine zehn Konzerte machen, sondern maximal eines.“

Habt ihr auch einen Fokus auf lokale Künstler_innen?

Es ist sehr gemischt. Kunstschaffende oder Musiker im lokalen Bereich haben meist ihre eigenen Kanäle. Die sind meist in Lokalen, da spielt sich wieder mehr im Vereinsleben ab.

Wer kann deiner Erfahrung nach bei Kunst und Kultur in Salzburg mitmachen und wer nicht? Was sind Ein- und Ausschlussmechanismen, die stattfinden oder die du vielleicht auch erfahren hast?

Ich würde es aus meiner lokal begrenzten Situation beschreiben. Beispielsweise, als 2016 die ersten Flüchtlinge kamen, hat das den Ort oder die Bevölkerung gespalten. Es war sehr schwierig, hier vernünftige Diskussions- und Gesprächssituationen herzustellen. Besonders jetzt, im Zuge der politischen Veränderung, die schleichend über das Land kommt, merke ich, dass es wirklich noch eine viel konzentriertere, gezielte Arbeit braucht. Es braucht – gerade am Land eine Auseinandersetzung mit Formaten, die Verständnis, Toleranz und Offenheit fördern.

Es ist ganz interessant, wie derzeit die Krampus-Geschichte wieder hochgespielt wird. Wenn du mittendrin bist und merkst, dass es in jedem zweiten Gasthaus ab Ende Oktober eine Krampusparty gibt und das so hingestellt wird, dass die Jungen das Brauchtum irgendwie neu definieren würden, dann lässt mich das nicht kalt. Das erfüllt mich mit Unbehagen und Sorge. Ich habe das Gefühl, es braucht viel mehr Kommunikation. Das versuche ich umzusetzen und ich glaube, dass es manchmal, beispielsweise beim Filmfestival, auch gelingt. Es gelingt wirklich, dass Menschen unterschiedlichster Interessen sich unterschiedlichste Filme anschauen und auch von anwesenden Filmschaffenden Hintergrundinformationen bekommen. So können sich Wahrnehmungen und Sichtweisen verändern. Es ist eben mit einem großen Aufwand verbunden und man hat oft das Gefühl, es sei nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Wir brauchen dahingehend mehr Unterstützung. Dann kann es dazu kommen, dass das, was wir machen, nicht etwas Außergewöhnliches ist, sondern dass Veranstaltungen und Programme, in denen Diskussions- und Diskursprozesse möglich sind, zur Normalität werden.

Persson Perry Baumgartinger, Elisabeth Schneider ( 2019): „Man muss mit einer großen Leidenschaft und einem gewissen Sendungsbewusstsein arbeiten.“. Elisabeth Schneider im Gespräch mit Persson Perry Baumgartinger über regionale Kulturarbeit in Radstadt, Land Salzburg. In: p/art/icipate – Kultur aktiv gestalten # 10 , https://www.p-art-icipate.net/man-muss-mit-einer-grossen-leidenschaft-und-einem-gewissen-sendungsbewusstsein-arbeiten/