„Wo ist ein Migrant der Boss und sagt: ‚Das ist zu weiß.’?“

Das Duo EsRap, bestehend aus den Geschwistern Esra und Enes Özmen, im Gespräch mit Dilara Akarçeşme

Wenn wir schon über diese großen Veranstaltungen sprechen: Ihr wart ja Teil der Wiener Festwochen 2017. Wie habt ihr das erlebt?

Esra Özmen: Das können wir, glaube ich, noch nicht genau sagen. Wir wurden letztes Jahr aber nicht eingeladen. Da finde ich es von politischen, linken Leuten auch wichtig, dass sie ihre Privilegien abgeben. Mira Lu von Schmieds Puls wurde zum Beispiel eingeladen, den Arbeitenden-von-Wien-Song zu performen. Sie erwiderte aber: „Ich bin keine Arbeiterklasse. Wenn, dann mache ich das nur mit Esra und Enes.“ Das finde ich sehr wichtig. Nicht, weil sie uns eingeladen hat. Es wäre auch ok, wenn sie jemand anderen eingeladen hätte, aber es muss authentisch sein. Wir sind die Arbeiter*innen von Wien. Es gibt sicher auch eine österreichische Arbeiterklasse, aber es gibt auch eine große Gastarbeiterstory. Wenn man die ganze Zeit so tut, als wären wir nie dagewesen, können wir nirgends anfangen.

Habt ihr das Gefühl, dass manche Leute ausgeschlossen sind aus euren Projekten?

Esra Özmen: Wenn ein weißer, hetero, cis Mann ein guter Rapper ist, dann lade ich ihn eben nicht sehr oft ein. Da lade ich lieber migrantische Gruppen ein.

Könnt ihr Beispiele geben, was bei euren Projekten gut und was weniger gut funktioniert?

Esra Özmen: Ich finde, dass es sehr wichtig ist, Wissen zu teilen. Ich merke auch, dass eine weiße, österreichische Rapperin sehr viel schneller auf ein Popfest kommt als eine türkische oder migrantische Rapperin. Ich habe zehn Jahre gebraucht, damit ich auf dem Popfest spiele. Weiße Rapperinnen werden schnell supportet. Auch von Radios zum Beispiel. Ich habe die Verantwortung, dass ich auch die migrantische Gruppe supporte. 90 Prozent der Menschen wissen zum Beispiel nicht, dass man auch ohne Matura auf die Akademie der Bildenden Künste gehen kann. Man weiß nicht, dass man dort auch rappen kann. Ich war die Erste an der Akademie der Bildenden Künste, die durch Rap aufgenommen wurde. Viele denken, dass man dort noch immer malen muss. Von vielen Förderstellen weiß man auch nichts. Ich habe aber schon das Gefühl, dass man das bewusst auch nicht weiterteilt.

Wenn ich mir zum Beispiel Bewerbungen anschaue, gibt es auffällig wenig migrantische Bewerbungen. Es kann nicht sein, dass es keine migrantischen Künstler*innen gibt. Migrantische Künstler*innen existieren. Da muss man rausgehen und dezentrale Kulturarbeit leisten. Wenn ich Workshops mache, gehe ich auch raus zu den Jugendzentren. Wir haben zum Beispiel den Rap Chor gegründet. Wir sind zur Brunnenpassage gegangen und haben in allen Jugendzentren bekanntgegeben, dass wir Rap-Workshops machen. So kommen und bewerben sich dann auch andere, die man von der Szene nicht kennt. Wenn ein Projekt und der Vorstand aber immer gleichbleiben, man immer geschlossen unter sich ist und es nur die Engsten wissen, sind es immer dieselben Namen, die sich für Kulturprojekte bewerben.

Ich werde öfter zu Vorständen als Jury eingeladen und kenne alle Namen der Bewerberinnen. Das kann es nicht sein. Viele kommen aus der Akademie, ein paar aus der Angewandten und ein paar aus den Kulturvereinen, die man halt kennt.

Dort fließt auch immer das Geld hin. Es ist eben auch eine Frage des Geldes, Kunst zu machen. Wir haben zehn Jahre gebraucht, bis wir ein Album aufnehmen, denn ein Album kostet 5.000, 6.000 Euro.

Gemeint ist die ÖVP-FPÖ-Regierung vor dem Aufkommen der Ibiza-Affäre bzw. dem Misstrauensantrag.

Back Bone ist die Mobile Jugendarbeit im 20. Wiener Gemeindebezirk. https://www.backbone20.at/

Wiener Beratungsstelle für Mädchen und junge Frauen. https://sprungbrett.or.at/

Dilara Akarçeşme, Esra und Enes Özmen ( 2019): „Wo ist ein Migrant der Boss und sagt: ‚Das ist zu weiß.’?“. Das Duo EsRap, bestehend aus den Geschwistern Esra und Enes Özmen, im Gespräch mit Dilara Akarçeşme . In: p/art/icipate – Kultur aktiv gestalten # 10 , https://www.p-art-icipate.net/wo-ist-ein-migrant-der-boss-und-sagt-das-ist-zu-weiss/