Pinpointing Workshops

Publikum erster und zweiter Ordnung

Im Workshop gibt es immer ein Publikum erster Ordnung (Hier übernehme ich die Bezeichnung von Claire Doherty. Vgl. Doherty 2004: 8)star (* 7 ): die Teilnehmer_innen, Ko-Produzent_innen. Doch sobald ein Publikum zweiter Ordnung vorhanden ist, wird die Problematik des „Ausstellens“ und damit des (abgeschlossenen, ergebnisgleichen) Werkcharakters virulent.

Nanne: Genau. Du bist gleichzeitig Publikum und Teil des Werks, und dann ist die Frage: Gibt es ein sekundäres Publikum, oder nicht. Wenn ja, dann gibt es die ganzen Probleme: Sozialporno, Objektivierung, Erfüllungsgehilfen von Künstlern, Füllmaterial … Und wenn es kein Publikum gibt, vielleicht eine Legitimationskrise? Wenn die Sichtbarkeit nach außen ausbleibt, zumindest in dem Fall, bei dem man die Teilnehmer als Teil des Werks fasst, bleibt die Frage: Wie ephemer ist es?

Problematik einer (rein) dem Workshop immanenten Öffentlichkeit

Claire Bishop weist in „Artificial Hells“ auf den inhärenten Konflikt künstlerischer Praktiken hin, die mit pädagogischen Formen arbeiten. Kunst, so Bishop, „is given to be seen by others, while education has no image“ (Bishop 2012: 241)star (* 8 ). Problematisch erscheint an einer künstlerischen Nutzung des Workshops, dass die Erzeugung einer „werkimmanenten“ Öffentlichkeit oft nicht in von einer „Veröffentlichung“ begleitet wird, also einem Publikum zweiter Ordnung meist nicht zugänglich ist. Die Workshops haben ohne Vermittlung an ein Publikum zweiter Ordnung kein Gedächtnis, schreiben sich nicht ein in eine erweiterte öffentliche Diskussion. „The secondary audience is ineliminable, but also essential, since it keeps open the possibility that everyone can learn something from these projects: it allows specific instances to become generalisable, establishing a relationship between particular and universal that is far more generative than the model of exemplary ethical gesture.“ (Bishop 2012: 272))star (* 8 ) Durch die immer wieder neuen Teilnehmer_innen, die wenig von den vorhergehenden erfahren, fängt die Artikulation des Themas wieder am Anfang an.

Das Herstellen eines Publikums zweiter Ordnung

Das Problem der Zugänglichkeit und Abbildung des Workshops wird bei „Voicing Responsibility“ durch den Radio-Livestream gelöst. Die Veranstaltung wird so für Unbeteiligte erlebbar, gewinnt also eine Art klassisches Publikum zurück. Dabei wird jedoch das Publikum erster Ordnung nicht zum Objekt der Betrachtung gemacht, da durch die Bot_innen (subjektive) Ausschnitte und Eindrücke aus Gesprächsrunden repräsentiert werden, jedoch nicht die Teilnehmer_innen (als Objekte). Auch der Zeitrahmen und die Einmaligkeit des Workshops werden aufgebrochen, da die Sendung jederzeit nachgehört werden kann.

Lena: Der Livestream von „Voicing Responsibilty“ gefällt mir sehr! Er bricht die Exklusivität des „Dabeigewesen-sein- Müssens“, um darüber reden zu können, und gleichzeitig ist es nicht eine reine Abbildung der Geschehnisse oder gar der Teilnehmer_innen.

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Bennett, Tony (2010): Der bürgerliche Blick. in:  von Hantelmann, Dorothea/ Meister, Carolin (Hg.). Die Ausstellung. Politik eines Rituals. Zürich, Berlin: diaphanes.

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Miessen, Markus (2012): Albtraum Partizipation. Berlin: Merve-Verlag.

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Latour, Bruno (2001): Das Parlament der Dinge: Für eine Politische Ökologie. 1. Aufl. Frankfurt am Main: Suhrkamp.

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Latour, Bruno (2005): Von der Realpolitik zur Dingpolitik oder Wie man Dinge öffentlich macht. Berlin: Merve.

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Schlieben, Katharina (2004): Dispositive Workshop. in: Lind, Maria (Hg.): Gesammelte Drucksachen. Spring 02 – Fall 04. Frankfurt a. M.: Revolver Verlag.

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Bhabha, Homi K. (1998): Conversational Art. In: Jacobs, Mary Jane/Brenson, Michael (Hrsg). Conversations at The Castle: Changing Audiences and Contemporary Art. Cambridge, Mass.: M.I.T. Pr.

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Doherty, Claire (Hg.) (2004): Contemporary Art: from studio to situation. London: Black Dog Publ.

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Bishop, Claire (2012): Artificial Hells. Participatory Art and the Politics of Spectatorship. London; New York: Verso.

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Virno, Paolo/Neundlinger, Klaus (2008): Grammatik Der Multitude: Öffentlichkeit, Intellekt und Arbeit als Lebensformen. Mit einem Anhang: Die Engel und der General Intellect: Individuation bei Duns Scotus und Gilbert Simondon. Wien: Turia & Kant.

Seit Ende 2012 agieren sie nun unter dem Namen Klasse Bewusstsein. http://klasse-bewusstsein.de/

Auszug aus der Veranstaltungseinladung

Eine Reflexion über den Workshop „Arbeitslose als Avantgarde“ ist nachzulesen in: Buurman, Nanne (2009): „Picknick im Palmenhain“. In: Mörsch, Carmen (Hg.): Kunstvermittlung Bd. 2. Zwischen kritischer Praxis und Dienstleistung auf der documenta 12. Zürich, Berlin: diaphanes.

Auszug aus der Veranstaltungseinladung – http://www.kdk-leipzig.de/well-connected.html

Lena Brüggemann ( 2013): Pinpointing Workshops. In: p/art/icipate – Kultur aktiv gestalten # 03 , https://www.p-art-icipate.net/pinpointing-workshops/