Teilhabe am Wissen

„Part-of Relation“ oder performative Forschung im Feld der Kunst

Wissen performieren / medialisieren

Mikropraktisches Forschen als wissensbildende Prozesse: Adrian Pipers Funk Lessons

Adrian Piper ist eine Konzeptkünstlerin der ersten Generation. In ihrer Arbeit nehmen partizipative Praktiken, die auf künstlerische Verfahren in der Tradition der Cage-Schule sowie auf die Aktionskünste Fluxus und Happening zurückgehen, einen großen Stellenwert ein. Zwischen 1982 und 1984 hat Piper ihre Workshops Funk Lessons. A Collaborative Experiment in Cross-Culture Transfusion durchgeführt, die politische Inhalte mit lustvollen Erfahrungen zu verbinden suchen. Kurz nach ihrem PhD in Philosophie begann sie mit diesem Projekt. Unter dem Motto „get down and party. together“ vermittelte sie einem heterogenen Publikum – konkret akademischen und nicht-akademischen wie kunstfernen und kunstaffinen Teilnehmer_innen – den afroamerikanischen Funk und Soul, seine Struktur und seine Geschichte.

Piper nutzt auf der einen Seite das unmittelbare performative Potential von Praktiken in ihren Workshops und sie übersetzt auf der anderen Seite diese künstlerische Arbeit im gesellschaftlich-sozialen Feld in ein ästhetisch-formal stimmiges Werk, ein Video*11 *(11) und schließlich in einen analytisch-kritischen Text, den 1985 publizierten vierteiligen Essay „Notes on Funk I-IV“. (Piper 2002: 239)star (*22) Mit diesen Darstellungen dokumentiert, reflektiert, performiert und medialisiert Piper nicht allein das ephemere Geschehen der Performance, sie kontextualisiert und diskursiviert dieses vielmehr und fügt es in das Feld des Wissens ein.

Piper lässt ihr Video mit Aufnahmen einer Musikbox beginnen, die an die Bildsprache Dziga Vertovs erinnern und den Apparat und dessen Mechanik in den Blick bringen. Daran angeschlossen ist eine kurze Sequenz, die vorwiegend schwarze Tänzer_innen in einem Club zeigt und von einer Nahaufnahme ausgehend unmittelbar in die Situation an der U. C. Berkeley wechselt. Die darauf folgenden Aufnahmen werden von eingeblendeten didaktischen Sätzen wie „FUNK IS MODULAR“, „FUNK IS IMPROVISATIONAL“ oder „SHOULDER SHRUG“ begleitet. Daran anschließend sieht und hört man Pipers nachträglich in einem Interview formulierten Erläuterungen, Video-Musik-Clips von James Brown oder Aretha Franklin und eine dokumentarische Aufnahme einer rassistischen Zuschreibung an die Rock-’n’-Roll-Musik von einem Vertreter des Alabama White Citizens Council, der das Schwarz-Werden der Weißen durch den Rock ’n’ Roll prognostiziert.

In Pipers Performances – wie sie durch das Video vermittelt sind – greifen körperliche Erfahrungen musikalisch-tänzerischer Grundelemente mit Informationen zu kulturellen Hintergründen wie etwa die der Beziehung des Funk zu anderen „weißen“ Musiken ineinander. Die Performance, die laut Piper mehr als sechzig Personen adressiert, vermittelt hierdurch nicht allein ein Gemeinschaftserlebnis, sie verbindet Erleben und Reflexion. Die Affirmation von Funk lädt dergestalt nicht zum bloßen identifikatorischen Rausch ein, die affektive Kraft von Funk wird vielmehr unterbrochen. Darin ist Pipers Verfahren mit Bertolt Brechts Modell des epischen Theaters vergleichbar, das nach Walter Benjamin imstande ist, aus Lesenden oder Zuschauern Mitwirkende zu machen und die Akteur_innen zur Stellungnahme zu ihrer eigenen Rolle aufzufordern. Hervorgerufen wird diese Reflexion nach Benjamin durch das Prinzip der Unterbrechung, das er als ein Verfahren der Montage beschreibt. Die Unterbrechung hat eine organisierende, sich von einer Reizreaktion emanzipierende Funktion: „Sie bringt die Handlung im Verlauf zum Stehen und zwingt damit den Hörer zur Stellungnahme zum Vorgang, den Akteur zur Stellungnahme zu seiner Rolle.“ (Benjamin 2002: 243)star (*2)

Piper formuliert in ihrem Essay das Anliegen, die ursprüngliche Lernsituation der Unterrichtsstunde durch Gespräche in kleinen Gruppen*12 *(12) in eine „Zusammenarbeit“ zu überführen und „die Trennung in Publikum und Performer auf[zuheben]“ (ebd. 233).star (*2) Anstelle eines bloßen Dozierens versucht sie deutlich zu machen, dass das, was sie „zu ‚lehren‘ vorgab“, ein „fundamentales sinnliches ‚Wissen‘“ ist, „das jede/r besitzt und anwenden kann“ (ebd.). star (*2)Die Performance strebt keine „wohlwollende Erfahrung von oder Partizipation an schwarzer Kultur an“ (ebd. 244).star (*2) Die Beteiligten werden vielmehr als immer schon Teilhabende adressiert; sie sind Teil eines historisch-kulturellen Dispositivs, in dem sie sich subjektivieren, ihre Identität, ihre Wahrnehmung, ihre Vorstellungen, ihr Denken und ihre Haltung ausbilden. Die Prozesse der Subjektivierung werden von Piper nicht auf kognitive Prozesse reduziert. Im Gegenteil sie reflektiert in ihrer Performance das Zusammenspiel zwischen Selbstpraktiken und diskursiv vermittelten Normen. Sie zerlegt den Funk in einzelne Übungen und stört damit auch ein verinnerlichtes Wissen von ihm auf, und sie lässt ihn – insofern seine normative Engführung aufgebrochen wird – in neuartiger Weise für Individuationsprozesse wirksam werden.

In den Funk Lessons werden Körper- und Denkpraktiken in Beziehung gesetzt, Affekte unterbrochen und neue Affizierungen und damit transformierende Subjektivierungen möglich. Indem Piper Funk in einzelne Körperübungen aufgliedert, zerstückelt sie auch das einheitliche und als Identifikationsangebot wirkende Bild von Funk und macht stattdessen die Konstruktion desselben innerhalb eines Wissensregimes und seine normativen Effekte kenntlich. Sie demontiert so die affirmativ-identifikatorischen wie aversiv-rassistischen Dimensionen dieses Bildes und wünscht, Funk in ein kulturelles Kommunikationsmedium zu transformieren. Pipers Funk Lessons lassen sich als repräsentationskritische Analyse und als mikropraktische Übung beschreiben, das mediale Zusammenspiel dieses Projekts von Piper stört ein zumeist unbewusst bleibendes, aber gleichwohl wirksames Wissen um rassistische Werturteile und Zuschreibungen auf und ermöglicht so ein anderes Denken, da es an den Bedingungen der Möglichkeit des Wissens selbst arbeitet.

In dem bereits zitierten Essay reflektiert die Künstlerin dieses unbewusste Wissen in Bezug auf ihre Arbeit im Kunstfeld. Ihre Inklusion in die (weiße) Gemeinschaft beschreibt Piper als eine, die mit der Exklusion bestimmter kultureller Lebenspraktiken verknüpft war. So galt es für sie, auf den Funk, den sie als zentralen Teil ihres Lebens und ihrer Identität als schwarze Frau beschreibt, als ein kulturelles Kommunikationsmedium zu verzichten. Sie begegnete dieser Forderung und Zumutung mit der Strategie, „dieses Medium mit meinem Publikum zu teilen, um es in meiner Arbeit erfolgreich als Kommunikationswerkzeug oder gemeinsame Sprache einsetzen zu können, die als solche auch anerkannt und verstanden würde“ (ebd. 239).star (*2) Piper reflektiert die Bedingungen der In- oder Exklusion im sozialen und künstlerischen Feld.

Mit Gilles Deleuze und Félix Guattari ließen sich Pipers Mikropraktiken als eine mikropolitische Kritik beschreiben. Die „Mikropolitik“, wie sie von Deleuze und Guattari gedacht ist, bezeichnet ein politisches Experiment, ein politisches Engagement, das auf die durch den Kapitalismus bewirkte Neutralisierung „revolutionärer Politik“ und des „revolutionären Subjekts“ seit den 1970er Jahren reagiert: In der Kontrollgesellschaft, welche die Disziplinargesellschaft abgelöst hat, operieren die Machtformationen über flexible Normalisierungsanforderungen. Dies hat zur Folge, dass die Taktiken und Strategien einer revolutionären Politik, die sich gegen eine repressive Normierung wenden, wirkungslos werden. Denn die Normen werden nicht länger repressiv aufgezwungen, im Gegenteil: Sie ergeben sich auf der einen Seite als wandelbar aus der Fülle der gesellschaftlichen Differenzen und Abweichungen und dienen auf der anderen Seite als Richtwerte, die abgelehnt aber auch begehrt werden. Die Individuen adjustieren ihr Verhalten ihnen entsprechend selbst. Aufgrund dieser Veränderung traten vermehrt die Praktiken selbst in den Fokus der Aufmerksamkeit und die durch Praktiken sich vollziehenden Subjektivierungsprozesse, oder um mit Michel Foucault zu sprechen, die Machtprozeduren der Gouvernementalität, die auf den individuellen Körper zielen.*13 *(13) Praktiken sind auf der Mikroebene wirksam und sind – werden sie mit Foucault als gouvernemental verstanden –zutiefst ambivalent bzw. pharmakologisch. Sie können das Individuum über den Körper systemkonform werden lassen, sie können aber ebenso in widerständiger Weise wirken, so dass sich die verinnerlichten und normierten Körperpraktiken öffnen und für neue Affizierungen durchlässig werden. Pipers Performances agieren auf dieser Mikroebene der Praxis. Sie stören ein Körperwissen auf und unterbrechen internalisierte körperlich-perzeptive Bahnungen wie die affektive Wirksamkeit dieses impliziten und gleichwohl normativ wirksamen Wissens. Die Übungen können verhärtete habitualisierte Körperpraktiken buchstäblich in Bewegung versetzen und so die normativen Vorstellungen und Zuschreibungen von Funk auf einer mikropraktischen Ebene wirkungslos werden lassen. Auf dieser körperlichen Grundlage können Kräfte mobil werden, die sich widerständig zeigen gegenüber der Macht eines normativen Wissens. Piper kann als eine jener Künstler_innen-Figuren beschrieben werden, die sich an einer kritischen Neuordnung des Wissens und der Praxisfelder beteiligt.

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In ähnlicher Weise perspektiviert die Kulturwissenschaftlerin und Performerin Sibylle Peters die Forschung. Sie macht in ihren wissenschaftlichen und künstlerischen Projekten den Begriff der künstlerischen Forschung stark und versucht, „vielen Menschen, Nicht-Künstler_innen und Nicht-Wissenschaftler_innen, [zu] ermöglichen […], sich an Forschungsprozessen zu beteiligen.“ Peters stellt sich dabei der Herausforderung, Forschungsprozesse zu initiieren, „an denen potentiell – je nach Forschungsfrage, Feld der Untersuchung und Art des Problems – alle Mitglieder der Gesellschaft beteiligt sind“. (Peters 2013: 11f.)

Das Forschende Lernen setzt sich das Ziel, Wissenschaft als sozialen Prozess erfahrbar werden zu lassen und stellt sich in die Tradition jener geistigen Väter, welche die Universität als eine Bildungsinstitution begriffen.

Das Forschende Lernen vermittelt dementsprechend, folgt man der einschlägigen Literatur, nicht notwendig berufsrelevantes Wissen, es fördert vielmehr „Kernkompetenzen für Berufsfähigkeit in hochqualifizierten Berufen bzw. Professionen“; etwa den „Umgang mit Unbestimmtheit“, der im Forschen gebraucht und geübt werde und ein nachhaltiges „tiefes Lernen“, bei dem der Lernende „sein Wissen selbst organisiert, es elaboriert und kritisch reflektiert.“ (Huber 2009: 17).

Christian Ludwig nennt vier neue Deutungen des Kapitalismus: Dies sind: „Globaler Kapitalismus“ (Ulrich Beck und Michael Hardt/Antonio Negri), „Ökologischer Kapitalismus“ (Thomas Barth und Christoph Görg), „Finanzmarktkapitalismus“ (Christoph Deutschmann und Paul Windolf) und „Netzwerkkapitalismus“ (Luc Boltanski/Ève Chiapello und Manuel Castells). Im neuen Kapitalismus, der die Sozialkritik und Künstlerkritik aufgenommen hat, wird den Individuen eine wesentlich höhere Bedeutung auferlegt, ganz besonders dann, wenn sie in der Lage sind, ihre eigenen Leistungen den geforderten Rahmenbedingungen anzupassen. (Ludwig 2013: 132, 222)

Die Autonomieforderungen und Verantwortungszuschreibungen sind heute auch Instrumente einer neuen Herrschaftspraxis, die der Ideologie eines neoliberalen Marktes förderlich ist.

Der im 17. Jahrhundert ausgebildete neuzeitliche Erkenntnis- und Wissenschaftsbegriff, wie ihn Descartes nachdrücklich vertrat, setzte allein auf das denkende Ich und begegnete der sinnlichen Wahrnehmung mit äußerstem Misstrauen. Zur Entwicklung der Ästhetik vgl. grundlegend den Eintrag „Ästhetik/ästhetisch“ der Ästhetischen Grundbegriffe. Eine historische Darstellung der Entwicklung der Ästhetik als wissenschaftliche Disziplin gibt darin Dieter Kliche (2000). Die grundlegende Abhandlung in diesem Kontext ist bekanntermaßen die 1750 von Alexander Gottlieb Baumgarten veröffentlichte Aesthetica. Der Aesthetica gingen zahlreiche Schriften und Debatten voran. So sprach sich etwa Leibniz gegen einen kategorialen Unterschied zwischen Verstand und Sinnlichkeit aus und begriff diese als verschiedene Erkenntnisformen. Baumgarten selbst hat in verschiedenen der Aesthetica vorausgehenden Schriften, den Begriff der Ästhetik eingeführt und populär gemacht. (Baumgarten 2007)

Erst indem ein Inneres im Äußeren, das heißt einem Medium „sich zu erkennen (gibt)“, wie es in den Vorlesungen über die Ästhetik heißt, erhält das Geistige eine wahrnehmbare Präsenz – „eine Erscheinung, die etwas bedeutet“; sie stellt sich folglich „nicht selber und das, was sie als äußere ist, vor, sondern ein anderes. (…) Ja, jedes Wort schon weist auf eine Bedeutung hin und gilt nicht für sich selbst“ (ebd., 6).

Reflexion wird hier als eine geistige Tätigkeit verstanden, die sich auf die Denk- und Vorstellungsakte selbst richtet.

Die Teilhabe am Wissen meint hier nicht allein die vermeintlich aktive Tätigkeit eines/einer Forschenden, sondern – dies wird gerade im Kontext des dritten Kapitalismus evident – der Beitrag am Wissen durch ein gemeinhin alltägliches Surfen im Netz.

Infolgedessen sind meine Lesarten der folgenden künstlerischen Beispiele keine essentialistischen Bestimmungen von einem Wissen der Kunst, sie fokussieren vielmehr Praktiken und Darstellungsstrategien, die eine kritische Wissenspraxis in Aussicht stellen.

Das 1983 fertig gestellte 15-minütige, unter der Regie von Sam Samore produzierte Video zeigt Pipers Lessons an der University of California, Berkeley. Ausschnitt unter: http://www.adrianpiper.com/vs/video_fl.shtml

Laut Piper gelang es, die ausgelösten Reaktionen in kleinen parallel zu den Events veranstalteten Gruppen zu artikulieren und manchmal auch abzubauen. Das Ergebnis solcher Treffen schildert sie als „kathartisch, therapeutisch und intellektuell stimulierend“ (Piper 2002: 236).

Foucault beschreibt mit „Gouvernementalität“ die Verbindung zwischen den Technologien der Beherrschung anderer und den Technologien des Selbst. In der Familie wie in Institutionen – etwa der Schule, den Krankenhäusern und Unternehmen – werden (Selbst-)Praktiken eingeübt, durch die sich das Individuum in irreduzibler Weise auf sich selbst bezieht und sich subjektiviert. (Foucault 2007).

So schreibt beispielsweise Wulf Herzogenrath in seinem Vorwort im Ausstellungskatalog Feldforschung: „Kunst wird klischeehaft mit subjektiv, genialisch individuell gleichgesetzt, obwohl von Anfang an der Künstler mit dem Handwerker und dem Wissenschaftler eng verbunden war. Künstler haben immer nüchtern beobachtet, wissenschaftlich analysiert, Erfindungen gemacht, wenn sie natürlich auch im Bereich ihrer Themen und ihres Mediums blieben“. (Herzogenrath 1978: 4)

Oliver Marchart erkennt in den Cultural Studies den Versuch einer allgemeinen „Neulegitimation der humboldtschen Universitätsidee durch eine mehr oder minder zeitgemäße Reformulierung des Kulturbegriffs“. Die Versprechen der Cultural Studies sind lnterdisziplinarität, Politisierung von Lehrinhalten und die Überwindung des Theorie-Praxis-Gap (vgl. Marchart 2001: 132).

Elke Bippus ( 2016): Teilhabe am Wissen. „Part-of Relation“ oder performative Forschung im Feld der Kunst. In: p/art/icipate – Kultur aktiv gestalten # 07 , https://www.p-art-icipate.net/teilhabe-am-wissen/