„Wenn sie sagen: ‚Ja kaufen‘, dann sagen wir: ‚Nein, nachdenken bitte‘ …“
Ein Interview von Elke Zobl und Laila Huber mit migrantas / Florencia Young und Marula di Como
Also mit jedem Projekt entwickelt sich das Konzept oder die Methode neu oder ein bisschen weiter?
Marula Di Como: Wenn wir um Geld anfragen müssen, dann müssen wir natürlich alles davor bestätigt haben, also die Idee, Umsetzung etc. Dann bekommen wir vielleicht das Geld. Aber wenn wir eine Einladung bekommen, dann sind die manchmal sehr offen, und das ist ok.
Florencia Young: Wir wollen das nicht immer ändern, aber wir versuchen folgendes: Wir haben ein Budget, was können wir mit diesem Budget machen. Solche Werbeflächen zu mieten kostet viel Geld und eine Tragtaschen-Aktion kostet vielleicht nur insgesamt 500 Euro, wenn man das druckt. Das ist auch etwas anderes, als wenn man sagt, ich will eine große Plakataktion auf der Straße.
Wie seht ihr die Arbeit von migrantas im Kunstkontext? Wird sie dort auch rezipiert? Du, Marula, bist ja Künstlerin, für dich ist das vielleicht ganz klar. Oder würdet ihr es eher als soziokulturelles Projekt sehen?
Marula Di Como: Weiß ich nicht … Ich habe keine Ahnung, was ein soziokulturelles Projekt ist. Und ich weiß nicht: Was ist Kunst? Denn mit dieser Frage ist für mich alles Kunst, absolut alles, was ich mache. Denn dieser Moment, wenn wir mit den Frauen arbeiten, was passiert da? Eine jede Frau ist für mich eine Künstlerin. Und was passiert draußen?
Florencia Young: Ich als Grafikdesignerin sehe das vielleicht ein bisschen pragmatischer. Für ein paar Einladungen, wie z.B. dieses Museum in Friedrichshafen, wo auch ganz renommierte Künstler_innen dabei waren, da hat das wie Kunst ausgesehen. Dann waren wir auch zu „Kunst und Migration“ eingeladen, da waren nur Künstler_innen und die vermarkten das als Kunst. Vielleicht ist es bei uns so, wie Marula auch meinte, wir verkaufen die Sachen nicht: Das mit Kunst und Vermarkten ist ein bisschen kompliziert. Wir verkaufen das nicht als Kunstobjekt. Aber unsere Aktionen könnte man als Kunst bezeichnen. Wir waren sehr glücklich über die Presseresonanz bei unserer letzten Aktion, z.B. hat das deutsche Art Magazin das als Tipp der Woche genommen, diese großen Bahnen auf der Straße, und so haben sie das als Kunst wahrgenommen. Die Interventionen sind also als Kunst präsent oder manifest.
2011 habt ihr den Hauptstadtpreis für Integration und Toleranz erhalten. Ist die Netzwerkarbeit mit Migrant_innen-Vereinen wichtig für euch? Also dass man jetzt nicht nur Workshops macht, sondern auch politische Arbeit wie die Netzwerkarbeit forciert?
Florencia Young: Das ist nicht unbedingt ein Punkt unserer Arbeit. Zuletzt konnten wir leider nicht zusagen, weil wir keine Zeit hatten, das war ein Netzwerk mit anderen Künstler_innen. Ich würde sagen, dass wir vielleicht leider ein bisschen alt geworden sind. Wir können diese Arbeit einfach nicht leisten, wir haben nicht so viel freie Zeit. Wenn wir das machen, dann muss es auch bezahlt werden, denn wir machen das auch parallel zu unserer normalen Arbeit und da bleibt nicht so viel Zeit übrig.
Kollektiv migrantas ( 2014): „Wenn sie sagen: ‚Ja kaufen‘, dann sagen wir: ‚Nein, nachdenken bitte‘ …“. Ein Interview von Elke Zobl und Laila Huber mit migrantas / Florencia Young und Marula di Como. In: p/art/icipate – Kultur aktiv gestalten # 04 , https://www.p-art-icipate.net/wenn-sie-sagen-ja-kaufen-dann-sagen-wir-nein-nachdenken-bitte/