Shut Down! Kunst- und Kulturpraxen unter veränderten Ausgangs_Bedingungen

Einleitung

Die vorliegende Ausgabe des eJournals p-art-icipate stellt die dritte und damit letzte in einer Reihe dar, die mit dem am Programmbereich Zeitgenössische Kunst und Kulturproduktion durchgeführten und vom Land Salzburg geförderten Forschungsprojekt Kulturelle Teilhabe in Salzburg verbunden ist. Die beiden vorangehenden Ausgaben erschienen 2018 und 2019 unter dem Titel Open Up! bzw. Open Up! II. Dieser Titel erwies sich in gleich zweierlei Hinsicht als passend: Zum einen rekurrierte er auf das Forschungsprojekt, das aus einer transdisziplinären Perspektive als wesentliches Ziel die Reflexion sowie Weiterentwicklung von Strategien verfolgt, um das Kunst- und Kulturfeld für die Teilhabe möglichst vieler Menschen zu öffnen. Zum anderen spiegelt sich der Titel Open Up! in den beiden Ausgaben insofern wider, als dem Projekt zugrundeliegende, zentrale Fragestellungen eröffnet und sowohl aus theoretischer als auch aus praktischer Perspektive diskutiert wurden. Während sich Ausgabe #9 im Besonderen Ein- und Ausschlüssen in Kunst und Kultur widmete, rückten in der Ausgabe #10 konkrete Ansätze von kultureller Teilhabe (hauptsächlich aus dem Raum Salzburg), in den Vordergrund. In Gesprächen mit Expert*innen wurden Einblicke in die (regionale) Kulturarbeit sowie in verschiedene Kunst- und Kulturprojekte gewährt.

Diese Ausgabe #11 richtet den Blick zunächst auf theoretische Grundlagen sowie auf die Konzeption einer „kritischen kulturellen Produktion“. Gemeint ist damit ein Ansatz, dessen Kernanliegen dezidiert im Aufbrechen von bestehenden Machtverhältnissen und in der Stärkung demokratisch verteilter Mitbestimmung im Kunst- und Kulturfeld besteht. Auf die theoretischen Beiträge folgen erneut diverse Gespräche, in denen konkrete Umsetzungsmöglichkeiten sowie Voraussetzungen und auch Herausforderungen diskutiert werden, die sich auf dem Weg zu einer Veränderung hin zu einer breiteren Teilhabe und Mitsprache stellen.

Die Wahl des Titels Shut Down!, der wie eine Antithese zum vorherigen Open Up! anmutet, mag zunächst überraschen. Einerseits steht der Titel ganz pragmatisch für den Abschluss des Forschungsprojekts Kulturelle Teilhabe in Salzburg im Sommer 2021, dessen Ergebnisse umfassend online publiziert werden.

Vor allem markiert der Begriff jedoch jenen Zeitpunkt in der Corona-Krise, der gerade auch für den Kunst- und Kulturbetrieb erhebliche, andauernde und in ihrem Ausgang nicht absehbare Auswirkungen mit sich brachte. Dieser Einschnitt kann und soll nicht ausgeblendet werden.

Der Pandemie-bedingte Shutdown hat die Nutzung des digitalen Raumes sowie die Entwicklung neuer Teilhabe-Formate notgedrungen rasant vorangetrieben. Damit wurde nicht zuletzt auch unsere Forschungsarbeit unvorbereitet getroffen, die eine Analyse und eingehende Reflexion in Hinblick auf das Potenzial digitaler Formate schuldig bleibt. Auch in der vorliegenden eJournal-Ausgabe wird auf die jüngsten Entwicklungen eher am Rande hingewiesen. Wir am Programmbereich sowie unsere Partner*innen für das eJournal hätten diese aktuelle Auseinandersetzung gerne unmittelbar durchgeführt. Wie alle waren wir aber zu sehr mit der Bewältigung unserer veränderten Lebenswelt beschäftigt, als dass von einer analytischen Distanz die Rede sein könnte.

Dabei hat es uns im Vergleich zu den oftmals ohnehin prekär lebenden Akteur*innen des Kunst- und Kulturfeldes, mit denen wir zusammenarbeiten, nicht besonders hart getroffen. Für sie war der Shutdown mit existenzieller Bedrohung und einem Gefühl der Ohnmacht angesichts kulturpolitischer Versäumnisse verbunden. Der Shutdown hat nicht zuletzt jene Ungleichheiten und Ausschlüsse verstärkt sichtbar gemacht, die den Kulturbereich als Abbild der gesamtgesellschaftlichen Verhältnisse prägen und die auch in Beiträgen dieser Ausgabe thematisiert werden, die bereits vor und damit unabhängig von der Corona-Pandemie entstanden sind. Gerade dieses Hervortreten der Schwierigkeiten – im kulturpolitischen Kontext kann durchaus von Missständen die Rede sein – infolge des Shutdowns könnte aber auch eine Chance darstellen: die Chance dazu, eine Veränderung der Ausgangs_Bedingungen im Kulturbereich anzustoßen, Kunst und Kultur im Sinne von demokratischen Aushandlungsprozessen (neu) zu denken und Öffnungsprozesse in Gang zu setzen bzw. voranzutreiben. Die Voraussetzungen dafür müssen auf kulturpolitscher Ebene geschaffen und von der Gesellschaft vehement eingefordert werden. In diesem Sinne könnte der Shutdown einen Wendepunkt bilden: unter anderem hin zu mehr kultureller Teilhabe.

Mit der Frage, wie eine demokratische, gesellschaftlich verantwortliche und auf breite Teilhabe fokussierte Kulturpolitik aussehen könnte, setzt sich Anita Moser anlässlich der Corona-Krise in ihrem Artikel Die Krönung der Krise auseinander.

Katharina Anzengruber, Dilara Akarçeşme ( 2020): Shut Down! Kunst- und Kulturpraxen unter veränderten Ausgangs_Bedingungen. Einleitung. In: p/art/icipate – Kultur aktiv gestalten # 11 , https://www.p-art-icipate.net/shut-down-kunst-und-kulturpraxen-unter-veraenderten-ausgangs_bedingungen/