Die Stiftung FUTURZWEI: „Wie wollen wir gelebt haben?“

Mich würde noch interessieren, wie Sie zu den Menschen kommen, deren Projekte Sie in Ihren Geschichten beschreiben. Und wie Sie grundsätzlich zu Ihren Kooperationspartner*innen kommen. Treten Sie an die Menschen, Vereine, Initiativen etc. heran und finden Anbindungen? Oder gibt es engagierte Medienschaffende, die an Sie herantreten? Oder haben Sie ein Netzwerk, wo das über sieben Ecken funktioniert?

 

Wir haben über die Jahre hindurch ein sehr großes Netzwerk aufgebaut und deswegen immer wieder Selbstbewerbungen oder Hinweise. Bei den Geschichten des Gelingens beispielsweise suchten wir am Anfang selbst mühsam danach und fragten uns durch. Nach sehr kurzer Zeit flatterten dann aber schon die ersten Selbstbewerbungen herein: „Hey, wir machen etwas Gutes!“ Viele Leute wenden sich auch an uns und sagen: „Bei uns in der Gemeinde gibt es einen sehr tollen Verein. Da denke ich jedes Mal an FUTURZWEI.“ Dann sehen wir uns das genauer an. Wir haben mittlerweile eine ‚geheime‘ Datenbank von Projekten, über die es zwar noch keine Geschichten gibt, in die wir aber manchmal bestimmte Leute hineinschauen lassen, Journalist*innen oder Wissenschaftler*innen zum Beispiel. Die Projekte in dieser Datenbank sind nach Themen getaggt. Zum Beispiel Ressourcen, Sparsamkeit, Müllvermeidung, Ernährung oder Mobilität. Es gibt auch eine Karte dazu. Man kann direkt einen Ort suchen und schauen, was es dort gibt. Das ist ein großer Schatz, den wir uns über die Jahre hindurch aufgebaut haben. Wir schaffen es gar nicht, alles abzuarbeiten. Und es sind ja eigentlich tolle Geschichten in dieser Datenbank, die nur erzählt werden müssen. Wir wollen sie nicht verschimmeln lassen. So gibt es zum Beispiel plan b. Das ist eine Sendungsreihe im ZDF, die ausschließlich konstruktiven Journalismus betreibt. FUTURZWEI ist Kooperationspartner von plan b. Die Sendungsmacher*innen lassen wir zum Beispiel in unseren Schatz gucken. Ansonsten benutzen wir natürlich Social Media, so wie alle anderen es auch tun.

Ihre Frage war, wie wir an die Leute herankommen … Meistens gehört dazu sehr viel Glück und vieles ist auch Zufall. Zur gesamten Geschichte von FUTURZWEI gehörte und gehört tatsächlich immer auch eine große Portion Glück dazu. Das muss miterzählt werden. Damals, als wir die Idee hatten, sagten wir, dass wir eine Promotionsagentur für eine Bewegung seien, die noch nicht weiß, dass sie eine ist. Das hätte auch im Sand verlaufen können.

Mir fällt noch eine Sache ein, was die Selektion von Aktionen betrifft. Harald Welzer hat ein Leitbild in die Stiftung gebracht: „Scheiße machen wir nicht.“ Wir funktionieren eigentlich so, dass wir immer im Team entscheiden, ob wir Lust darauf haben, etwas zu tun. Wenn es Widersprüche gibt, werden sie diskutiert. Aber wenn die Bedenken zum Beispiel zu groß sind, lassen wir die Finger davon. Wir machen da keine Kompromisse und keine faulen Sachen. Wir machen auch keine Dinge, bei denen wir nicht hundertprozentig Lust darauf haben, diese auch bis zum Ende durchzuführen. Dass uns irgendwelche Dinge zur Last werden, ist bisher noch nicht passiert. Aufgrund dessen, denke ich, macht es besonderen Spaß, hier zu arbeiten.

Kommen wir zur Abschlussfrage. In unserem Projekt geht es um Fragen kultureller Demokratie. Also darum, wie Menschen die Gesellschaft mitgestalten können. Wir haben auch an Museen gedacht, die oft ein Programm für eine gewisse Zielgruppe konzipieren, ohne diese Zielgruppe in die Entwicklung einzubeziehen. Uns geht es praktisch darum, davon auszugehen, wie man von den Erfahrungen, Wissensständen und Lebenswelten der Menschen ausgehend Ideen entwickeln und gesellschaftliche Mitgestaltung ermöglichen kann. Nicht nur ermöglichen. Ermöglichen fasst es nicht richtig. Sondern so, dass es praktisch passiert. Was braucht es aus Ihrer Sicht dazu? Können Kunst, Kultur und Medien Ihres Erachtens dabei eine spezielle Rolle spielen?

 

Das ist eine schwierige Abschlussfrage. Was mir dabei zuerst einfällt, ist – und das haben Sie eigentlich schon in Ihrer Fragestellung erwähnt – dass die Personen, die Zivilgesellschaft oder die betreffenden Zielgruppen viel zu selten als lebensweltliche Expert*innen begriffen werden. Wenn Sie über Räume sprechen, würde ich sagen, dass ich nicht über den Raum eines Museums, über das Foyer eines Museums oder die Veranstaltungsaula eines Museums spreche. Ich würde immer über den sozialen Raum des Museums sprechen. Über den Raum, in dem die Menschen sind, wo ihre Lebenswelt stattfindet und wo sie tun und handeln. Es kann durchaus sein, dass ein Museum einlädt, aber der demokratisch-kulturelle Raum muss sich nicht zwangsläufig im Museum befinden. Ein Repair-Café oder ein Gemeinschaftsgarten ist für mich zum Beispiel auch ein demokratisch-kultureller Raum. Unsere Räumlichkeiten der Stiftung sind so gesehen auch ein solcher Raum.

Bei demokratischen Räumen geht es natürlich auch immer – im Laufe Ihres Projektes werden Sie wahrscheinlich auch ähnliche Schlagwörter hören – um Begriffe wie Beteiligung, Diskussion, Dialog, aber eben auch Streit. Darum, immer wieder Fragen zu stellen und immer wieder neue Aspekte hereinzubringen. Aber eben auch darum, über Zukunft zu sprechen. Es geht immer wieder um die Frage, welche Gesellschaft wir sein wollen. Im Futur II: „Wer möchte ich am Ende gewesen sein?“ Und: „In welcher Gesellschaft möchte ich gelebt haben?“ Da wird gestritten und es werden vielleicht auch Vorschläge gebracht, die nicht realisierbar sind und es vielleicht niemals sein werden. Es gehört aber dazu, dass verhandelt und gemeinsam gesprochen wird, ohne irgendetwas von vornherein auszuschließen. Ich glaube, diese Zukunfts- und Möglichkeitsräume, über die FUTURZWEI im Rahmen der Ausstellung gesprochen hat, waren auch immer kulturell und demokratisch gemeint. Da gibt es wahrscheinlich eine Schnittstelle.