„Partizipation setzt nicht nur voraus, dass ein Projekt offen ist“

Reinhold Tritscher im Gespräch mit Timna Pachner

Stehen die VOLXtheaterwerkstätten in Verbindung mit den Produktionen des Theater ecce?

Die VOLXtheaterwerkstätten sind unsere Basisprojekte, aus denen wir Amateurschauspieler*innen casten, die in weiterer Folge an Theaterprojekten des Theater ecce teilnehmen. Sie werden in professionelle Theaterprojekte eingebunden. Für mich sind auch die Produktionen der VOLXtheaterwerkstatt professionell, unter Beteiligung von Amateur*innen. Die Abgrenzung zum Amateurtheater ist eine schwierige und sie ist mir auch nicht wichtig. Wichtig ist mir, welche Inhalte behandelt werden, wie sie formal und ästhetisch umgesetzt werden und was sie bewirken. Eine weitere Initiative bilden die inklusiven Projekte des Theater ecce. In diesen Produktionen beläuft sich das Verhältnis zwischen professionellen Schauspieler*innen und Menschen, die aus anderen Bereichen kommen, also Amateurschauspieler*innen mit und ohne Beeinträchtigung, mit und ohne Migrationshintergrund und aus unterschiedlichsten Bevölkerungsgruppen, auf ungefähr je die Hälfte. Die Projekte sind meistens sehr groß angelegt, und um die Qualität sicherzustellen, ist ein gewisser Anteil an Profis notwendig.

Dann gibt es noch ein paar kleinere Projekte wie diverse Workshops mit Kindern und Jugendlichen, die teilweise in Schulen und teilweise in Zusammenarbeit mit Jugendinstitutionen und mit Kulturvereinen stattfinden. Das sind eher zeitlich begrenzte Projekte, die über eine Woche, über zehn Tage oder auch als Workshopreihe über einige Monate gehen können. Wie alle unsere Angebote sind sie grundsätzlich offen für unterschiedlichste Menschen. Das heißt, wir schreiben sie bewusst inklusiv aus.

 

Sie haben mehrfach angesprochen, dass es manchmal an der Mobilität scheitere. Wie begegnen Sie diesem Problem? Gibt es diesbezüglich Möglichkeiten?

Manchmal arbeiten wir mit Sozialeinrichtungen zusammen, die dann den Transport und teilweise auch die Betreuung übernehmen. Es geht ja zum Teil um Menschen, die Betreuung brauchen. Das würde unsere Möglichkeiten übersteigen. Oft sind diese Menschen allerdings schlicht aufgrund mangelnder Mobilität von der Teilnahme ausgeschlossen, und wir sehen auch keine Möglichkeit, das zu ändern. Es ist für uns nicht schaffbar, zum Beispiel für einen Workshop in Saalfelden quer durch den Pinzgau zu fahren, um Interessierte ins Nexus zu bringen.

Für beides – Transport und Betreuung – mangelt es uns an Ressourcen. Wir haben zwar bei den großen inklusiven Projekten immer Betreuungspersonal engagiert, aber auch in einem bescheidenen Ausmaß. Wir haben jetzt zum Beispiel einen Schauspieler in einem Projekt, der eine persönliche Assistenz hat. Das ist nicht so einfach, weil wir in diesem Fall am Land spielen. Er hat einen Weg von etwa 100 Kilometern zum Spielort. Wenn wir das nicht anders gelöst hätten, hätte er mit seiner persönlichen Assistenz mit dem Auto dorthin gefahren werden müssen. Damit die Betreuungsperson aber ihre Arbeitszeit einhalten kann, wäre sie wieder retour gefahren, hätte das Auto an die Person, die die nächste Schicht gehabt hätte übergeben, und diese wäre dann denselben Weg wieder gefahren. Damit das nicht nötig ist, übernehmen wir die Betreuung in solchen Fällen selbst. Das führt aber dazu, dass Künstler*innen zusätzlich Betreuungsaufgaben übernehmen müssen. Wir sind ein freier Theaterverein. Wir beschäftigen die Künstler*innen in zum Teil sehr prekären Arbeitsverhältnissen, weil diese Sparte leider immer noch sehr unterdotiert und weit weg von Fair Pay ist. Wenn diese in einem ohnehin schon schwierigen Produktionsgefüge auch noch Betreuungsaufgaben übernehmen müssen, dann geht das an die Belastungsgrenzen und zum Teil darüber hinaus. Um so etwas zu ermöglichen, müsste man die Systeme besser aufeinander abstimmen und flexibler gestalten. Die Betriebsstrukturen eines Vereins für Behindertenbetreuung und eines Theaters sind wie Tag und Nacht. Diese beiden Systeme zusammenzubringen, wäre nicht ganz einfach, aber möglich, wenn die Strukturen dafür geschaffen würden und es beide Seiten auch wollen. Menschen, die an einem unserer Theaterprojekte teilnehmen, sind etwa drei Monate bei uns, in der Probenzeit und bei den Aufführungen. Die sind, wenn man so will, in dieser Zeit von uns betreut. Normalerweise sind sie in einer Lebenshilfewerkstatt oder in einem Wohnheim oder wie auch immer. Die Finanzierung dieser Institutionen funktioniert über Tagessätze für diese Menschen. Es ist aber nicht möglich, dass Anteile dieser Tagessätze für Menschen, die in unsere Projekte involviert sind, dann auch uns für die Betreuung zur Verfügung stehen. Dann würde die ganze Betreuungsstruktur zusammenbrechen. Wir können aber mit unserem Budget auch nicht einfach Betreuungspersonal engagieren. Das heißt, wir haben einen relativ hohen Betreuungsaufwand, den wir finanzieren müssen, was aber nicht über diese Tagessätze funktionieren kann. Ich glaube, da könnte man schon flexiblere Systeme finden. Da könnte man kreativer sein.

 

Timna Pachner, Reinhold Tritscher ( 2020): „Partizipation setzt nicht nur voraus, dass ein Projekt offen ist“. Reinhold Tritscher im Gespräch mit Timna Pachner. In: p/art/icipate – Kultur aktiv gestalten # 11 , https://www.p-art-icipate.net/partizipation-setzt-nicht-nur-voraus-dass-ein-projekt-offen-ist/