Intro/Outro – weiterwandeln, weiter wandeln

Die Ausgabe #14 zum Thema Wandle! des eJournals p|art|icipate steht am Ende des transdisziplinären Labors Wandeln, das wir, die Mitglieder des Programmbereichs Zeitgenössische Kunst und Kulturproduktion, zwischen 2019 und 2022 am Schnittpunkt von Wissenschaft, Kunst und Gesellschaft durchgeführt haben. In diesem Labor griffen wir gesellschaftlich dringliche Themen wie Wohnungsnot, Klimakrise, Demokratisierungsprozesse oder Diversität auf und loteten neue Möglichkeiten des gemeinsamen Forschens aus. Im sprichwörtlichen Wandeln und Herumstreunen zwischen unterschiedlichen Forschungszugängen, in dem das tatsächliche Spazieren, Demonstrieren, das Hinausgehen aus den Universitäten in den öffentlichen Raum, in Trafiken oder Leerstände eine große Rolle einnahm, begaben wir uns auf eine gemeinsame Suche nach Wandel. Zentral war dabei für uns die Frage, wie kollektive Wissensproduktion zu einer Demokratisierung von Kunst, Wissenschaft und Gesellschaft beitragen kann. Das Labor verstand sich demnach als ein offener und prozessorientierter Experimentierraum.

In einer ersten Forschungsphase widmete sich unser Team, das sich aus Künstler:innen und Forscher:innen der Universität Salzburg und der Universität Mozarteum Salzburg zusammensetzte, verschiedenen Fragen des wissenschaftlich-künstlerischen Zusammenlebens und Forschens. Wie können wir unsere unterschiedlich geprägten Zugänge in Dialog setzen und Allianzen bilden? Welche (neuen) Möglichkeiten finden sich an den transdisziplinären Schnittstellen? Und was passiert mit Kunst und Wissenschaft, wenn sie sich kollaborativ an sozialen Lebenswelten orientieren? In der zweiten Forschungsphase kristallisierten sich auf Basis dieser Experimente vier Forschungsstränge heraus, die in vier Projekten die Schwerpunkte des Labors weiterführten. In diesen Forschungsprozessen wurden unterschiedliche Ansätze für co-partizipatives und transdisziplinäres Arbeiten in Zusammenarbeit mit Künstler:innen, Wissenschaftler:innen und Alltagsakteur:innen erprobt, die Bedeutung von Forschung/Begleitforschung/Dokumentation in diesen Prozessen reflektiert und der Frage nachgegangen, wie diese Projekte zur Demokratisierung unserer Gesellschaft beitragen können.

Dieses eJournal arbeitet in Form von vier Forschungsdokumentationen und einer Interview-Reihe mit den Kernmitgliedern des Labors diese Fragen auf. In allen fünf Beiträgen werden Vielstimmigkeit, Prozessorientiertheit und Ergebnisoffenheit in den Vordergrund gestellt. Folglich besteht diese Ausgabe des eJournals nicht aus traditionellen Text-Formaten, sondern trägt den jeweiligen co-partizipativen, transdisziplinären Forschungszugängen Rechnung und sucht nach eigenen Formen der Dokumentation und Präsentation:

Ricarda Drüeke und Anita Moser gehen in ihrem Beitrag Experimentierfeld für Rahmenbedingungen zur Stärkung von Diversität in Kunst und Kultur Fragen von Diversität im Kulturbetrieb nach und präsentieren einen vielstimmigen Reflexionsprozess der Veranstaltung D_Connect, bei der die Teilnehmenden u.a. folgende Fragen diskutierten: „Welche Voraussetzungen braucht es für so einen transdisziplinären Austausch? Was sind notwendige Rahmenbedingungen für ein vernetztes Handeln zur Stärkung von Diversität in Kultureinrichtungen? Wie kann davon ausgehend ein Transformationsprozess in Gang gesetzt werden?“ Die Fragen, Themen und Begrifflichkeiten sowie die im Dokumentationsprozess entstandenen Podcasts werden in diesem Beitrag vorgestellt.

Rollenspiel im Glücksparlament Wohnen von Katharina Anzengruber, Ulrike Hatzer und Sonja Prlić dokumentiert die verschiedenen Aspekte von Rollenspielen und spielerischen Forschungsformaten, die im mehrjährigen künstlerischen Forschungsprojekt Glücksparlament Wohnen entwickelt wurden, um einen breiten Diskurs zu Fragen der Mitbestimmung beim Thema Wohnen in Salzburg anzuregen. Ein Archiv aus Bildern, Texten und O-Tönen der Beteiligten gibt einen Eindruck über die verschiedenen Möglichkeiten, die Rollenübernahme und Spiel in Beteiligungsprozessen und im Zusammenhang von Kunst und politischem Handeln bieten können. Auf einem interaktiven Stadtplan der Stadt Salzburg kann dieses Archiv erkundet werden.

Auch in Räume kultureller Demokratie – Eine Kraxe erzählt Geschichten werden die Rezipient:innen auf eine Erkundungsreise geschickt. „Wie gehen wir in partizipativen Forschungsprojekten mit den Leerstellen und den vergänglichen Momenten in Prozessen um?“, ist der Ausgangspunkt für eine künstlerische Forschungsdokumentation von Sonja Prlić und Elke Zobl, die die Kraxe als Entdeckungsraum in den Mittelpunkt stellt – ein Objekt, das im Rahmen der Workshops des Projekts Räume kultureller Demokratie entstanden ist und als mobiler und tragbarer Tisch mit Photovoltaik-Paneel und Platz für Workshoputensilien funktioniert. Diese Kraxe diente in den verschiedenen partizipativen Kunstprojekten des Projekts als Zentrum und Kulminationspunkt für Gespräche rund um Nachhaltigkeit und Klimawandel. Der Beitrag lässt die Stimmen und Stimmungen, Klänge und Geschichten, die rund um diese Kraxe entstanden sind, erfahrbar machen.

Elisabeth Schmirl deutet im Beitrag Unboxing in Form von Bild-Text-Kunstwerken die Erfahrungen des Projekts Das Kollaborativ weiter, in dem sich Studierende der Bildnerischen Erziehung, Universität Mozarteum, Innsbruck, in verschiedenen Projekten im öffentlichen Raum mit partizipativen künstlerischen Ansätzen abseits herkömmlicher Disziplinengrenzen und mit ihren Potenzialen für einen sozialen Diskurs beschäftigten. Der Beitrag gibt einen Einblick in die Prozesse und Ergebnisse dieses Projekts und die angeschlossene Begleitforschung von Anita Moser und Ulrike Hatzer, die mit Studierenden des Studiengangs Applied Theatre die Kunstwerke auf sozialwissenschaftliche und künstlerisch forschende Weise dokumentierten.

Der Beitrag Prozessorientiert # Transdisziplinär # Ergebnisoffen: Reflexionen zu einem Labor zwischen Kunst und Wissenschaft gewährt Einblick in die über vier Jahre laufenden Phasen des Labors Wandeln. Die beteiligten Akteur:innen – Katharina Anzengruber, Marcel Bleuler, Ricarda Drüeke, Ulrike Hatzer, Anita Moser, Sonja Prlić, Elisabeth Schmirl und Elke Zobl – stellten in Einzelgesprächen mit Doris Posch Überlegungen zu Verständnis und Handhabung, Impulsen und Intentionen, Herausforderung und Potenzial der Praxis eines zwischen Kunst und Wissenschaft angesiedelten Laborformats an. Die Bündelung einzelner Reflexionen zu den Themenfeldern, die laborhaftem Arbeiten innewohnen, legt eine Vielstimmigkeit der Erfahrungsdimensionen von acht Künstler:innen und Wissenschafter:innen offen.

Die Prozesse des Labors haben zu vielen weiterführenden Fragen und Ideen geführt, wie wir zwischen Kunst, Wissenschaft und Gesellschaft in Zukunft weiter forschen können. Neben diesem Intro beinhaltet das eJournal daher auch ein Outro, das das Unerwähnte, Unsortierte, weiterführende Utopien und Ideen, Assoziationen und Abschweifungen einfängt und alle Leser:innen einlädt, damit weiterzuforschen und weiterzuwandeln. „Das Labor ist hier zu Ende, es könnte aber auch weitergehen“, heißt es in einem unserer Reflexionsinterviews. Daher unser Aufruf: „Wandle!“

Wir haben das Labor als Form der Zusammenarbeit erprobt, um uns der Frage zu stellen: „Wie kann demokratische Gesellschaft gelebt werden?“ Dies bedeutete auch einen kollektiven demokratischen Prozess zu durchlaufen, der uns auf produktive Irrwege, an unbekannte Orte, in neue Rollen und zu verschiedenen Formen der Zusammenarbeit geleitet hat.

Die Erfahrungen des Labors haben zu vielen weiterführenden Fragen und Ideen geführt, wie wir zwischen Kunst, Wissenschaft und Gesellschaft in Zukunft weiter forschen können. Offenheit füreinander und Neugier aufeinander, sich dem eigenen Nicht-Wissen zu stellen und Alltagswissen einzubeziehen, Reibungsflächen auszuhalten und produktiv zu nutzen, die Kraft des Lustvollen zu entfalten sind einige der Eckpfeiler dieses Austausches; auch die Erkenntnis, dass transformative Prozesse Zeit benötigen und der Wunsch an Universitäten Zeit und Ressourcen dafür zur Verfügung stellen.

An diesen Ideen, aber auch dem Unerwähnten, Unsortierten, den Utopien, Assoziationen und Abschweifungen lohnt es sich weiterzuarbeiten. Dieses Intro ist daher zugleich ein Outro und eine Aufforderung zum Handeln.

Wir laden alle dazu ein, im Erkunden unserer Beiträge mit uns weiterzuwandeln und weiter zu wandeln. „Das Labor ist hier zu Ende, es könnte aber auch weitergehen“, heißt es in einem unserer Reflexionsinterviews. Daher unser Aufruf: „Wandle!“

 

Bettina Egger, Doris Posch, Sonja Prlić ( 2023): Intro/Outro – weiterwandeln, weiter wandeln. In: p/art/icipate – Kultur aktiv gestalten # 14 , https://www.p-art-icipate.net/intro/