Im Gespräch mit Anke von Heyl über ArtEduTalk

Es gibt zwei Begriffe, die beim Thema Vermittlung im digitalen Raum präsent sind. Kulturvermittlung im digitalen Raum und digitale Kulturvermittlung. Was sagst du zu diesen beiden Begrifflichkeiten?

 

Das ist ein ganz entscheidender Punkt, weil das zwei verschiedene Paar Schuhe sind. Der digitale Raum, das sind für mich erstmal soziale Netzwerke. Also Twitter ist ein digitaler Raum, Facebook, Instagram, aber natürlich auch die Blogosphäre. Man kann auch sagen, dass Newsletter und E-Mailmarketing digitale Räume sind. Die technischen Dinge und Anwendungen sind nur Mittel zum Zweck. Im Gegensatz zu digitaler Kulturvermittlung, wo sozusagen das Digitale im Dienste der Vermittlung steht, sind digitale Räume per se nicht im Hinblick auf Vermittlung gestaltet. Daher muss dann auch jeweils überlegt werden, welche Bedingungen und Voraussetzungen der digitale Raum, die Nutzer*innen und die Vermittler*innen jeweils haben und wie die User Experience, also das Erlebnis der Nutzer*innen, aussieht.

Der digitale Raum muss anders als der analoge Raum erfasst werden, auch mit dem Zuhören und dem Wissen, wo welche Communitys und Gruppen sind. Es ist wichtig, der Frage nachzugehen: „Wo sind welche Gespräche, in die man sich einbringen kann oder sollte?“ Das ist etwas, das oftmals vernachlässigt wird: die Interaktion und die Art und Weise, wie beispielsweise eine Institution auf Tweets reagiert, oder wie sie überhaupt ein Angebot macht, um mit den Leuten zu sprechen.

Mit der Digitalisierung hat sich auch die Kommunikation immens verändert. Es funktioniert einfach nicht mehr, wenn man ausschließlich angebotsgetrieben agiert. Ein ‚Fail‘ wäre, die für die Besucher*innen relevanten Themen und deren Fragen im Netz nicht zu kennen oder nicht zu wissen, was von einem erwartet wird. Manches ist im digitalen Raum sehr viel anstrengender, weil man sich richtig hineinbegeben muss. Mein Leitsatz ist: „Man kann keine Inhalte für ein Medium produzieren, das man selbst nicht benutzt und genau kennt.“

Wenn man im digitalen Raum arbeitet, kommt immer wieder die gängige Einstellung zum Vorschein: „Hast du eigentlich keine anderen Hobbys?“ Aber sich im digitalen Raum aufzuhalten, ist eine professionelle Haltung. Genauso wie sich analoge Kunstvermittlung darin auskennen muss, was beispielsweise Spezifika von Führungen für Menschen mit Behinderung angeht, so muss auch jemand, die*der im digitalen Raum Vermittlung betreiben will, über die entsprechenden Bedürfnisse, Kommunikationsroutinen, Aufmerksamkeitsspannen etc. Bescheid wissen.

Die digitale Vermittlung beschäftigt sich vor allem mit Tools, Technik und Anwendungen. Da gibt es ein breites Feld bis hin zu Virtual und Augmented Reality. Hier kann man natürlich auch überlegen, welche Methoden man einsetzt, wie man sie anpasst und was man aus dem analogen Bereich übernehmen kann. Dieses digitale Vermittlungsangebot wird aus verschiedenen Ecken gespeist. Ähnlich der Entwicklung einer Software.

Hat es im Projekt ArtEduTalk einen Bezug oder Bezüge zu aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen und Themen gegeben? Sind sie in irgendeiner Form aufgegriffen worden?

 

Wir haben uns schon sehr in der eigenen Suppe der Kunstvermittlung gedreht, wo es in erster Linie um die Frage ging, welche kunstvermittlerischen Entwicklungen man beachten sollte. Wie gesagt, waren Gamification und das Erreichen junger Leute ganz wesentliche Punkte, die vielleicht am ehesten zu deiner Frage der gesellschaftlichen Relevanz passen.

Ich glaube, das ist generell eine Entwicklung, die langsam, aber sicher eine Rolle für uns Akteur*innen in der Kulturbranche spielen wird. Wir haben uns immer sehr stark um uns selbst und um die Frage gedreht, wie wir unser Mangeldenken überwinden können. Es ist ja immer zu wenig Geld da. Es gibt immer zu wenig Support. Das begünstigt eine Haltung, die nicht über den eigenen Tellerrand hinausgeht.

Das will ich jetzt für uns konkret im Projekt gar nicht so sehr in Anspruch nehmen, aber wir haben in erster Linie eben kunstvermittlerische Themen besprochen. Aber ich halte es für einen ganz wesentlichen Punkt, dass man immer überlegt, wie man mit dem, was man vermittelt an Lebenswelten der Menschen oder an Dingen, die die Gesellschaft betreffen anschlussfähig ist.

Unsere Mission ist insofern mit einem gesellschaftlichen Anspruch einhergegangen, als wir sagten, dass im Netz aus bestimmten Gründen Kultur stattfinden solle. Mein Anspruch ist nach wie vor, sehr viel Kunst und Kultur ins Netz ‚hineinzubringen‘, es sozusagen am liebsten damit zu überfluten, damit die Kunst in diese Lebenswelt Eingang findet. Plattformen im Internet haben sich ja mittlerweile zu eigenständigen Lebenswelten entwickelt.

Man kann nicht mehr behaupten, dass es einzelne Nerds sind, die im Netz unterwegs sind. Digitale Plattformen sind Teil unseres Lebens und unserer Gesellschaft. Wir wissen alle, dass Kunst und Kultur einen ganz wesentlichen Beitrag für den gesellschaftlichen Diskurs leisten können. Im Hinblick auf Themen wie Diversität und gesellschaftliche Segregation beispielsweise können wir über digitale Plattformen viele Personen erreichen und Hürden überwinden, die in der analogen Welt noch bestehen.

Herzlichen Dank für das Interview.