Wenn Städte befragt und Passanten vertont werden
Ein Streifzug durch die Welt der partizipativen Kunst
Mit künstlerischen Methoden forschen
Im Rahmen der Lehrveranstaltung besuchten wir dann auch noch den dritten Tag des Symposiums Cultural Production im Kontext zeitgenössischer Kunst, (*8) welches vom 3.12.14 bis zum 5.12.14 am Kooperationsschwerpunkt Wissenschaft und Kunst stattfand. Am ersten Tag beschäftigten sich die TeilnehmerInnen in Vorträgen und Workshops mit „Öffentlichkeit(en) und Interventionen“, am zweiten Tag mit „Partizipation und Edukation “. Am von uns besuchten dritten Tag des Symposiums ging es um kulturelle Praxen, die im übertragenen Sinne Räume öffnen können, welche wiederum eine kollaborative Wissensproduktion ermöglichen sollen. Zwei Workshops boten den Studierenden die Möglichkeit, sich auf partizipatorische Art und Weise direkt mit den Inhalten der Vorträge auseinanderzusetzen. Der Symposium-Tag selbst begann mit einer völlig neuen Situation für alle TeilnehmerInnen. Denn der Raum, den sie vielleicht schon von den bisherigen Tagen kannten, war ‚anders‘. Die Blockbestuhlung fehlte. Dies irritierte alle Eintretenden sichtlich. In die Mitte des Raumes trauten sich nur wenige, viele positionierten sich an den sicher scheinenden Wänden. Manche wollten Stühle hineintragen, um sich hinzusetzen ‑ wie sie es im universitären Kontext gewohnt waren. Sie wurden aber aufgehalten. Schließlich erklärten uns die Vortragenden, dass diese Irritation gewollt war und dazu anregen sollte, über die gängigen, oftmals frontalen Vortragssituationen nachzudenken. Kann es sinnvoll sein, den Raum anders zu nutzen und seinen Wahrnehmungshorizont zu erweitern?
In dem Worshop Textcollagen von Siglinde Lang ging es darum, den Umgang mit Text auf eine ungewohnte Art und Weise neu zu erleben. Dafür wurden an den Wänden und sogar an der Decke des Raumes mehrere Plakate aufgehängt, die von den TeilnehmerInnen immer im Wechsel beschrieben werden sollten. Man konnte sich frei im Raum bewegen, andere beim Schreiben beobachten, an Geschriebenes anknüpfen oder neue Gedankengänge eröffnen.
Der zweite Workshop Performance knüpfte an die Situation vom Vormittag an. Wieder wurden die Stühle aus dem Raum getragen. Sandra Chatterjee gab uns sukzessive Anweisungen, wie wir den Raum beschreiten sollten. Ohne zu stoppen oder miteinander zu kommunizieren sollten wir uns nun im Raum bewegen. Das Schritttempo wurde dabei manchmal erhöht, manchmal gesenkt, Richtungen wurden gewechselt. Die Performance wurde stetig komplexer, vor allem als wir vor die finale Aufgabe gestellt wurden, nicht mehr den architektonischen Raum als Bezugspunkt für unsere Bewegungsabläufe zu begreifen, sondern uns an den anderen TeilnehmerInnen zu orientieren.
Ein generelles Umdenken, eine andere Herangehensweise kann ebenso in der Forschung zu alternierenden und konstruktiven Resultaten führen. In den beiden Workshops ging es um neue Erfahrungen von Wahrnehmungsprozessen in Räumen. Diese Vorgehensweise der künstlerischen Forschung korrespondiert mit dem Ansatz von Sibylle Peters, die in ihrer Publikation „Das Forschen aller“ Grundlagen für die künstlerische Forschung als „praxisbezogene Forschung“ (Peters 2013: 9) (*9) formuliert. Die Literaturwissenschaftlerin hat festgestellt, dass sich jene Forschung zu einer „Kunst ohne Publikum“ (Ebd.: 11) (*9) entwickelt hat und sieht demnach die Notwendigkeit diesem Prozess entgegenzuwirken. Durch detaillierte Fallstudien und Analysen werden Forschungsprozesse aufgezeigt, die im Endeffekt das Ziel haben, konventionelle Denkmuster innerhalb der traditionellen Wissensproduktion zu durchbrechen und möglichst viele Mitglieder der Gesellschaft in diese Prozesse zu involvieren. Der Band vermittelt mehr Fragen als Antworten, inwiefern sich Forschung in einem künstlerischen Kontext ändern muss, liefert jedoch gleichzeitig die Erkenntnis, dass künstlerische, partizipative Verfahren am ehesten zu einer förderlichen Modifikation beitragen können.
Lilia Ubert, Maria Köchler ( 2015): Wenn Städte befragt und Passanten vertont werden. Ein Streifzug durch die Welt der partizipativen Kunst. In: p/art/icipate – Kultur aktiv gestalten # 06 , https://www.p-art-icipate.net/wenn-stadte-befragt-und-passanten-vertont-werden/