„Zero“ – Schmiede 2012
Kurz hat Captain Klaus gezögert, bevor er die Frage aus dem Publikum, ob die Werte binär oder als ASCII-Zeichen codiert seien, mit einem lapidaren, „Ich verstehe dich nicht“, vom Tisch des Tinkerlabs wischen konnte. Der auf der Pernerinsel gestrandete Captain, der außerhalb der Räumlichkeiten der ehemaligen Saline in Hallein auf den bürgerlichen Namen Klaus Mähring hört, ist zugleich auch Bürgermeister des Nomadic Village. Eigentlich arbeitet Klaus soeben daran, einer alten Tastatur neues Leben als Musikinstrument einzuhauchen und dies einer Gruppe interessierter Menschen zu vermitteln. Dafür muss das Gerät erst einmal zerlegt werden, woraufhin getestet wird, wie die Kontakte des USB-Controllers belegt sind, dann geht es ans Löten. Schlussendlich hält Klaus eine Plastikbox in Händen, aus der drei Maschinenknöpfe ragen, die seinen Laptop inkl. Musiksoftware steuern können – fertig ist das Musikinstrument.
Das Tinkerlab ist nur eine der vielen Initiativen, die zum Gesamtkonzept der mittlerweile seit zehn Jahren stattfindenden Schmiede Hallein beitragen. Während des laut Eigendefinition größten österreichischen ProduzentInnen-Festivals können sich die TeilnehmerInnen aus über zwanzig Nationen, die sogenannten Smiths, austauschen. Die KünstlerInnen Korinna Lindinger, Karla Spiluttini und Bartholomäus Traubeck betreiben das Tinkerlab in Kooperation mit Subnet und bieten den über zweihundert Smiths zehn Tage lang die Gelegenheit, Hand an Mikroprozessoren, elektronische Bauteile und Lötkolben zu legen. Captain Klaus ist einer der Gastvortragenden, der sein Wissen an die interessierte Runde weitergibt. Sein Musikinstrument jedenfalls funktioniert auch ohne Klaus’ Vermögen, auf binäre und ASCII-Zeichen genauer eingehen zu können – denn schlussendlich tragen alle anwesenden Smiths dazu bei, offene Fragen und anstehende technische Herausforderungen als Gruppe zu lösen.
Einen Stock höher ist der partizipative Ansatz bei Cinema Vertigo (Benjamin Hohneiser, Jakob Barth) ebenfalls zentraler Bestandteil ihrer Vernetzungsarbeit. Hier sollen künstlerische Kollaborationen ausgelotet werden, Cinema Vertigo versteht sich als Schnittstelle zwischen den – durchwegs facettenreichen – künstlerischen Positionen der Smiths. Andernorts wird an dem Magazin Greif gearbeitet, in dem auch schon mal Fotografien aller TeilnehmerInnen übereinandergelegt wurden, um die bzw. den Smith abdrucken zu können. Das Salzburger Community-Fernsehen FS1 ist ebenfalls vor Ort und versucht, die vielen Gesprächsrunden und Präsentationen einzufangen sowie Einblick in das auf Kollaboration ausgelegte Kunstfestival zu geben. Eine schwierige Aufgabe, denn zu dokumentieren gibt es viel: KünstlerInnen eignen sich Räume an, produzieren und intervenieren, Arbeiten entstehen und verschwinden – Veränderung ist die einzige Konstante.
Am Abend gibt es Konzerte und Performances, zu den Smiths gesellt sich allgemeines Publikum, das sich über das riesige Gelände verteilt. Irgendwo mittendrin sieht man Rüdiger Wassibauer, seines Zeichens Produzent des ProduzentInnenfestivals. Die von ihm initiierte Veranstaltung benötigt seine volle Aufmerksamkeit, ein Datenträger streikt, der eigentlich jetzt bei den „Future Shorts“, einer Präsentation von ausgewählten Kurzfilmen, abgespielt werden sollte. Und nachdem Wassibauer auch am nächsten Lesegerät gescheitert ist, tut er das, was dieses Festival so besonders macht: Er reicht die defekte DVD an die Smiths weiter, denn Irgendeine oder Irgendeiner wird das Problem lösen.
Florian Bettel ( 2012): „Zero“ – Schmiede 2012. In: p/art/icipate – Kultur aktiv gestalten # 01 , https://www.p-art-icipate.net/schmiede-2012-zero/