3. Workshop und Stadtspaziergang
Es meldeten sich neun Teilnehmerinnen aus verschiedenen Herkunftsländern. Wir vereinbarten zu Beginn die beabsichtigte offene Moderation mit der Freiheit für alle Teilnehmerinnen, Impulse und Anregungen aufzugreifen oder auch zu verändern. Wir brachten zum Ausdruck, dass wir als Vorbereitungsteam keine Inhaltsvorgaben machen, sondern uns im Prozess so wie alle Anderen als Einzelperson einbringen würden. Zu Beginn sollte jede Teilnehmerin die Möglichkeit bekommen, sich in einer geschützten Form ihrer ganz persönlichen Vorstellungen über ihren Beruf in 20 Jahren und die damit einhergehenden Chancen und Hindernisse bewusst zu werden. Dies geschah durch eine von mir angeleitete „guided reflexion“.
3.1 „Spaziergang in die eigene Zukunft“ in Form einer „guided reflexion“
Guided reflexion bedeutet geführtes Nachdenken und ist eine Form der Phantasie-Reise aus der Tradition der Gestaltpädagogik, bei welcher durch Bewegung im Raum und durch das experimentierende Einnehmen verschiedener Körperhaltungen die Vorstellungen über die eigene Zukunft erkundet werden können. Es wurden sowohl Stichworte zur Qualität von persönlichen und gesellschaftlichen Hindernissen (Sexismus, Rassismus, Behinderungen durch wirtschaftlich und politische Entwicklungen) gegeben, als auch Stichworte zur Wahrnehmung vorhandener persönlicher und kollektiver Ressourcen und Potentiale. Die Übung beinhaltete den Hinweis an die Teilnehmerinnen, dass sie völlig frei seien, welche der in der Anleitung gegebenen Stichworte sie während des Spaziergangs in die Zukunft und zurück aufgreifen und welche sie ignorieren wollten.
Die im Anschluss angebotene Zeit für persönliche Notizen wurde intensiv genutzt; dies sollte verhindern, dass es zu einer zu raschen Dominanz von Einzelmeinungen kommen würde. Wir schlugen den Teilnehmerinnen vor, ein zentrales Bild bzw. ein Schlüsselwort oder eine These aus der „guided reflexion“ zu wählen, welches sie als ihre Botschaft in die Gruppendiskussion und später in die Intervention im öffentlichen Raum einbringen wollten. Die Schlüsselworttechnik ist eine zentrierende Moderationsform der Gestaltpädagogik, um vor allem bei wenig Diskussionszeit rasch zu einem prägnanten Ergebnis zu kommen, was auch tatsächlich der Fall war:
Es bildeten sich zwei Gruppen, in denen eine diskussionsfreudige Energie aufkam. Im Plenum entwickelte sich eine intensive Auseinandersetzung darüber, welche Botschaften gewählt werden sollten. Zwei der Teilnehmerinnen blieben mangels englischer Sprachkenntnisse sehr zurückgezogen. Die in den beiden Gruppen entwickelten Botschaften überraschten mich sehr!
Gruppe 1: „The Change begins with ME: Looking for my happyness / MASTER of destiny / Educate yourself to change things“
Gruppe 2: „The future will be better than present /Believe! / Dream Big! /Let Your Dream shine“
Nicht Kritik, nicht vorwurfsvolle Konfrontation über wahrgenommene Diskrepanzen in Richtung reicher Salzburger TouristInnen oder privilegierter Salzburger StudentInnen. Keine Forderung an „die Mächtigen in internationaler Wirtschaft und Politik“, sondern: Zuversicht! Und Eigenverantwortung!
Christine Tschötschel-Gänger ( 2014): Verstörende Zuversicht. Eine künstlerische Intervention im Bildungskontext. In: p/art/icipate – Kultur aktiv gestalten # 05 , https://www.p-art-icipate.net/verstorende-zuversicht/