Kunst, Kultur und Nachhaltigkeit im Zusammenspiel
Am 06.11.2021 fanden sich in der KunstBox Seekirchen drei Diskutant:innen und zwei Moderatorinnen zu einem hybriden W&K-Forum zusammen. Anlass der Veranstaltung waren die Fragen nach der Rolle von Kunst und Kultur im Hinblick auf den unabdingbaren gesamtgesellschaftlichen Wandel und wie Kunst, Kultur, Forschung und Gesellschaft – im Sinne einer wünschens- und lebenswerten Zukunft – zusammenwirken können. Ihre Perspektiven auf diese Fragen legten Stephanie Müller, Leo Fellinger und Vera Meyer – Letztere war aus Berlin zugeschaltet – dar, um sie im Anschluss daran, auch unter Einbezug des Publikums, zu diskutieren. Elke Zobl und Katharina Anzengruber moderierten das Gespräch.
Der Einstieg in das W&K-Forum war gänzlich unkonventionell: Die Künstlerin Stephanie Müller lud die Menschen vor den Bildschirmen, die dem Forum digital folgten, dazu ein, vergessene Dinge zurück in den Fokus zu holen und sich mit ihnen zu beschäftigten. Den Anwesenden im Raum bot sie an, sich mit Laub zu beschäftigen, das sie zuvor gesammelt, und an beschädigten Stellen bestickt und behäkelt hatte. Auch in der Auseinandersetzung mit diesen Blättern, die Müller zu kleinen Kostbarkeiten verwandelt hatte, ging es um die Fragen, was im Leben aus dem Fokus gerückt ist und wo möglicherweise Verletzungen, Narben oder Spuren entstanden sind.
„Es geht heute ganz viel um unser Klima, um unseren Blick, vielleicht auch unsere Wahrnehmung, vielleicht auch einmal wieder etwas, was aus dem Fokus geraten ist, wieder in unsere Aufmerksamkeit reinzubringen.“ (Stephanie Müller)
Nach dem kreativen Einstieg bat Elke Zobl die drei Gäste, einen kurzen Input zu ihrer Arbeit zu geben. Vera Meyer, Mikrobiologin an der TU Berlin und Künstlerin, beschäftigt sich sowohl in ihrer wissenschaftlichen als auch in ihrer künstlerischen Arbeit mit unterschiedlichen Pilzen. Angetrieben wird sie von der Frage, wie Pilze dabei helfen können, die Zukunft lebenswerter zu gestalten.
„Vielleicht können wir in Zukunft nicht nur Getränke, Lebensmittel, Medikamente aus Pilzen zu uns nehmen, sondern uns in Pilze kleiden, oder sogar in Pilzen wohnen.“ (Vera Meyer)
Auch Stephanie Müller beschäftigt die Frage nach verschiedenen Vorstellungen eines wünschenswerten zukünftigen Zusammenlebens. Sie begreift diese Frage als eine soziale. Daher ist für sie das Zuhören, die Kommunikation, das Aufeinander-Zugehen in ihrer künstlerischen Praxis unerlässlich.
„Das kann auch draußen an der Straße, in der Bushaltestelle sein, ganz egal. Wie kann ich dann einen Ort schaffen, wo Menschen einen Moment miteinander erleben, wo sie vielleicht kurz aus diesem Alltags-Moment rauskommen können und Lust haben, sich gegenseitig zuzuhören?“ (Stephanie Müller)
Die Diskutant:innen sind sich darüber einig, dass Nachhaltigkeit etwas ist, das der kontinuierlichen gesamtgesellschaftlichen Aushandlung bedarf. Folglich bedeutet das, dass Kommunikations- und Handlungsräume geöffnet werden müssen, in denen Austausch, Kooperationen und Kollaborationen zwischen den drei „Kreativitäts-Motoren“ Gesellschaft, Wissenschaft und Kunst entstehen können. Hierzu können Künstler:innen und Kultureinrichtungen wesentlich beitragen. Leo Fellinger, Vorsitzender des Kulturvereins KunstBox Seekirchen, beschreibt die Rolle von Kunst und Kultur im Nachhaltigkeitskontext folgendermaßen:
„Von allen Seiten strömt auf uns die Berichterstattung über Nachhaltigkeit, Nicht-Nachhaltigkeit, Wahres, Falsches, was auch immer ein. Wir müssen Kunst und Kultur dazu finden, eine Bühne zu schaffen für nachhaltiges Handeln und es muss beispielhaft sein. Ja, das was wir hier machen, muss beispielhaft sein.“ (Leo Fellinger)
Jedenfalls ist es das Prozesshafte, das „Mäandern“, wie es Vera Meyer nennt, das Menschen zusammenbringt und gemeinsam an einer Frage tüfteln oder an etwas arbeiten lässt. Kunst und Wissenschaft ergänzen sich hier optimal, wobei laut Meyer „eins plus eins mehr als zwei“ ergibt. Stephanie Müller sieht eine Parallele zwischen Wissenschaft und Kunst, indem sich beide zunächst auf unsicheres Terrain begeben. Wenn Wissenschaftler:innen zum Beispiel feststellen, dass aus Pilz-Rohstoffen ein Haus gebaut werden kann, dann ist es schwer, sich darunter etwas vorzustellen. Wenn allerdings ein Modell dieses Hauses durch die Kunst greifbar gemacht wird und das wiederum ein wissenschaftliches Weiterdenken anregt, dann haben sich Kunst und Wissenschaft gegenseitig inspiriert.
„Kunst inspiriert die Wissenschaft, die Wissenschaft inspiriert die Kunst.“ (Vera Meyer)
Weiterführende Links zu den Gästen:
Vera Meyer, Biotechnologin an der TU Berlin und Künstlerin:
- MY-CO SPACE: thttps://tinybe.org/artists/my-co-x/
- MY-CO BUILD: (2021 – 2022 im Futurium, Berlin) https://futurium.de/de/my-co-build
- www.tu.berlin/mikrobiologie
- www.v-meer.de
Stephanie Müller, Künstlerin, Mediendienst Leistungshölle, Beißpony:
Leo Fellinger, KunstBox Seekirchen:
Padlet zum Forum:
https://padlet.com/s1041594/WK_Forum_Seekirchen
Aktueller Buchtipp:
Playbook Klimakultur 2021 https://www.bmeia.gv.at/fileadmin/user_upload/Zentrale/Kultur/Publikationen/Playbook_Klimakultur_Web_20210910.pdf
Darin: Franziska Weder: Nachhaltigkeit als kulturelle Praxis, S. 22-29.