Open Up! II – Kulturelle Teilhabe in der Praxis

Einleitung

Erfahrungen aus der Praxis, Projektbeispiele und Empfehlungen von Expert_innen

Im Rahmen unseres Forschungsprojektes Kulturelle Teilhabe in Salzburg spielen Gespräche mit Expert_innen eine zentrale Rolle, um verschiedene Aspekte des Themas zu vertiefen und neue Perspektiven zu gewinnen. Ein Teil davon wurde für die Rubrik Practice aufbereitet:

Der Kulturkreis DAS ZENTRUM Radstadt ist ein wichtiger kultureller Treffpunkt in und um Radstadt. Die künstlerische Leiterin Elisabeth Schneider spricht im Beitrag „Man muss mit einer großen Leidenschaft, und einem gewissen Sendungsbewusstsein arbeiten“  mit Persson Perry Baumgartinger über aktuelle Herausforderungen von Teilhabeprozessen, die Förderpolitik im Kunst- und Kulturbereich in Radstadt und Unterschiede zwischen Stadt und Land.

Thomas Philipp räumt im Gespräch mit Anita Moser dem Kulturentwicklungsplan des Landes Salzburg eine wichtige Rolle im Kontext kultureller Teilhabe ein. Er betont, dass es generell wichtig sei, den „hochleveligen“ Diskurs über kulturelle Teilhabe und Kulturbegriffe kritisch zu hinterfragen: „Zuerst müssen wir uns die Frage stellen: Von welcher Kultur sprechen wir denn hier?“ Das Gespräch gibt außerdem Einblicke in Überlegungen zur Stärkung des Feldes, teilhabeorientierte Ansätze im Bereich der Volkskultur sowie Herausforderungen ländlicher Räume.

Ivana Pilić nimmt im Gespräch mit Anita Moser die Rolle von Kunst- und Kultureinrichtungen in den Blick und konstatiert: „Eine Veränderung der Kulturinstitutionen steht an.“ Kollektive Schaffensprozesse, heterogene Teams sowie positive Diskriminierung werden unter anderem als Strategien zur Umsetzung kultureller Teilhabe genannt. Einen besonderen Fokus legt Pilić auf kulturpolitische Forderungen sowie notwendige Veränderungen in der Förderlandschaft, die in Deutschland zum Teil bereits deutlich öfter als in Österreich vorzufinden sind.

Conny Felice von der HOSI Salzburg konstatiert in Bezug auf kulturelle Bildung und queere Kulturproduktion: „Ich sehe da die Möglichkeit der Buntheit …“ – so der Titel des von Persson Perry Baumgartinger geführten Interviews. Mit Fokus auf die HOSI-Bildungsprojekte Schule der Vielfalt und Vielfalt im Beruf sprechen sie über kulturelle Teilhabe aus LGBTIQ-Sicht, safe spaces, die HOSI als wichtigen Bestandteil der Kunst- und Kulturszene Salzburgs sowie Kulturproduktion in den oben genannten Bildungsprojekten.

Sonja Prlić spricht im Interview mit Dilara Akarçeşme und Timna Pachner über Dynamiken der partizipativen Entwicklung von Computerspielen, die sie als Künstler_innengruppe gold extra erproben. Wie kann der digitale Raum als Raum kultureller und künstlerischer Teilhabe genutzt werden? Wie steht es um den Begriff des Digital Citizenship? Wie halten Institutionen im Zuge der Digitalisierung mit? Dies sind einige der Fragen, die im Interview Das Handy als Moment der Erzeugung von Utopien – Potenziale des Gaming, Fragen zu Digital Citizenship und digitale Spiele als Kunst erörtert werden.

„Es ist an der Zeit, zu schauen, was unabhängig von der Macht des Staates oder von Institutionen möglich ist“ lautet der Titel des Interviews mit Marissa Lôbo und Catrin Seefranz von kültüř gemma!, einem Projekt zur Förderung migrantischer Kunst- und Kulturarbeit in Wien. Im Gespräch mit Persson Perry Baumgartinger und Dilara Akarçeşme diskutieren sie Abhängigkeiten von Institutionen und Subventionen im Kunst- und Kulturbereich, antirassistische Kunst- und Kulturpraktiken, Subjektivitäten im Feld der Kultur sowie neoliberale Diversitätsimperative.

„Wo ist ein Migrant der Boss und sagt: ‚Das ist zu weiß.’?“ fragt das Duo EsRap, bestehend aus den Geschwistern Esra und Enes Özmen im Interview mit Dilara Akarçeşme. Sie äußern durch das Medium Hip-Hop Kritik an bestehenden gesellschaftlichen Strukturen und Machtverhältnissen und erklären, wie ihnen stets Identitäten zugeschrieben wurden. Durch die Erfahrung, sich im Feld der Kunst und Kultur aus nicht-privilegierten Kreisen heraus zu bewegen, haben sie Tools gesammelt, die sie nun in Workshops an marginalisierte Jugendliche weitergeben.

Die Drag-Figur Tiefe Kümmernis gab in den letzten Jahren regelmäßige Touren zu queeren Themen durch verschiedene Wiener Museen. Wie es dazu kam, was das Verqueeren von Museen und Vermittlungsarbeit bedeuten kann und welche Ein- und Ausschlussmechanismen eine Kunst- und Kulturpolitik produziert, die sich an neoliberaler Kapitalismuslogik orientiert, darüber sprechen sie und Persson Perry Baumgartinger im BeitragQueering the Museum beinhaltet eine Kritik am kapitalistischen Neoliberalismus der Kulturindustrie.“

Ingrid Weydemann leitet seit 1991 das Museum Fronfeste in der Salzburger Gemeinde Neumarkt am Wallersee, das sie nicht als ein ‚normales‘ Heimatmuseum, sondern als Drehscheibe und Treffpunkt vor Ort positionieren möchte. Auf dabei umgesetzte Ansätze kultureller Teilhabe, die kritische und gesellschaftspolitische Rolle von Museen sowie zentrale kulturpolitische Forderungen für ländliche Räume geht sie im Gespräch mit Anita Moser unter dem Titel Das Regionalmuseum als lokaler Treffpunkt und Ort mutiger, kritischer Fragen ein.

Onur Bakış, der seit über 17 Jahren in Salzburg lebt und arbeitet, verfolgt das Ziel, vor allem marginalisierte Jugendliche für die Hip-Hop-Kultur zu begeistern. Im Interview Unsere Stärke liegt in der Mobilität – wir können in jede Ecke, in jede Siedlung, in jede Nische hinein mit Dilara Akarçeşme erzählt er, wie er in seiner Praxis Schuhplattler und Breakdancer zusammenbringt, was die Herausforderungen der kulturellen Teilhabe migrantischer Kinder sind und unterstreicht die Relevanz von Mobilität in seinem Arbeitsbereich.

Marcel Bleuler interviewt Ellen Roters zu anti-diskriminatorischer Kulturvermittlung mit Kindern und Jugendlichen. Dabei liefert Roters detaillierte Schilderungen zu exemplarischen Erlebnissen im Zuge von Workshops bei Villa Global, einer Berliner Ausstellung von Räumlichkeiten, die den Eindruck vermitteln, sich in Privatzimmern von ausgewählten Personen mit unterschiedlichen Hintergründen zu befinden. Auf Basis ihrer Erfahrungen hält sie im gleichnamigen Beitrag fest: „Um sich bestimmten Themen anzunähern, brauche ich auch die geführte Freiheit.“

Im Interview Vielstimmigkeit und Prozessorientierung in der Vermittlungsarbeit befragt Elke Zobl Elke Smodics zu ihren Hauptinteressen bei der Entwicklung von kritischen Vermittlungmaterialien. Das Gespräch, das vor allem Dekonstruktionsversuche von hegemonialen Machtverhältnissen sowie Geschlechterkonstrukte fokussiert, informiert auch über die Dynamiken und Herausforderungen der partizipativ angelegten Arbeit von trafo.K, einem Wiener Büro für Kunstvermittlung und kritische Wissensproduktion.

Carla Bobadilla erzählt im Gespräch mit Marcel Bleuler über ihre Kunstvermittlung als eine anti-diskriminatorische Praxis, die feministisch sowie von post- und dekolonialen Theorien geprägt ist. In erster Linie geht es ihr demnach um die Entwicklung emanzipatorischer Tools zur Selbstermächtigung und zur Anerkennung dessen, was sie als migrantisches Subjekt in dieser Gesellschaft ist und stellt im gleichnamigen Titel fest: Ich sehe meine Arbeit als eine Irritation im Alltag weißer Subjekte.“

Der Salzburger Rapper Young Krillin, der in Wien und Deutschland als Star gefeiert, doch in Salzburg weniger bekannt ist, fordert im gleichnamigen Beitrag: „Lokale Kunst sollte gefördert werden wie regionale Nahrungsmittelherstellung auch.“ Warum die Förderung lokaler Kunst und Barrierefreiheit in Salzburg dringend notwendig ist, welche Hürden junge Personen in der Salzburger Rap-Szene erleben, sowie Aspekte der Relevanz von Digitalisierung im Kunst- und Kulturbereich thematisiert er im Interview mit Dilara Akarçeşme.

„Eigentlich eine einfache Antwort: ‚Alle’ ist ‚alle’“, beantwortet die Menschenrechtsaktivistin Monika Schmerold vom Salzburger Verein knack:punkt und von Selbstbestimmt Leben im gleichnamigen Interviewgespräch von Dilara Akarçeşme die Frage zu kultureller Teilhabe im Kunst- und Kulturbereich Salzburgs. Welch hoher Aufwand tatsächlich noch immer notwendig ist, um die existierenden Ausschlüsse von als behindert bezeichneten Personen in Salzburger Kunst- und Kultureinrichtungen abzubauen, obwohl die rechtliche Lage für barrierefreie Bauten eindeutig wäre, behandelt das letzte Interview in der Rubrik Practice, ebenso die Wichtigkeit von tatsächlicher Partizipation und Selbstbestimmung.

Dilara Akarçeşme, Persson Perry Baumgartinger, Anita Moser ( 2019): Open Up! II – Kulturelle Teilhabe in der Praxis. Einleitung. In: p/art/icipate – Kultur aktiv gestalten # 10 , https://www.p-art-icipate.net/open-up-ii-kulturelle-teilhabe-in-der-praxis/