„Zuerst müssen wir uns die Frage stellen: Von welcher Kultur sprechen wir denn hier?“

Thomas Philipp im Gespräch mit Anita Moser über Herausforderungen und Maßnahmen für ländliche Räume

Welche Projekte findest du in Bezug auf kulturelle Teilhabe besonders gelungen – in Bezug auf Österreich oder darüber hinaus?

Da gibt es viele. Es gibt die bekannten Beispiele wie das Hamburger Park Fiction und Co aus dem Kunstbereich. In Österreich gibt es im Kulturbereich im engeren Sinn viele, die nur auf einen Aspekt abzielen, aber wichtig sind: Die Aktion Hunger auf Kunst und Kultur beispielsweise, auf Festivalebene das Festival der Regionen. Durch meine Beiratstätigkeit am BKA Kunst habe ich einen relativ guten Überblick: Es gibt Initiativen und Projekte in den einzelnen Bundesländern, die kulturelle Teilhabe schaffen. Die sind oft im ländlichen Raum: Zum Beispiel eine steirische Kleingemeinde mit etwa 1.000, 2.000 Einwohner_innen, wo die gesamte Gemeinde fast eine ganze Woche ein Dorffestival veranstaltet, aber mit Anspruch. Das ist als kulturelles Teilhabeprojekt sehr niederschwellig und dort werden alle tatsächlich auch aktiv. Dann gibt es noch die Brunnenpassage, aber dieses Beispiel kennt man ja.

Vielleicht ist es auch gut, zu schauen, wo es nicht funktioniert? Was ist super abgehoben, elitär oder exklusiv? Oft ist es ja in der freien Szene so, dass man glaubt, alles berücksichtigt zu haben, dann aber doch exklusiv unterwegs ist, weil man vielleicht den großen Tankern in der zeitgenössischen Kunstproduktion nachhechelt. Dabei hat man aber die Mittel eines Museums gar nicht – das Salzburg Museum würde mir zum Beispiel einfallen – um die Website in Leichter Sprache zu machen, barrierefreie Zugänge zu schaffen, ein Kontingent an Karten verbilligt oder auch Führungen in anderen Sprachen anzubieten. Es lohnt sich wahrscheinlich, da hinzuschauen, zu kritisieren und auf blinde Flecken zu achten. Welche Gruppen gibt es eigentlich, die von kultureller Teilhabe ausgeschlossen sind, abseits der vorhin genannten klassischen Gruppen? 90 Prozent aller kulturellen Teilhabeprojekte, in denen es um Aktivierung geht, arbeiten irgendwie mit diesen Gruppen. Welche Gruppen gibt es sonst noch?

Von ökonomischen Ausschlüssen Betroffene.

Armut, klar.

Was würdest du dir in Bezug auf kulturelle Teilhabe wünschen – allgemein oder konkret für Salzburg? Welche Visionen hast du?

Ich würde mir wünschen, dass mehr als ausreichend Ressourcen zur Verfügung stehen, um vor allem kleine Projekte und Initiativen anleiern zu können, die bereichsübergreifend, aber kleinräumig, kleinteilig und prozessorientiert arbeiten können. Es geht darum, dass Strukturen geschaffen werden, die aber nicht zu groß sind, ansonsten wird es sehr schnell aufwändig und bürokratisch.

Außerdem würde ich mir für Salzburg wünschen, dass es ein Sonderförderprogramm in der Größenordnung von ein paar Millionen Euro gäbe, damit man anschieben kann – im Bereich kulturelle Bildung, Kinder, Jugendliche, Schulen und im Bereich Interkultur.

Vielen Dank für das Gespräch! 

Anita Moser, Thomas Philipp ( 2019): „Zuerst müssen wir uns die Frage stellen: Von welcher Kultur sprechen wir denn hier?“. Thomas Philipp im Gespräch mit Anita Moser über Herausforderungen und Maßnahmen für ländliche Räume. In: p/art/icipate – Kultur aktiv gestalten # 10 , https://www.p-art-icipate.net/zuerst-muessen-wir-uns-die-frage-stellen/