Neben Aktionen einzelner KünstlerInnen und KünstlerInnengruppen regen vermehrt auch Kultur- und Ausbildungsinstitutionen Workshops, Ausstellungen, Aufführungen und Festivals an, die sich der Themen „Flüchtlinge“, „Sans Papiers“, „Asylsuchende“ oder „Refugees“ annehmen. Viele der Initiativen setzen dabei auf unmittelbare Partizipation der Betroffenen. So etwa wurde 2012 im Rahmen eines Hochschul-Dramaturgieseminars die Aufführung WG Babylon. Eine Performance sucht Asyl (vgl. Theaterprojekt WG Babylon 2013) (* 14 ) als eine Zusammenarbeit von Studierenden der Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK), der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) in Kooperation mit der Autonomen Schule Zürich*2 *( 2 ) (* 2 ) und dem Bleiberecht-Kollektiv*3 *( 3 ) (* 5 ) realisiert und die Publikation Bleibeführer Zürich (vgl. Projekt Bleibeführer Zürich 2013) (* 12 ) in Kooperation zwischen dem Institute for Art Education der ZHdK, dem Museum für Gestaltung Zürich und der Autonomen Schule Zürich im Rahmen des Forschungsprojektes „Kunstvermittlung in Transformation“ im Jahr 2010 veröffentlicht. Die Hamburger Dramaturgin Sandra Strunz entwickelte 2012 in Kooperation mit dem Theaterhaus Gessnerallee in Zürich unter Beteiligung afrikanischer MigrantInnen ihr Stück Die Unsichtbaren (Freudiger 2012: o.S.) (* 7 ), das u.a. beim Festival Verortung im März 2012 in der Gessnerallee zu sehen war (Aux Arts Etc… 2012: o.S.) (* 3 ), in dessen Rahmen mehrere weitere Produktionen zum Thema Flucht, Krieg, Heimat und Identität gezeigt wurden – um nur einige der in den letzten Jahren stattgefundenen Projekte zu nennen.
Als Künstlerin, die sich in ihrer Arbeit ebenfalls mit dem Thema der Migration auseinandersetzt, werde ich immer wieder mit Stimmen konfrontiert, die den künstlerischen Zugriff auf diese Problematik kritisieren. Oft wird den ProjektinitiatorInnen vorgeworfen, dass sie sich über die wirklichen Schicksale der Betroffenen hinwegsetzen und sie lediglich zu StatistInnen ihrer vermeintlich engagierten Vorhaben machen würden. Vergleichbare Kritik wird nicht zuletzt auch von Flüchtlingen selbst formuliert (u.a. AntiKulti-Ateliergruppe 2012: 4f.) (* 1 ).
In Gesprächen mit verschiedenen AkteurInnen der Polit- und Kulturszene der Schweiz, die sich als InitiantInnen, Teilnehmende oder RezipientInnen mit partizipativ angelegten Projekten zum Thema der irregulären Migration befasst haben, möchte ich in diesem Beitrag der Frage nachgehen, anhand welcher Merkmale die „eigentliche“ Motivation derartiger Kunstprojekte überprüft werden kann. Genießen ProjektmacherInnen, die – wie ich – selbst einen Migrationshintergrund aufweisen, eine Art „Glaubwürdigkeitsvorsprung“ im Vergleich zu all denjenigen, die keinen biografisch bedingten Bezug zu dieser Problematik haben? Und nicht zuletzt: In welchen Punkten ist die in der Kunstszene oft beklagte Kritik gegenüber künstlerischen Arbeiten, die sich politischer Themen wie Migration annehmen, begründet?
Marina Belobrovaja ( 2013): „… so’n bisschen United Colors of Benetton“. In: p/art/icipate – Kultur aktiv gestalten # 02 , https://www.p-art-icipate.net/son-bisschen-united-colors-of-benetton/