2. Assoziieren
Während beim Modell „Input“ die VermittlerInnen die entscheidenden (autorisierten) Sprechrollen haben, lockert sich dies beim Modell „assoziieren“. Hier sind die BesucherInnen nicht nur eingeladen, sondern in gewisser Weise auch aufgefordert, sich zu äußern und ihre Gedanken und Meinungen einzubringen. Typische Fragen, die dabei an die BesucherInnen gerichtet werden, sind jene nach sichtbaren Inhalten und subjektiven Deutungen des Kunstwerks. Ein Beispiel für dieses Modell findet sich etwa bei einer Veranstaltung der ARTgenossen, den KunstvermittlerInnen des Salzburger Kunstvereins. Als Auftakt ihrer Vermittlung der Ausstellung „Before Waiting Becomes Part of Your Life“ von Roman Ondák projizierten sie das Plakat, auf dem eine wartende Kleinfamilie abgebildet war, an die Wand. Danach ließen sie die Jugendlichen sich dahinter als zusätzliche Warteschlange aufstellen und befragten sie zu ihrem subjektiven Empfinden der Situation und ihren persönlichen Assoziationen zum Warten. Laut den VermitterInnen war es dabei wichtig, das Ganze vorab als Experiment zu deklarieren, um die TeilnehmerInnen auf eine Vermittlung fernab der Frontalführung einzustellen.
Mit der hier deutlich werdenden möglichen (und von Kindern bis zu Erwachsenen noch erheblich variierenden) Hemmschwelle, sich auf solche assoziativen Kommunikationsprozesse einzulassen, wird ein weiterer Widerspruch zwischen Theorie und Praxis der Vermittlung sichtbar. So steht dem Ideal der aktiven Teilnahme der BesucherInnen mitunter der Wunsch nach aufbereiteter Information und vermeintlich passiver und stiller Rezeption entgegen. Winfried Nußbaummüller stellt dahingehend fest: „Also, man kann zwar von Interaktivität oder solchen Sachen reden, aber das Bedürfnis bei den meisten Besuchern ist eigentlich so, dass sie still konsumieren möchten.“ (P18: 144) (* 7 ) Während in der Kunstvermittlungssituation das Sprechen der BesucherInnen demnach oft nur zögerlich stattfindet, gilt dies jedoch nicht für individuelle Ausstellungsbesuche. Hier offenbart sich entgegen einem ruhigen Genießen der Kunst häufig ein reges Kommunikationsbedürfnis, wenn sich BesucherInnen bei ihrem Ausstellungsrundgang oft kontinuierlich über das soeben Rezipierte mit ihren Begleitungen unterhalten. Der Austausch mit anderen verstärkt, wie insbesondere George E. Hein (1998: 172ff.)
(* 3 ) in seinem konstruktivistischen Museum herausstreicht, die individuellen Bemühungen der Sinnproduktion insofern, als das Sprechen das Gesehene verbalisiert, Sichtweisen ausgetauscht werden und der Horizont der eigenen Deutung erweitert wird. In der Kunstvermittlungspraxis müssen jedoch oft erst entsprechende Situationen geschaffen werden, um BesucherInnen zum Sprechen zu bringen.
Luise Reitstätter ( 2013): Verstehen Sie Kunst?. In: p/art/icipate – Kultur aktiv gestalten # 03 , https://www.p-art-icipate.net/verstehen-sie-kunst/