„We have no planet B“ – Künstlerischer Aktivismus und kreative Protestgestaltung

Wie soll die Welt, in der wir und und die Generationen nach uns leben werden, aussehen, und was wollen wir selbst zu einer lebenswerten Zukunft beitragen? Welche positiven Zukunftsvisionen gibt es und wie kann gegen scheinbar unveränderbare gesellschaftliche Systeme und Strukturen protestiert werden? Welche Rolle spielen dabei kreative, künstlerische und kulturelle Ausdrucksformen?

In der Lehrveranstaltung „We have no planet B“ – Künstlerischer Aktivismus und kreative Protestgestaltung sollten Antworten auf diese Fragen gefunden werden. Dabei stand die Auseinandersetzung mit künstlerischem Aktivismus und kreativer Protestgestaltung im Fokus. Die Studierenden lernten verschiedene Initiativen kennen, die sich zum Ziel gesetzt haben, in kreativ-künstlerischer Art Missstände aufzuzeigen, und stellten Projekte, die ihnen besonders am Herzen liegen, vor.

Neben medial und gesellschaftlich bereits weit verbreiteten Bewegungen wie Occupy, Black Lives Matter oder Fridays for Future wurden auch unbekanntere Initiativen wie das Zentrum für politische Schönheit oder das Kunstprojekt Now you see me Moria vorgestellt.

In der von einem Studierenden entwickelten Kampagne Asian lives matter wurden die im Zuge der Covid19-Krise weltweit steigenden Zahlen an rassistischen Übergriffen gegen asiatisch gelesene Personen behandelt; und auch die lokale Initiative #Catcalls of Salzburg, die sich aus der internationalen Bewegung Chalk Back entwickelt hat und sich mit sexueller Belästigung von weiblich gelesenen Personen auseinandersetzt, wurde von den Studierenden präsentiert.

Im Anschluss wurde darüber diskutiert, welche künstlerischen Strategien oder Taktiken von den jeweiligen Initiativen verwendet werden, welche wichtigen politischen und gesellschaftlichen Fragen sich aus den vorgestellten Projekten ergeben und welche kreative Umsetzung die Studierenden bei eigenen Projekten anwenden wollen würden.

Bis zum Ende des Semesters wurde ein eigenes Zine, in dem sich die Studierenden künstlerisch-kreativ mit den für sie relevanten Themen auseinandersetzen, erarbeitet und dann präsentiert.

Bei der Exkursion am 18. Mai 2021 nach Mattsee, im Workshop mit Stephanie Müller und Klaus Erika Dietl vom MEDIENDIENST LEISTUNGSHÖLLE, gab es für die Studierenden schließlich die Möglichkeit, selbst aktiv durch künstlerische Aktionen kreative Protestkultur zu schaffen.

Im Rahmen des SUPERGAU 2021 Festivals verwandelten Stephanie Müller und Klaus Erika Dietl Bushaltestellen entlang der Linie 120 in Recherchekabinen, Miniatur-Gewächshäuser, Werkstätten, Performance-Bühnen und anderes, und sammelten so Geschichten und Ideen für eine Zukunft mit Zukunft.

An ihrem Ausgangspunkt am Vorplatz des OTELO Mattsee – Offenes Technologielabor wurden die Studierenden erst über Steffis und Klaus‘ eigene Arbeiten und Herangehensweisen beim künstlerischen Wirken im öffentlichen Raum informiert, bevor sie schließlich selbst – alleine oder in Teams, – ausschwärmen durften, um unterschiedlichste Ecken von Mattsee zu erkunden und ihre eigenen Ideen des kreativen Protests zu verwirklichen.

Alsbald wurde im Basislager OTELO, einer wahren Fundgrube für Materialien und Inspiration aller Art, fleißig geschrieben und gezeichnet, geklebt, genäht, gesägt und die Köpfe zum Rauchen gebracht – immer mit der Möglichkeit, sich von Steffi und Klaus Unterstützung zu holen.

Entstanden sind dabei viele unterschiedliche Formen des Protestes.

Ob kleine Holzplättchen mit Sprüchen in verschiedenen Sprachen, die uns daran erinnern sollen, das Leben zu genießen und nicht alles immer so schwer zu nehmen, oder Kunsthandwerk aus Draht mit der Botschaft, nach dem eigenen, inneren Anker zu suchen – nach nur kurzer Zeit ließen sich an allen Ecken und Enden Mattsees kleine (und größere) ‚Stolpersteine‘ finden, die das gewohnte, optische Ortsbild unterbrachen und zum Nachdenken anregen sollten.

Ein Team hatte an einer zentralen Bushaltestelle im Ort Fahnen und Bänder mit Sprüchen befestigt und somit den Durchgang zwischen Bushäuschen und dem Rand des Gehsteigs blockiert. Die Passant:innen wurde einerseits physisch daran gehindert, den einfachen, gewohnten Weg zu gehen, andererseits wurden sie auch durch die an Bändern hängenden Sprüche aufgefordert, mal ‚out of the box‘ zu denken und ihre als selbstverständlich angenommenen Privilegien zu überdenken.

Einige Meter weiter wurde den Vorbeigehenden die Möglichkeit geboten, eigene Gedanken zum Tag, zu Persönlichem oder zur Lage der Welt in ein an einem Baum angebrachtes Körbchen zu werfen und so ebenfalls etwas Eigenes beizutragen.

Schließlich konnten bei einem kleinen Spaziergang ans Seeufer auch dort noch kreative Formen des Protestes gefunden werden: Genähte Vögel auf Draht rebellierten gegen ein Fütterungsverbot der Wasservögel und Protestslogans aus Kreide erinnerten daran, dass der See allen zugänglich gemacht werden soll, nicht nur denen mit Geld.

Auch wenn die Protestaktionen in Mattsee vielleicht nur aufmerksamen Beobachter:innen ins Auge sprangen, eröffnete sich durch sie die Möglichkeit, niederschwellig mit den verschiedenen Arten des kreativen Protests im öffentlichen Raum in Berührung zu kommen – sowohl für die Passant:innen als auch für die Studierenden.

Es sei damit ein Anfangspunkt gesetzt für weitere, mutige Aktionen des kreativen Protests für eine lebenswertere Zukunft für uns und die, die nach uns kommen, denn wie wir alle wissen: „We have no planet B!“

Hanna Wimmer ( 2021): „We have no planet B“ – Künstlerischer Aktivismus und kreative Protestgestaltung. In: p/art/icipate – Kultur aktiv gestalten # 12 , https://www.p-art-icipate.net/we-have-no-planet-b-kuenstlerischer-aktivismus-und-kreative-protestgestaltung/