„Wie wollen wir gelebt haben?“

Geschichten zum Gelingen eines sozial-ökologischen Wandel.
Dana Giesecke von FUTURZWEI im Gespräch mit Elke Zobl und Timna Pachner

Wenn es um die Vermittlung von diesem Wissen und das Weitergeben von Erfahrungen geht, was bedeutet dann Vermittlung für Sie?

FUTURZWEI würde nie sagen, dass es vermittelt. Wir haben immer gesagt: „Wir schießen etwas los. Wir werfen etwas in die Zivilgesellschaft und wenn es jemand aufnimmt und sich dafür interessiert, dann ist es sehr gut und wir freuen uns darüber. Wenn jemand andere Personen ansteckt, ist es noch besser.“ Dazu kann ich schöne Anekdoten aus der Vergangenheit erzählen. Zum Beispiel, als wir FUTURZWEI gegründet und eine Agentur gesucht haben, die unsere Außenwirkung, also unsere Website etc. gestaltet, wurden wir immer gefragt, wer denn unsere Zielgruppe sei. Wir haben gesagt: „Die Zivilgesellschaft. Alle.“ Damit konnten die Agenturen überhaupt nichts anfangen. Das hat sich aber bewahrheitet. Die kleinen Geschichten des Gelingens sind so vielfältig, dass jede:r eine Lieblingsgeschichte finden und von dieser begeistert und mitgerissen werden kann.

Auch entwickelten wir anfangs eine eher widerspenstige Website, wo man sich ‚langhaken‘ musste. Wir bekamen deshalb ganz böse Anrufe. Leute sagten: „Das kann ja nicht sein! Ich möchte an Informationen heran! Sie haben doch die öffentliche Bildung als Auftrag!“ Wir haben dann gesagt: „Ja, aber gesellschaftliche Veränderung gibt es nicht so einfach wie im Selbstbedienungsladen. Sie ist anstrengend. Sie kostet etwas. Sie müssen sich mit unseren Inhalten beschäftigen und das, was wir zu sagen haben, auch wirklich wissen wollen.“

Deswegen würde ich sagen, dass wir eine andere Perspektive auf Vermittlung haben. Auch dieses ‚auf Augenhöhe‘ oder so etwas würden wir gar nicht sagen. Wir freuen uns, wenn wir wahrgenommen und wenn unsere Inhalte rezipiert werden. Und das werden sie. Das lassen wir dann so stehen. Wir machen verdeckte Vermittlungsarbeit (lacht).

Undercover (lacht). Vielleicht noch einmal zurück zur inhaltlichen Ebene. Vor dem Hintergrund der Krise rund um die Corona-Pandemie inklusive Lockdown ist es speziell spannend, wie die Themen des Klimawandels und der nachhaltigen Entwicklung aufgenommen werden. Sehen Sie verstärktes Interesse an diesen Fragen? Sehen Sie die Chance, dass man danach möglicherweise nicht zurück zu ‚Business as usual‘ geht?

Das ist eine spannende Frage. Was an mich herangetragen wird, ist einerseits eine große Freude und auch ein Erstaunen darüber, dass es überhaupt so weit kommen konnte, dass eine auf permanente Aktion fokussierte Gesellschaft plötzlich stillsteht und in einen tiefen Schlaf fällt. Das haben alle schlicht für komplett unmöglich gehalten. Darüber, dass Fabriken stillstehen, waren alle erstmal geschockt. Dann kam die zweite Phase, in der überlegt wurde, wie die Zeit genutzt werden kann, um Veränderungspotenziale für die Zukunft zu erkennen. Das könnte nun der große Moment von FUTURZWEI sein, in dem viele unserer Geschichten, die vielleicht schon vergraben oder verschüttet worden sind, eine Renaissance erleben könnten. Das wäre unsere große Hoffnung. Gleichzeitig haben wir aber große Angst vor vielen anderen Entwicklungen, die mit der Pandemie einhergehen. Vorgestern wurde zum Beispiel das neue Konjunkturpaket vorgestellt, das als erneuter Aufruf gesehen werden kann, weiter und mehr zu konsumieren. Die Wirtschaftsförderung infolge der Corona-Krise ist darüber hinaus so groß, dass die nächsten Generationen die Schulden abtragen oder das Defizit abarbeiten werden müssen, ohne jemals dazu die Zustimmung gegeben zu haben oder überhaupt gefragt worden zu sein. Und das, obwohl es Fridays for Future gibt, die genau dieses Problem öffentlich wirksam thematisieren. Wir wissen noch nicht genau, wohin die Reise gehen wird. Aber wir sind ja die Agentur für gute Laune. Das heißt, unsere Bedenken kommunizieren wir nicht wirklich. Berufsoptimistin (lacht).

Dana Giesecke, Elke Zobl, Timna Pachner ( 2021): „Wie wollen wir gelebt haben?“. Geschichten zum Gelingen eines sozial-ökologischen Wandel.
Dana Giesecke von FUTURZWEI im Gespräch mit Elke Zobl und Timna Pachner. In: p/art/icipate – Kultur aktiv gestalten # 12 , https://www.p-art-icipate.net/wie-wollen-wir-gelebt-haben/