Almut Rembges ist freie Kunsthistorikerin und -vermittlerin, Aktivistin und Initiantin der bblackboxx*5 *( 5 ) (* 4 ).
Christoph Wüthrich studiert soziokulturelle Animation an der Hochschule Luzern und gehört zum festen Team der bblackboxx, wo er regelmäßig Workshops für Kinder organisiert.
Seit den Anfängen der bblackboxx wurden verschiedene Vorhaben umgesetzt; von Kochperformances über ethnologische Studien bis hin zu Theateraufführungen. Nach welchen Kriterien werden die Projekte ausgewählt?
Oft kennen wir die KünstlerInnen vorher gar nicht. Wir machen auch kein Briefing und befragen sie nicht im Vorfeld, worum es ihnen genau geht. Dieses Risiko ist ja auch ein Teil des Experiments. Und auch wenn einem nichts einfällt oder das, was man ursprünglich vorhatte, plötzlich nicht funktioniert, ist es kein Problem. Hauptsache, man ist da gewesen und hat Wissen gesammelt, das weitergetragen werden kann. Vor zwei Jahren gab es ausnahmsweise nun doch eine Situation, wo es „etwas werden sollte“. 2010 haben wir den Wettbewerb des Kunstkredits Basel-Stadt*6 *( 6 ) (* 10 ) gewonnen und mussten nun zeigen, was aus dem investierten Geld geworden ist. Es kamen immer wieder Leute vorbei, die über das Projekt in der Zeitung gelesen haben und sagten: „Aber man sieht hier ja gar nichts.“ Ähnlich lief es vor zwei Wochen, als die Redaktion der Radiosendung Echo der Zeit einen Bericht über das Projekt machen wollte. Dummerweise war es wieder so ein Tag, an dem in der bblackboxx nicht viel gelaufen ist. Der Vater einer anwesenden Roma-Flüchtlingsfamilie hat sich danach noch entschuldigt, dass seine Kinder nicht fröhlich genug mitgespielt haben, weil sie andere Probleme hatten. Also hat man diesen misslungenen Beitrag nicht gesendet. Deshalb sage ich immer: „Kommt erst einmal, checkt die Lage und macht euch erst dann Gedanken darüber, was es zu tun gibt.“ (AR)
Gibt es trotzdem „No-Go-Projekte“, bei denen du dich aufgrund ihres womöglich instrumentalisierenden oder stigmatisierenden Charakters gezwungen siehst einzugreifen?
Es gab immer wieder Momente, wo ich mich eingemischt habe, wie etwa bei den Fotografen, die ich wegschicken musste, weil sie sich in der bblackboxx wie in Lampedusa verhalten haben, obwohl ich sie im Vorfeld gebeten habe, die Leute zuerst zu fragen, bevor sie ihre Kameras auf sie richten.
Oder es kam die Anfrage einer Künstlerin, die mich gebeten hat, ihr für ein Kunstprojekt einige Flüchtlinge zu vermitteln. Sie wollte Koffer an sie verteilen, damit sie ihre Geschichten dort hineinpacken, um sie anschließend in einer Galerie auszustellen. Darauf sagte ich, dass man zwar schnell Menschen finden würde, die ihr diese Koffer vollpacken, aber wenn sie die Sache wirklich vertiefen will, muss sie mit den Leuten erst einmal Zeit verbringen. Das, was sie da versucht, lässt sich viel besser bei einem Bier und einer Zigarette klären, sie braucht gar keine Koffer dazu.
Es gibt einen großen Unterschied zwischen dem Politischen und dem Themenpolitischen in der Kunst. Themenpolitische Kunst kann, meiner Meinung nach, absolut unpolitisch sein. Wenn jemand Koffer von Flüchtlingen füllen lässt, um sie dann auszustellen, ist das keine politische Kunst, obwohl sie politische Themen aufgreift. Denn sie steht nicht wirklich für etwas ein, es ist so eine Feigenblatt-Kunst. So bleiben die Flüchtlinge nämlich weiterhin im Koffer und man kann ihn schön wieder zumachen. Diese Kunst wagt nichts. Sie ist so ein bisschen United Colors of Benetton. (AR)
Es gibt also doch gewisse Kriterien dafür, was in der bblackboxx künstlerisch passiert.
Ich bin wohl ein bisschen eine Lehrerin, denn es geht mir in erster Linie nicht um konkrete Ergebnisse und Produkte, sondern um das Lernen in der Kunst. Wenn jemand sagt: „Ich will etwas verstehen“, dann empfehle ich ihm, mindestens zwei Wochen hier zu bleiben, sonst hat man gar nichts davon. Erst einmal ist man hier mit den vielen verschiedenen Sprachen befasst. Nicht nur lexikal, sondern mental, kulturell. Erst mit der Zeit beginnt man, sie zu entschlüsseln. Und dann merkt man auch, dass man selbst in gewissen Konventionen steckt, die für die Menschen hier wiederum vollkommen unverständlich sind. (AR)
Wie wird die in der bblackboxx vertretene Haltung in der Kunstszene wahrgenommen?
In den Kunstkreisen kennen alle das Projekt irgendwie und jede/r scheint eine Meinung darüber zu haben, meistens ohne dass man je hier gewesen ist. Ich werde auch ständig zu Podien, Workshops, Präsentationen und Seminaren eingeladen. In der letzten Zeit sind es etwa zwei Termine pro Woche, die ich an den Schweizer Kunstschulen absolviere.
Interessanterweise wird die bblackboxx kaum von den Leuten aus der Kunstszene besucht, aber alle reden darüber. Womöglich passiert das, weil viele denken, dass wir hier so ein sozial-engagiertes Projekt für Flüchtlinge veranstalten. Deswegen muss ich es bei jeder Präsentation immer wieder betonen, dass wir hier keine Kunst für Flüchtlinge machen, sondern für alle. (AR)
Kritik kommt von verschiedensten Seiten, natürlich auch aus der Kunstszene. Aber interessanter und auch wichtiger für mich ist die Kritik, die in der autonomen Szene geäußert wird, weil ich selbst dort viel mehr verankert bin. Und das, was sie oft an dem Projekt auszusetzen haben, ist, dass es in Richtung Sozialarbeit und Freizeitbeschäftigung gehe und dass es auf diese Weise letztlich dem Erhalt des bestehenden Systems diene. Wir würden die Machenschaften des Asylwesens unterstützen, indem wir den Ist-Zustand verschönerten, anstatt Kritik zu üben, was auf der Überzeugung beruht, dass das Camp, aus dem die meisten Flüchtlinge herkommen, grundsätzlich weg muss.
Der Unterschied zwischen sozialer Arbeit und der Kunst lässt sich hier aber relativ deutlich daran ausmachen, wie anders sich KünstlerInnen mit den Leuten auseinandersetzen, als es SozialarbeiterInnen tun würden. Es geht ihnen viel weniger um dieses primäre Helfen – „wir müssen darauf schauen, dass es euch möglichst gut geht“ –, sondern mehr um das gemeinsame Tun – „wir machen hier etwas zusammen und entweder geht es euch dabei gut oder auch nicht“.
Außerdem denke ich, dass allein mit der Tatsache, dass die bblackboxx als solche existiert, ein politisches Statement formuliert wird, das sich nach außen richtet. (CW)
Marina Belobrovaja ( 2013): „… so’n bisschen United Colors of Benetton“. In: p/art/icipate – Kultur aktiv gestalten # 02 , https://www.p-art-icipate.net/son-bisschen-united-colors-of-benetton/