„We don’t have to invent diversity, because diversity just is”

Stimmen und Perspektiven für mehr Diversität und Diskriminierungskritik im Kulturbetrieb

Strukturelle Veränderung im Fokus

Die größte Herausforderung bleiben die strukturellen Veränderungen als Grundvoraussetzung für eine nachhaltige Transformation des Kulturbetriebs. Diesen Aspekt sprechen viele unserer Gesprächspartner:innen an, so auch Hassan Mahamdallie in unserem Interview: „The big question is how we change those structures to make them more equal.” Die großen Fragen sind aber auch: Wer wird in dieser langfristigen Strategie vertreten? Wer hat hier Raum, um gehört zu werden? Und wie wird ein kontinuierlicher Dialog zwischen den etablierten Institutionen und marginalisierten Künstler:innen und Kulturakteur:innen etabliert?

So betont beispielsweise Stephan Pauly vom Musikverein Wien im oben erwähnten Gespräch mit Anne Wiederhold-Daryanavard und Elisabeth Bernroitner, dass seiner Ansicht nach der „multiperspektivische Begriff von Diversität“ die Bemühungen um gesellschaftliche Öffnung, um mehr Diversität „schön und schwierig zugleich“ mache. „Schön, weil man dadurch als Mensch […] vertieft lernt, dass jeder Mensch Zugang zu Kultur haben muss […]. Aber genau das macht Diversifizierung gleichzeitig schwieriger, weil natürlich die Möglichkeiten und auch die Aufgaben damit unendlich groß sind: An wen soll man sich wenden, für wen soll man was produzieren, oder besser: mit wem?“

Strukturelle Veränderung bedeutet „radikale Veränderungen in den Institutionen“, sagt die Medienkünstlerin Zehra Baraçkılıç im Gespräch mit Dilan Şengül „Kunst als Sprache muss nicht den gesellschaftlichen Normen oder Sitten entsprechen“. Es sei nicht damit getan, ab und an Künstler:innen „aus dem Ausland“ einzuladen bzw. im Programm zu berücksichtigen. Vielmehr müssten marginalisierte Personen strukturelle Veränderung selbst mitgestalten und die Institutionen „Sichtbarkeit bzw. Repräsentation, nicht nur nach außen, sondern auch nach innen […] schaffen“.

Hier setzt D/Arts – Projektbüro für Diversität und urbanen Dialog an. Um der Aneignung und Aushöhlung von Diversität im kulturellen Feld etwas entgegenzusetzen, sollen viele, vor allem auch marginalisierte Akteur:innen Strategien entwickeln, um gemeinsam mehr zu bewirken. Eine konstante Involvierung verschiedener Akteur:innen unterstützt dabei, Diversität nicht auf eine rhetorische Geste zu reduzieren, sondern grundlegende, nachhaltige Veränderungen in Gang zu setzen.

Als Conclusio aus den geführten Gesprächen kann festgehalten werden, dass ein umfassendes Verständnis des Diversitätsbegriffs intersektional und multiperspektivisch gedacht werden muss. Um eine transformative Wirkung auf das gesellschaftliche Dispositiv Kunst entfalten zu können und wirkungsmächtig zu bleiben, anstatt Tokenism, Exotismus und Instrumentalisierung in der Kunst zu etablieren, ist es unerlässlich, dass Diversitätsansätze mit Diskriminierungskritik einhergehen.

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Micossé-Aikins, Sandrine/Sharifi, Bahareh (2019): Kulturinstitutionen ohne Grenzen? Annäherung an einen diskriminierungskritischen Kulturbereich. In: KULTURELLE BILDUNG ONLINE:
https://www.kubi-online.de/artikel/kulturinstitutionen-ohne-grenzen-annaeherung-einen-diskriminierungskritischen-kulturbereich (11.09.2022)

Ar/ctivist ist eine Begriffsmelange aus Artivist und Activist und betont Gin Müllers Aktivismus in Bezug auf Kunst, aber auch in anderen gesellschaftlichen Feldern.

Elisabeth Bernroitner, Anita Moser, Ivana Pilić ( 2022): „We don’t have to invent diversity, because diversity just is”. Stimmen und Perspektiven für mehr Diversität und Diskriminierungskritik im Kulturbetrieb. In: p/art/icipate – Kultur aktiv gestalten # 13 , https://www.p-art-icipate.net/we-dont-have-to-invent-diversity/