Nicht wie ein UFO in einer Region landen

Andrea Hummer im Gespräch mit Anita Moser über Möglichkeiten und Grenzen kultureller Teilhabe beim Festival der Regionen

 

„Bei Partizipation finde ich einen emanzipatorischen Gedanken zentral.“

 

Beim Ansatz der Partizipation ist uns wichtig, dass die Leute mitmachen, weil sie Spaß daran haben, dass etwas durch ihr Mitwirken entsteht und/oder weil sie etwas bewegen wollen.

Wir – ich und auch Airan Berg als künstlerischer Leiter – sind der Ansicht, dass es wichtig ist, dass sich bei den Menschen etwas verändert: ihr Verhalten, ihr Denken, ihre Zugänge. Das ist beispielsweise beim Chor, den ich erwähnt habe, sehr augenscheinlich gelungen. Die Sänger haben gesagt, sie würden in Zukunft sofort mitmachen, wenn jemand mit etwas Neuem kommt. Das ist ein schöner Erfolg.

 

Wie haben die Menschen von den Workshops erfahren?

Durch sehr viel Kommunikationsarbeit auf verschiedensten Kanälen: insbesondere über Social Media sowie die Tages- und Wochenmedien in der Region. Vor allem mit den Workshops zielen wir hauptsächlich auf ein regionales Publikum ab, während wir mit dem Festival selbst auch ein überregionales Publikum gewinnen möchten. Die Workshops sind immer in die jeweilige Gegend eingebettet und dementsprechend nutzen wir viele Kanäle: Bürgermeisterbriefe, Gemeindezeitungen, Wochen- und Tagesmedien vor Ort, Freies Radio, Freie Fernsehstationen, Social Media, Mundpropaganda und vieles mehr.

 

Wer sind die Personen, die nicht zum Festival kommen, die nicht teilhaben konnten?

Gerade beim Thema Soziale Wärme war es relativ klar, wen wir damit nicht erreichen würden. Es gibt eine Menge Leute, die eher nicht „sozial warm“ denken und agieren, sei es im Zusammenhang mit Migration und Flucht, sei es in der sozialen Frage. Wir haben mit diesem Thema natürlich eher Interessierte oder Indifferente erreicht. Es ist für mich in Ordnung, wenn gewisse Menschen nicht dabei sein wollen. Da geht es also nicht um einen aktiven Ausschluss, sondern um eine realistische Einschätzung, wen wir mit dem Festival nicht erreichen. Dagegen anzukämpfen oder sich gar inhaltlich verbiegen, würde keinen Sinn machen.

Natürlich gibt es auch ein Gefälle in der Rezeption von Kunst und Kultur zwischen Menschen mit mehr Geld, und jenen, die weniger Geld haben – das kann man auch mit „pay as you can“ nicht so einfach ausgleichen. Das hängt mit vielen verschiedenen Dingen zusammen, beispielsweise mit Bildung, die ja in vielen Fällen sozusagen vererbt wird. Um ökonomische Ungleichheit und darauf basierende Ausschlüsse zu lösen, bedarf es einer viel umfassenderen Politik, die ein Festival nicht leisten kann. Das geht in die Kulturpolitik, die Sozialpolitik und auch in die Flüchtlingspolitik.

Wir können versuchen, Zugänge herzustellen, aber es gibt Dinge, an denen wir notgedrungen scheitern. Wichtig ist es trotzdem, darüber nachzudenken und sie mitzudenken. Auch Gesundheits- und Behindertenpolitik können wir nicht ändern. Wir können nur versuchen, mit unseren kleinen, begrenzten Möglichkeiten zu agieren und die bestmögliche Arbeit zu leisten.

 

„Volxfest“ von Simon Mayer und Teresa Distelberger. Foto: Nick Mangafas

 

„… bei der Tradition ansetzen im Bewusstsein, dass auch sie sich verändert.“

 

Gibt es weitere Gründe der Nicht-Teilhabe?

Es gibt ein potenzielles Publikum, das sich eher in traditioneller Kultur zuhause fühlt und einem innovativen, künstlerischen Festival am Puls der Zeit manchmal skeptisch gegenübersteht. Wir haben versucht, Formate zu schaffen, die speziell Traditionsvereine eingebunden haben, wie 2019 zum Beispiel das Volxfest. Dabei ging es darum, bei der Tradition anzusetzen im Bewusstsein, dass auch sie sich verändert und nichts ist, was stehenbleibt. Mit einzelnen Projekten konnten wir an Traditionsvereine wie Goldhaubengruppen andocken und sie aktiv ins Festival einbinden. Wir sehen das als Erfolg und sind überzeugt, dass diese Involvierung auf verschiedensten Ebenen etwas Positives bewirkt hat.

Anita Moser, Andrea Hummer ( 2020): Nicht wie ein UFO in einer Region landen. Andrea Hummer im Gespräch mit Anita Moser über Möglichkeiten und Grenzen kultureller Teilhabe beim Festival der Regionen. In: p/art/icipate – Kultur aktiv gestalten # 11 , https://www.p-art-icipate.net/nicht-wie-ein-ufo-in-einer-region-landen/