So kompliziert wie Situationen sind

Temporäre Eingriffe im Spannungsfeld zwischen Verunsicherung und Ermächtigung

Bewegung

Ein weiteres Projekt, das ich vorstellen möchte, heißt Flic Flac* und ist ein feministisches Vermittlungsprojekt für die Berufsschule. Es soll nicht verheimlicht werden, dass all jene, die zu Feminismus und Queer in der Vermittlung arbeiten, es mit einer nie enden wollenden „Baustelle“ zu tun haben.star (*5) Insofern verstehen wir Flic Flac* als work in progress.

Wenn wir mittels der feministischen Arbeitsmaterialien für den Unterricht über Feminismus sprechen wollen – und darüber, wie über Feminismus gesprochen werden kann –, dann müssen wir uns eines vorweg deutlich machen: Feminismus bringt viel eher Fragen mit sich als abschließbare Antworten bereit zu stellen. Es handelt sich um ein vielschichtiges und umkämpftes Themenfeld, das Inhalte, Debatten und Handlungen umfasst, die im Alltag gelebt, politisch geregelt, aktivistisch erkämpft, theoretisch analysiert und künstlerisch bearbeitet werden. Das Sprechen über ein Thema, das sich in einer Welt voller Widersprüche selbst ständig neu erfinden muss und niemals zu einem Ende kommt, solange Ungleichverhältnisse unsere Gesellschaft bestimmen, wird dabei selbst zur Intervention.

Die Idee für feministische Unterrichtsmaterialien ging aus dem erklärten Wunsch von Lehrlingen hervor; sie stellten die Forderung, mit Instrumentarien und einer Sprache, was das Thema betrifft, ausgestattet zu werden. So erprobten wir im Rahmen einer Workshopreihe von 2006 bis 2008 in Kooperation mit zahlreichen Künstler_innen, Aktivist_innen und Theoretiker_innen unterschiedliche Annäherungen an das Themenfeld Feminismus und Queer in Zusammenarbeit mit Berufsschüler_innen. Die hervorgegangenen Methoden wurden mit einer Bedarfserhebung der Sozialwissenschafterin Ines Garnitschnig verbunden, die uns Aufschlüsse und Einsichten über Erfahrungen, Wünsche und Bezüge der Schüler_innen zum Thema Feminismus gab.

Seit 2009 kooperiert, arbeitet, diskutiert, verändert und erweitert trafo.K diese Materialien auf Basis der Erfahrungen, die wir bei Workshops mit Jugendlichen, im Ausbildungskontext auf Universitäten, auf Fachtagungen mit Expert_innen wie auch auf Weiterbildungsseminaren an pädagogischen Hochschulen machen. „Wir haben uns mit dem Projekt Flic Flac* das Ziel gesetzt, Aspekte zu verbinden, die davor in Unterrichtsmaterialien leider nur sehr selten zusammen gedacht wurden: feministische Geschichten und Kämpfe, queere Theorien und der Alltag in der Berufsschule.“star (*5)

Es gab eine Vielzahl an Gelegenheiten, unsere Herangehensweisen in der Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Ungleichheiten – in die wir alle unterschiedlich und spezifisch verstrickt sind und mit denen wir jeweils konkret umgehen müssen – zu überdenken und gleichzeitig festzuhalten, dass im Hinblick auf die Formulierung und Überwindung dieser Ungleichheiten von queer-feministischen Strategien und Kämpfen gelernt werden kann.star (*6)

Bildersammlung aus den Flic Flac*-Workshops © trafo.K

Bildersammlung aus den Flic Flac*-Workshops © trafo.K

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»A stereotype is a box usually too small, that a girl gets jammed into« („Ein Stereotyp ist eine gemeinhin zu kleine Box, in die ein Mädchen hineingequetscht wird.“) Guerrilla Girls (2003): Bitches, Bimbos and Ballbreakers: The Guerrilla Girls’ Guide to Female Stereotype. Penguin
Books, S. 7.

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Vgl. Büro trafo.K: Formate der Vermittlung. In: schnittpunkt (Hg.): Handbuch Ausstellungstheorie und -praxis, S. 103–110.

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Nora Sternfeld (2012): Um die Spielregeln spielen! Partizipation im post-repräsentativen Museum. In: Susanne Gesser et al. (Hg.): Das partizipative Museum: Zwischen Teilhabe und User Generated Content. Neue Anforderungen an kulturhistorische Ausstellungen. Bielefeld. http://www.academia.edu/4200578/Um_die_Spielregeln_spielen_Partizipation_im_post-reprasentativen_Museum

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Vgl. Nora Sternfeld (2011): Vortrag: Handlungsräume – Von der Kritik und der Tat, ÖGFA Impulsvorträge und Diskussion: Schule machen!

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Vgl. Marty Huber und Markus Griesser: Vorisse. In: Kulturrisse – Zeitschrift für radikaldemokratische Kulturpolitik (Schwerpunkt: Queere De-/Konstruktionen: Von Abtragungen und Baustellen), S. 1.

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Siehe hierzu auch: Büro trafo.K: Die komplizierte Tätigkeit der Selbstveränderung. Praxen und Fragen bei Vermittlungsprojekten in der Migrationsgesellschaft. Art Education Research, No. 8/2014, S. 1–3.

Wir entwickelten im Auftrag der Vienna Design Week 2011 Tools für Designvermittlung. Das jährlich stattfindende Festival präsentiert nationale wie internationale Designpositionen im Rahmen unterschiedlicher Veranstaltungen an verschiedenen Orten der Stadt.

O-Ton Bemerkung einer Schüler_in des Brigittenauer Gymnasiums, Radiobeitrag Wienwoche (10): Raum für Raum – Workshop mit trafo.K im BORG 20 http://cba.fro.at/64470 , Workshops zum Schwerpunkt Raum umverteilen, WIENWOCHE 2012, http://www.wienwoche.org/de/wienwoche/

Zitat eines KFZ-Lehrlings von Jugend am Werk, 2014.

Dieser kann auf der Website von trafo.K als pdf heruntergeladen werden: http://www.trafo-k.at/_media/download/FlicFlac_Glossar.pdf

Elke Smodics ( 2014): So kompliziert wie Situationen sind. Temporäre Eingriffe im Spannungsfeld zwischen Verunsicherung und Ermächtigung. In: p/art/icipate – Kultur aktiv gestalten # 05 , https://www.p-art-icipate.net/so-kompliziert-wie-situationen-sind/