„Partizipation setzt nicht nur voraus, dass ein Projekt offen ist“

Reinhold Tritscher im Gespräch mit Timna Pachner

Also das wäre auch eines dieser Themenfelder neben fehlender Mobilität als Ausschlussfaktor: Armut als Ausschlussfaktor?

Natürlich. Wobei in diesem Fall auch Aktionen wie Hunger auf Kunst und Kultur Grenzen haben. Was nützt einer Alleinerzieherin in Krimml der Kulturpass, wenn sie unter oder an der Armutsgrenze lebt? Wie soll sie ins Nexus kommen und zurück?

 

Das heißt, da bräuchte man deiner Ansicht auch noch andere Zugänge?

Man muss gesamtgesellschaftlich denken. Es genügt nicht zu sagen: Ja, da kann man eh hingehen.

 

Sondern man muss die Wege auch möglich machen.

Ich glaube, vor allem auch Kontinuität ist ein wichtiges Thema. Man merkt schon, dass Dinge wachsen, wenn sie kontinuierlich passieren. Von Eintagsfliegen halte ich relativ wenig. Die sind zwar nett, aber Eventisierung haben wir bereits genug. Das muss man nicht forcieren.

 

Wie begeben Sie sich auf die Suche nach inhaltlichen Stoffen? Sie sprachen ja davon, dass der Inhalt eigentlich vorrangig sei.

Ich kann das am besten an einem Beispiel verdeutlichen: Wir sind letztes Jahr in der VOLXtheaterwerkstatt Saalfelden von Texten von Franz Innerhofer ausgegangen, der eine Bergbauerngesellschaft der Nachkriegszeit beschrieben hat. Eineinhalb, maximal zwei Generationen später sind aus diesen Bergbauernhöfen Vier-Sterne-Ressorts mit Rezeptionsrobotern geworden. Das ist tatsächlich so schnell gegangen. Wir haben dann versucht, diesen Weg anhand einer Fahrt mit der Pinzgaubahn durch den Oberpinzgau zu beschreiben. Wir haben schlicht aus dem Fenster gefilmt, wo der idyllische Bergbauernhof neben einem Chaletdorf steht. Mit diesen Bildern haben wir gearbeitet. Gespielt haben wir dann auch in einem Chalet, dem Chalet Pinzgau. Dort hat die Frau vermietet, der Mann war Nebenerwerbsbauer, der im Winter auf der Gemeinde Schneepflug fuhr und im Sommer mit der Kehrmaschine. Dann sind syrische Gäste gekommen und der Großvater war im Dachkammerl, videoüberwacht, damit er nicht ‚lästig‘ ist. Das war das Spannungsfeld. Das sind Geschichten, die in Improvisationen von den Teilnehmer*innen entstanden sind. Wir haben ausgehend davon dann ein Gesamtkonzept entwickelt. Was wir hier gemacht haben, hatte ganz massiv mit den Menschen, die dort leben, zu tun.

 

Die Inhalte kommen also von den Menschen?

Die kommen nur von ihnen. Die Menschen im Pinzgau leben vom Tourismus, dementsprechend kommt man an diesem Thema dort nicht vorbei.

 

Das heißt, Sie sehen Ihre Aufgabe darin, Inputs, die von den Akteur*innen kommen, aufzugreifen und basierend darauf einen Rahmen zu schaffen?

Ich sehe meine Aufgabe darin, quasi den Köder auszuwerfen. Ich lasse mich dann aber auch überraschen. Letztendlich wird das Stück von den Teilnehmer*innen entwickelt und ich versuche einen Zusammenhang und einen Bogen herzustellen. Meine Aufgabe ist es, Stücke zu machen, die funktionieren und mit den Menschen zu tun haben, die wir als Zuschauer*innen ansprechen wollen. Warum soll ich denn in eine Region gehen und Geschichten machen, die nichts mit den Menschen, die dort leben, zu tun haben?

Timna Pachner, Reinhold Tritscher ( 2020): „Partizipation setzt nicht nur voraus, dass ein Projekt offen ist“. Reinhold Tritscher im Gespräch mit Timna Pachner. In: p/art/icipate – Kultur aktiv gestalten # 11 , https://www.p-art-icipate.net/partizipation-setzt-nicht-nur-voraus-dass-ein-projekt-offen-ist/