„Queering the Museum beinhaltet eine Kritik am Neoliberalismus der Kulturindustrie.“

Die Tiefe Kümmernis im Gespräch mit Persson Perry Baumgartinger über LGBTIQ+ und kulturelle Teilhabe in Museen

Wo wir wieder bei der kapitalistischen Logik wären. Welche Empfehlungen hast du an die Kulturpolitik?

Die Kulturpolitik könnte natürlich so etwas schaffen wie Fördertöpfe für sozial engagierte Projekte, wo sich Institutionen bewerben können. Da ist das Thema aber wieder, Geld in die Hand zu nehmen. Warum soll der Staat dann noch mehr Geld ausgeben für die Museen oder Kulturinstitutionen, die es eigentlich selbst leisten könnten, wenn sie Wert darauf legen würden. Ich glaube, wichtig wäre es, von dieser Fixierung auf Gästezahlen und Erlöse wegzukommen und Bewertungskriterien einzuführen, die mit Qualität und sozialer Reichweite zu tun haben, denn nur dann kann man es den Museen ermöglichen, es auch selbst etwas langsamer anzugehen und nicht Jahr um Jahr die nächste Steigerung einfahren zu wollen.

Also die Medien in die Pflicht nehmen, weil sie das ja auch produzieren?

Ja. Woher haben aber die Medien diese genauen Zahlen? Wahrscheinlich vom Ministerium. Wenn das Ministerium schon anders denkt und anders abfragt, übernehmen die Medien das sofort. Die muss man da gar nicht erst verpflichten oder briefen. Man muss Erfolg anders messen und Qualität genauer anschauen, damit Quantität nicht der einzige Maßstab ist. Intensität oder Qualität sollen zumindest verhandelt werden. Im Moment gibt es nur Quantität und daran krankt das Kultursystem.

Soziales ist ja auch kein Kriterium. Diversity ist immer mal wieder ein bisschen Thema, aber nicht in Richtung Social Justice, sondern in Richtung Audience Development.

Genau. Da schaut ja auch niemand darauf, selbst bei den Museen. Ich glaube, die haben schon eine Ahnung davon, schauen aber lieber in die andere Richtung, weil sie sich vor der Antwort fürchten. Solange genug zahlende Leute da sind, schaut niemand darauf, wie wohlhabend die Besucher_innenschaft des Museums ist und warum nur diese Leute kommen. Das ist aber ein elitärer Kreis, der immer wieder kommt und dann nochmal extra viel Geld dalässt, weil sie eben noch zum Beispiel den Katalog oder ein bisschen Merchandise kaufen. Da mietet dann die Firma XY zu Weihnachten das Museum und das spült nochmal mehr Geld in die Kassen. Das Museum wird immer elitärer statt demokratischer und zugänglicher, wie sie behaupten. Da lügt sich jeder in die Tasche, die Politik wie auch die Museen selbst.

Also wäre es deine Forderung an die Kulturpolitik, bestimmte Bereiche zu fördern, um das auszugleichen?

Es gibt ja Besucher_innenbefragungen und Statistiken über die Besucher_innenstruktur. Das deckt sich überhaupt nicht mit der breiten Gesellschaft. Das hat nicht nur damit zu tun, dass sich die einfachen Menschen nicht für das Museum interessieren, sondern dass sie einfach kein Geld haben und nicht hingehen können. Daraus zieht keiner die Konsequenz. Das würde ja bedeuten, dass man das rein ökonomische Kulturmodell in Frage stellt und das kommt scheinbar nicht in Frage.

Danke für das sehr interessante Interviewgespräch!

Persson Perry Baumgartinger, Tiefe Kümmernis ( 2019): „Queering the Museum beinhaltet eine Kritik am Neoliberalismus der Kulturindustrie.“. Die Tiefe Kümmernis im Gespräch mit Persson Perry Baumgartinger über LGBTIQ+ und kulturelle Teilhabe in Museen. In: p/art/icipate – Kultur aktiv gestalten # 10 , https://www.p-art-icipate.net/queering-the-museum-beinhaltet-eine-kritik-am-kapitalistischen-neoliberalismus-der-kulturindustrie/