Die Stiftung FUTURZWEI: „Wie wollen wir gelebt haben?“

Wenn es um die Vermittlung von diesem Wissen und das Weitergeben von Erfahrungen geht, was bedeutet dann Vermittlung für Sie?

 

FUTURZWEI würde nie sagen, dass es vermittelt. Wir haben immer gesagt: „Wir schießen etwas los. Wir werfen etwas in die Zivilgesellschaft und wenn es jemand aufnimmt und sich dafür interessiert, dann ist es sehr gut und wir freuen uns darüber. Wenn jemand andere Personen ansteckt, ist es noch besser.“ Dazu kann ich schöne Anekdoten aus der Vergangenheit erzählen. Zum Beispiel, als wir FUTURZWEI gegründet und eine Agentur gesucht haben, die unsere Außenwirkung, also unsere Website etc. gestaltet, wurden wir immer gefragt, wer denn unsere Zielgruppe sei. Wir haben gesagt: „Die Zivilgesellschaft. Alle.“ Damit konnten die Agenturen überhaupt nichts anfangen. Das hat sich aber bewahrheitet. Die kleinen Geschichten des Gelingens sind so vielfältig, dass jede*r eine Lieblingsgeschichte finden und von dieser begeistert und mitgerissen werden kann.

Auch entwickelten wir anfangs eine eher widerspenstige Website, wo man sich ‚langhaken‘ musste. Wir bekamen deshalb ganz böse Anrufe. Leute sagten: „Das kann ja nicht sein! Ich möchte an Informationen heran! Sie haben doch die öffentliche Bildung als Auftrag!“ Wir haben dann gesagt: „Ja, aber gesellschaftliche Veränderung gibt es nicht so einfach wie im Selbstbedienungsladen. Sie ist anstrengend. Sie kostet etwas. Sie müssen sich mit unseren Inhalten beschäftigen und das, was wir zu sagen haben, auch wirklich wissen wollen.“

Deswegen würde ich sagen, dass wir eine andere Perspektive auf Vermittlung haben. Auch dieses ‚auf Augenhöhe‘ oder so etwas würden wir gar nicht sagen. Wir freuen uns, wenn wir wahrgenommen und wenn unsere Inhalte rezipiert werden. Und das werden sie. Das lassen wir dann so stehen. Wir machen verdeckte Vermittlungsarbeit (lacht).

 

Undercover (lacht). Vielleicht noch einmal zurück zur inhaltlichen Ebene. Vor dem Hintergrund der Krise rund um die Corona-Pandemie inklusive Lockdown ist es speziell spannend, wie die Themen des Klimawandels und der nachhaltigen Entwicklung aufgenommen werden. Sehen Sie verstärktes Interesse an diesen Fragen? Sehen Sie die Chance, dass man danach möglicherweise nicht zurück zu ‚Business as usual‘ geht?

 

Das ist eine spannende Frage. Was an mich herangetragen wird, ist einerseits eine große Freude und auch ein Erstaunen darüber, dass es überhaupt so weit kommen konnte, dass eine auf permanente Aktion fokussierte Gesellschaft plötzlich stillsteht und in einen tiefen Schlaf fällt. Das haben alle schlicht für komplett unmöglich gehalten. Darüber, dass Fabriken stillstehen, waren alle erstmal geschockt. Dann kam die zweite Phase, in der überlegt wurde, wie die Zeit genutzt werden kann, um Veränderungspotenziale für die Zukunft zu erkennen. Das könnte nun der große Moment von FUTURZWEI sein, in dem viele unserer Geschichten, die vielleicht schon vergraben oder verschüttet worden sind, eine Renaissance erleben könnten. Das wäre unsere große Hoffnung. Gleichzeitig haben wir aber große Angst vor vielen anderen Entwicklungen, die mit der Pandemie einhergehen. Vorgestern wurde zum Beispiel das neue Konjunkturpaket vorgestellt, das als erneuter Aufruf gesehen werden kann, weiter und mehr zu konsumieren. Die Wirtschaftsförderung infolge der Corona-Krise ist darüber hinaus so groß, dass die nächsten Generationen die Schulden abtragen oder das Defizit abarbeiten werden müssen, ohne jemals dazu die Zustimmung gegeben zu haben oder überhaupt gefragt worden zu sein. Und das, obwohl es Fridays for Future gibt, die genau dieses Problem öffentlich wirksam thematisieren. Wir wissen noch nicht genau, wohin die Reise gehen wird. Aber wir sind ja die Agentur für gute Laune. Das heißt, unsere Bedenken kommunizieren wir nicht wirklich. Berufsoptimistin (lacht).

Gutes Motto. Gefällt mir. Aber die Motivation muss man auch halten. Bei allem Optimismus und bei der Freude am Tun wird uns im Rahmen unseres Projektes immer wieder auch die Drastik des Themas und die Dringlichkeit, jetzt etwas zu tun, klar. Dass man eine positive Sichtweise behält und angesichts der Größe und Dimension des Ganzen auch noch etwas tut, ohne in eine Stockstarre zu verfallen, ist gar nicht einfach. Ich finde, FUTURZWEI zeigt da Lichtblicke auf, kann motivieren und Ideen anregen Die FUTURZWEI-Geschichten sind oft auch lustig.

Genau, wir versuchen in unseren Geschichten so gut wie nie über die große Öko-Krise zu sprechen. Es kommt auch kaum Nachhaltigkeitsvokabular wie Resilienz oder erneuerbare Energien vor. Nachhaltiges soziales Handeln hat neben der offensichtlichen Auswirkung, der Vermeidung der Öko-Krise, auch noch ganz andere ‚Nebenwirkungen‘. Das sind Gefühle von Gemeinsamkeit, von Solidarität, von einem besseren Leben, von mehr Zeit oder mehr Entspanntheit. Es gibt ganz viele Aspekte. Wir versuchen immer, besonders diese Dinge herauszustellen und dringlich zu machen. Auch, um tatsächlich Angst zu nehmen und zu sagen: „Hey, versuche es doch auch mal! Mach mal einen ersten Schritt!“ Der erste Schritt ist noch schwer. Der zweite ist schon einfacher. Irgendwann ist man dann gar nicht mehr mit zwei Schritten zufrieden. Dann will man unbedingt weitermachen.

Ganz ehrlich, wir funktionieren intern auch so: Einen ‚großen Masterplan‘ haben wir bei FUTURZWEI auch nicht. Auch wir experimentieren, probieren aus und wagen Neues. Das betrifft die unterschiedlichen Formen und Formaten, mit denen kommunizieren, aber auch die Inhalte. Ob wir was machen wollen, entscheiden wir im Team diskursiv. Das hat bisher gut funktioniert.

Einzig die Geschichten des Gelingens wurden von Anfang an erzählt und werden es noch wohl auch noch weiterhin. Dann gab es den Almanach, unsere Buchreihe im S. Fischer Verlag. Der Almanach war ein Buchformat und gleichzeitig auch ein hybrides Produkt. Am Anfang jedes herausgegebenen Almanachs standen unsere Best-of-Geschichten, dann gab es einen Schwerpunkt, dann wurde durch Infografiken gebrochen und am Ende waren meistens noch Zukunftsszenarien enthalten. Man weiß gar nicht, ob man ein Sachbuch vor sich hatte, ein Märchenbuch, oder was das eigentlich überhaupt war. Das war tatsächlich auch so beabsichtigt. Auch die Ausstellung, die wir im vergangenen Jahr gemacht haben, ist konzeptionell entstanden und kuratiert worden – also auch ein entwickeltes Format. Für unser Online-Magazin war von vornherein geplant, dass wir mehrere Formate veröffentlichen. Es war aber nicht festgelegt, in welchem Umfang dies geschehen sollte. Das Online-Magazin ist ein bunter Teller von allem und lässt viel Freiraum. Vor allen Dingen soll es auch eine Plattform für junge, kreative Personen und Medienschaffende sein, die einfach mitmachen, sich ausprobieren oder experimentieren wollen. Es kommt auch vor, dass sie woanders keine Möglichkeit haben, zu veröffentlichen und sich deshalb an den mittlerweile sehr großen Freundeskreis und an die Fangemeinde von FUTURZWEI wenden.

Alles andere, worin wir uns ausprobiert haben, etwa Film, Audio oder Illustration, ist uns immer durch Menschen zugetragen worden, die wir kennengelernt haben. Es gab immer Leute, die sich an FUTURZWEI gewandt und gesagt haben: „Ich möchte auch gerne Teil davon werden. Was kann ich tun? Wollen wir nicht zusammen etwas entwickeln?“