„Das Museum als Ort ehrlicher Kommunikation“
Das Studio Geschichte im Salzburg Museum Neue Residenz als Experimentierraum zur dialogischen Kulturvermittlung.
Sandra Kobel im Gespräch mit Timna Pachner
Das Studio Geschichte wurde von Kulturvermittler:innen des Salzburg Museum konzipiert und 2018 das erste Mal im Rahmen der Ausstellung Anschluss, Krieg & Trümmer – Salzburg und sein Museum im Nationalsozialismus geöffnet. Ergänzend zu den Ausstellungen des Salzburg Museum rückt das Studio Geschichte den Dialog mit den Besucher:innen in den Mittelpunkt und ist als interaktiver Ideen- und Gedankenraum zu verstehen. Eine der zentralen Überlegungen der Kulturvermittler:innen ist es, dass Individualbesucher:innen auch als Produzent:innen agieren und sich aktiv in den Raum einbringen können. Der Raum darf und soll sich verändern, indem Ansätzen einer nachhaltigen und partizipativen Kulturvermittlung nachgegangen wird und Fragestellungen aus dem Blickwinkel der Gegenwart gemeinsam verhandelt werden.
Ich würde dich bitten, kurz zu erzählen, worum es sich beim Studio Geschichte handelt.
Das Studio Geschichte entstand im Jahr 2018 parallel zur Ausstellung Anschluss, Krieg & Trümmer. Salzburg und sein Museum im Nationalsozialismus und wurde auch mit dieser gemeinsam eröffnet. Es handelt sich dabei um einen Raum, der zwar nicht groß ist, aber große Präsenz hat, weil er der erste Raum ist, den man unmittelbar sieht, wenn man in das Salzburg Museum Neue Residenz kommt. Dieser Raum, die Säulenhalle, wird seit jeher für Sonderausstellungen genutzt. Gerade in den letzten Jahren wurde die Säulenhalle aber auch immer wieder zum Experimentierfeld, etwa um mit den Menschen auf neuartige Weise in Kontakt, in den Dialog zu treten – über „klassische“ Ausstellungsformen hinausgehend. Das hat sich in unterschiedlichen Formaten gezeigt, zum Beispiel wurde sie in dem Projekt Textilespace gemeinsam mit Studierenden als Klangraum bespielt. Oder 2015 gab es ein Ausstellungsprojekt, das hieß WUNSCHBILDER gestern. heute. morgen. Es handelte sich dabei um eine Art Experiment, weil es um Wünsche und Bedürfnisse ging, also ein Thema, das jeden Menschen irgendwie betrifft und das wir deshalb sehr teilhabeorientiert konzipierten. Es kam zu einer Art Rollentausch: zum einen, indem die Ausstellung nicht von Kurator:innen, sondern von Kulturvermittler:innen kuratiert wurde; zum anderen, weil in diesem kuratorischen Prozess auch verschiedene Menschen, die nicht Teil des Museums und auch nicht unbedingt Teil des Kulturbetriebes waren, einbezogen wurden, und diese das Ausstellungskonzept dadurch wesentlich mitprägten. Die Ausstellung entstand also im Dialog mit unterschiedlichen Menschen – verschiedener kultureller Herkunft, unterschiedlichen Alters, mit unterschiedlichen Interessen und Expertisen und so weiter. Dieses Projekt hat für uns sehr viel angestoßen. Wir haben viel darüber nachgedacht, wie wir mit Menschen im Dialog sind und was wir daran noch verbessern könnten. Auch die Frage, wie wir gemeinsam mit unterschiedlichen Menschen Wissen generieren können, spielte dabei eine wichtige Rolle. Dann kam das Jahr 2018 und damit die für unsere Institution ganz wichtige Ausstellung Anschluss, Krieg & Trümmer: Salzburg und sein Museum im Nationalsozialismus. In dieser Ausstellung ging es sehr stark auch darum, wie das Salzburg Museum in den Jahren 1938 bis 1945 agierte und welche Rolle diese Zeit bis heute spielt. Die eigene Institutionsgeschichte wurde also in den Mittelpunkt gerückt. Darüber hinaus brauchte dieses Thema eine besonders sensible Form der Vermittlung. Der Direktor des Salzburg Museum, Martin Hochleitner, trat dazu mit einer Einladung an die Abteilung der Kulturvermittlung heran: „Nehmt diesen Raum und nutzt ihn für das, was eurer Meinung nach wichtig ist.“
Es gab da also keinerlei Vorgaben und damit ist dieser Raum für uns als Abteilung zu einer Art Experimentierraum geworden. Wir waren uns schnell sicher, dass wir ein partizipatives und gegenwartsorientiertes Raumformat entwickeln möchten. Wir entschieden uns, an die zwei großen Ausstellungen 2018 anzuknüpfen und die Themen und Fragestellungen wie in einer Art Labor mit unseren Besucher:innen zu erörtern. Das erste Motto des Studio Geschichte – in Anlehnung an die Ausstellung Anschluss, Krieg & Trümmer – war: „Aus Erinnerung Zukunft gestalten?“ Wir wollten mit diesem Raum Fragen an das Thema „Erinnerung“ stellen: „Warum ist Erinnerung wichtig?“, „Wie erinnern wir heute?“, „Wie wird sich Erinnerung künftig entwickeln?“ Und: „Inwiefern können auch nachfolgende Generationen in die Prozesse des Erinnerns miteinbezogen werden?“
Der Raum sollte dynamisch sein. Und es war uns wichtig, dass er für Individualbesucher:innen funktioniert, aber auch in der Arbeit mit Gruppen, etwa um mit jungen Menschen in Dialog zu treten. Entstanden ist schließlich ein teilhabeorientierter Raum, der prozessartig funktioniert, und in dem auch wir Kulturvermittler:innen neuartige Erfahrungen in unserer Arbeit machen konnten. Das war der Ausgangspunkt des Studio Geschichte.
Sandra Kobel,
Timna Pachner
(
2021):
„Das Museum als Ort ehrlicher Kommunikation“.
Das Studio Geschichte im Salzburg Museum Neue Residenz als Experimentierraum zur dialogischen Kulturvermittlung.
Sandra Kobel im Gespräch mit Timna Pachner
. In: p/art/icipate – Kultur aktiv gestalten
#
12 ,
https://www.p-art-icipate.net/das-museum-als-ort-ehrlicher-kommunikation/