Pinpointing Workshops

AG Arbeit nutzen verschiedene Workshop-Formate, um eine Situation des vertrauensvollen Sprechens zu ermöglichen, da sie, wie sie im Interview erzählen, festgestellt haben, dass Kommunikation in einer Gruppe von Teilnehmenden nicht einfach durch ein informelles Zusammentreffen zu einem Thema funktioniert. Ein dialogischer Raum, der die bestehenden Hierarchien von Expert_innen und Laien, Unterschiede von Alter und Ausbildung nicht reproduzieren will, wird erst durch die Vorgabe von Regeln erzeugt. Der Abstand zwischen der Leitung eines Workshops und der Teilnahme kann nicht einfach negiert werden, jedoch versuchen AG Arbeit gegen die Annahme anzukämpfen, dass sie als Workshopleitende die Wissenden sind, und die Teilnehmer_innen die Unwissenden. Weder die Leiter_innen noch die Teilnehmer_innen haben das „richtige“ Wissen, sondern sie schaffen im Prozess des Dialogs eine Artikulation des Themas.

N. (Klasse Bewusstsein): In den Workshops, die am stärksten an einer Frontalsituation anknüpften, (…) gab es immer wieder die Frage nach dem autorisierten Fachwissen, dem Expertenwissen. Wir haben mühsam versucht, das von uns fernzuhalten, da es uns nicht um Expertenwissen geht. Wir wollten gerne, dass die Leute unabhängig von einer Begriffsdefinition darüber reden, was ihre persönlichen Erfahrungen ausmachen, und dass es nicht so stark darum geht, dafür den richtigen Begriff zu finden, der auch schon bei Soundso aufgetaucht ist. Mein Eindruck war, umso schräger die Formate wurden, umso stärker es in den Methoden um selbstorganisiertes Lernen und basisdemokratische Entscheidungsprozesse ging, (…) umso seltener tauchten Fragen nach Expertenwissen auf.

Die Methoden sind dabei Werkzeuge, die nicht von den Hierarchien zwischen den Sprechenden absehen, sondern diese immer wieder anders verteilen und aufführen – exemplarisch bei Klasse Bewusstein! (Teil 2, Fishbowl). Die Teilnehmer_innen sprechen nicht aus einer Position des Wissens, nicht in Form eines abstrakten, subjektfreien Diskurses, sondern aus Position der Suche nach der eigenen Erfahrung. Zusätzlich ist es bei Klasse Bewusstsein! (Teil 2, Fishbowl) nicht möglich, seine Argumente von einem festen Platz aus vorzubringen oder zu verteidigen. Der „Standpunkt“ muss immer wieder gewechselt werden. Die Sprecher_innen sind im besten Sinne „behinderte“ Sprecher_innen.

Mit dieser Struktur im Workshop wird Raum geschaffen, in dem die Teilnehmenden neue Beziehungen eingehen und ihre Position reflektieren können. Jedoch führt das Aufgeben von Repräsentation im Sinne einer Vermittlung an ein größeres Publikum dazu, dass alles, was sich in dem Workshop entwickelt hat, nur als Erfahrung der Teilnehmenden verbleibt. Dadurch ist es einfacher, eine Atmosphäre der Konzentration und des Vertrauens zu schaffen.

N. (Klasse Bewusstsein): Bei unseren Workshops gibt es keine Zuschauer. Es ist nicht wie bei der Berlin Biennale, wo die Occupy Bewegung im Keller ausgestellt wird.

Die Workshops der AG Arbeit sind im Nachhinein nur durch die Veranstaltungsankündigungen mit der thematischen Setzung repräsentiert, im Moment jedoch in keiner Weise als stattgefundener Prozess mit einer Art Ergebnis.

M. (Klasse Bewusstsein): Was dann weitergeht mit: Wie dokumentieren wir das, wie machen wir es anschlussfähig? Denn nach ein paar Veranstaltungen war klar – es ist Publikum da, vielleicht auch szenefremdes Publikum, und die stoßen nach jeder Veranstaltung auf dieselben Fragen. Das heißt, man tritt nach zwei, drei Jahren ziemlich auf der Stelle, weil man immer wieder anfängt und versucht die Fragen erst mal aufzuwerfen und transparent zu machen. Das ist der Schritt, in dem wir uns seit letztem Jahr befinden.

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Bennett, Tony (2010): Der bürgerliche Blick. in:  von Hantelmann, Dorothea/ Meister, Carolin (Hg.). Die Ausstellung. Politik eines Rituals. Zürich, Berlin: diaphanes.

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Miessen, Markus (2012): Albtraum Partizipation. Berlin: Merve-Verlag.

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Latour, Bruno (2001): Das Parlament der Dinge: Für eine Politische Ökologie. 1. Aufl. Frankfurt am Main: Suhrkamp.

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Latour, Bruno (2005): Von der Realpolitik zur Dingpolitik oder Wie man Dinge öffentlich macht. Berlin: Merve.

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Schlieben, Katharina (2004): Dispositive Workshop. in: Lind, Maria (Hg.): Gesammelte Drucksachen. Spring 02 – Fall 04. Frankfurt a. M.: Revolver Verlag.

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Bhabha, Homi K. (1998): Conversational Art. In: Jacobs, Mary Jane/Brenson, Michael (Hrsg). Conversations at The Castle: Changing Audiences and Contemporary Art. Cambridge, Mass.: M.I.T. Pr.

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Doherty, Claire (Hg.) (2004): Contemporary Art: from studio to situation. London: Black Dog Publ.

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Bishop, Claire (2012): Artificial Hells. Participatory Art and the Politics of Spectatorship. London; New York: Verso.

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Virno, Paolo/Neundlinger, Klaus (2008): Grammatik Der Multitude: Öffentlichkeit, Intellekt und Arbeit als Lebensformen. Mit einem Anhang: Die Engel und der General Intellect: Individuation bei Duns Scotus und Gilbert Simondon. Wien: Turia & Kant.

Seit Ende 2012 agieren sie nun unter dem Namen Klasse Bewusstsein. http://klasse-bewusstsein.de/

Auszug aus der Veranstaltungseinladung

Eine Reflexion über den Workshop „Arbeitslose als Avantgarde“ ist nachzulesen in: Buurman, Nanne (2009): „Picknick im Palmenhain“. In: Mörsch, Carmen (Hg.): Kunstvermittlung Bd. 2. Zwischen kritischer Praxis und Dienstleistung auf der documenta 12. Zürich, Berlin: diaphanes.

Auszug aus der Veranstaltungseinladung – http://www.kdk-leipzig.de/well-connected.html

Lena Brüggemann ( 2013): Pinpointing Workshops. In: p/art/icipate – Kultur aktiv gestalten # 03 , https://www.p-art-icipate.net/pinpointing-workshops/