„Wo ist ein Migrant der Boss und sagt: ‚Das ist zu weiß.’?“

Das Duo EsRap, bestehend aus den Geschwistern Esra und Enes Özmen, im Gespräch mit Dilara Akarçeşme

Jedenfalls habe ich, als ich 17 war, unten im Keller des Jugendzentrums begonnen. Ich glaube, ich war eine der ersten Frauen, die dort gerappt haben. Es gab zum Beispiel Frauentage, wo auch Frauen rappen wollten, und ich habe mit ihnen aufgenommen. Daraufhin kam von Back Bone*1 *(1) die Idee, öffentliche Rapworkshops zu machen – was wir dann auch getan haben. Sprungbrett*2 *(2) hat uns daraufhin sofort eingeladen. Dann hatten wir unseren ersten großen Auftritt bei der Eröffnung des *peppa Mädchenzentrums. Sie sind jetzt bereits zehn Jahre alt geworden. ‑ Das heißt, wir machen das auch schon seit zehn Jahren. In dieser Zeit haben wir wirklich viele Workshops gemacht.

Wir kommt ihr an eure Zielgruppe? Kommen die Jugendlichen durch Mundpropaganda oder arbeitet ihr mit Schulen zusammen?

Enes Özmen: Wir werden oft von Jugendzentren eingeladen, wo eher mehr migrantische Kinder abhängen. Auch von sonderpädagogischen Schulen über Mittelschule bis hin zum Gymnasium. Es waren auch schon Flüchtlingsunterkünfte dabei. Wir organisieren diese Workshops also nicht selbst. Was wir selbst organisieren, ist Gürtel Squad. Das findet einmal im Monat am Gürtel im Lokal Rhiz statt. Wir veranstalten dort eine Hip-Hop-Night. Es gibt Open Mics, wo man sich vorher anmelden kann. Da kann man einen Beat mitbringen und rappen.

Das heißt, ihr habt nie einen Mangel an Jugendlichen?

Esra Özmen: Genau. Wenn deine Arbeit so auf Migration bezogen ist, dann laden dich die Leute deswegen ein. Wenn sie merken, dass es eine Schule gibt, in der sogenannte Problemkinder und viele Migranten sind, dann sind wir dort. Wir können einfach gut mit ihnen umgehen, weil wir ihre Sprache sprechen und ihre Codes kennen.

Wenn wir jetzt aber Gürtel Squad ansehen, muss man einfach sehr auf die Frauen- und Migrationsquote aufpassen. Wir sind eine Gruppe von vier Personen, die gezielt darauf achten. Wenn man nicht aufpasst, hat man schon mal fünf Mehrheitsösterreicher hintereinander als Act. Da muss man kontinuierlich arbeiten und immer vorsichtig schauen. Ich habe letztens vorgeschlagen, dass man Frauen ausbilden muss, wenn es keine Frauen gibt. Wir können nicht einfach nur männlichen mehrheitsösterreichischen Rappern eine Bühne geben und die männliche Rap-Szene feiern. Da braucht es politisches Wissen und auch eine politische Haltung. Man muss aktiv mehr Frauen auf die Bühne bringen, denn sonst ist man schnell wieder bei Mehrheitsösterreichern, weil sie einfach leichter zu finden sind. So hat man, schneller als man denkt, nur Österreicher im Team. Dann ist es unsere Arbeit, Leute einzuladen, die gute migrantische Arbeit machen.

Ihr versucht quasi einerseits zu intervenieren, wenn sich diese Mehrheit wieder durchzusetzen droht und andererseits auch aktiv dagegen zu steuern?

Esra Özmen: Man muss es immer wieder erwähnen. Wenn man heute in einer Gruppe arbeitet, muss man nachfragen: „Wie viele Migranten und wie viele Frauen haben wir auf der Bühne?“ Wenn man nicht nachfragt, hat man eben nur mehr Mehrheitsösterreicher. Es gibt sehr wenig für Migranten. Es gibt kültür gemma!, die Wienwoche ist politisch und vielleicht zwei, drei andere Vereine.

Enes Özmen: Und diese Vereine kennen nur die wenigsten.

Esra Özmen: Genau. Die Festivals, die wir haben, wo wir politische Arbeit leisten, müssen sich auf Migration und politische Arbeit fokussieren. Wir haben keine andere Chance. Bei den anderen großen Festivals sind nur Mehrheitsösterreicher dabei, und wenn ein Türke dabei ist, ist er halt die Quote.

Gemeint ist die ÖVP-FPÖ-Regierung vor dem Aufkommen der Ibiza-Affäre bzw. dem Misstrauensantrag.

Back Bone ist die Mobile Jugendarbeit im 20. Wiener Gemeindebezirk. https://www.backbone20.at/

Wiener Beratungsstelle für Mädchen und junge Frauen. https://sprungbrett.or.at/

Dilara Akarçeşme, Esra und Enes Özmen ( 2019): „Wo ist ein Migrant der Boss und sagt: ‚Das ist zu weiß.’?“. Das Duo EsRap, bestehend aus den Geschwistern Esra und Enes Özmen, im Gespräch mit Dilara Akarçeşme . In: p/art/icipate – Kultur aktiv gestalten # 10 , https://www.p-art-icipate.net/wo-ist-ein-migrant-der-boss-und-sagt-das-ist-zu-weiss/