„Das Museum als Ort ehrlicher Kommunikation“

Das Studio Geschichte im Salzburg Museum Neue Residenz als Experimentierraum zur dialogischen Kulturvermittlung.
Sandra Kobel im Gespräch mit Timna Pachner

Haben Kommunikations- und Vermittlungsmöglichkeiten im digitalen Raum bereits eine größere Rolle gespielt, abgesehen vom QR-Code-Tool, von dem du vorher gesprochen hast?

Wir führten mit den Geschichtenkurier:innen, die das wollten, Interviews, die wir dann auf Facebook und Youtube online stellten, um auch auf diesen Kanälen den Dialog sichtbar zu machen. Beim Studio Geschichte im Rahmen der Ausstellung Stille Nacht 200. Geschichte. Botschaft. Gegenwart. hatten wir eine Hashtag-Aktion. (lacht) Da war halt das Konzept viel verspielter, thematisch bedingt. Darüber hinaus haben wir zu allen Ausstellungen immer einen Media-Guide. Das ist auch eine Form der digitalen Vermittlung. Aber abgesehen davon nutzten wir bisher keine weiteren digitalen Kommunikations- und Vermittlungsformate.*2 *(2)

Siehst du hier noch Potenzial bzw. Strategien, die man künftig nutzen könnte?

Auf jeden Fall. Ich glaube, dass es immer sehr vom Thema abhängt, welchen Weg man nimmt. In der digitalen Vermittlung sehe ich sehr viel Potenzial, gerade was Teilhabe- oder Interaktionsmöglichkeiten betrifft. Da gibt es bereits interessante Möglichkeiten. Ich glaube aber, man muss immer auch die Sinnhaftigkeit prüfen: „Wann macht das Digitale Sinn?“, „Wann nicht?“, „Welche Möglichkeiten bietet das Digitale, um Geschichte(n) zu vermitteln und auf breiterer Ebene zugänglich zu machen?“, „Bietet das Digitale Möglichkeiten, um Barrierefreiheit und Inklusion zu fördern?“ – Das sind Fragen, die sich Kulturinstitutionen generell stellen sollten.

Weil du gerade auf Teilhabe zu sprechen gekommen bist: Was braucht es denn deiner Meinung nach an Informationen und Wissen, oder Zugängen zu Ressourcen oder Skills, sodass man als Mensch aktiv an einer demokratischen Gesellschaft teilhaben kann? Sie mitgestalten kann? Auch in Bezug auf Kunst und Kultur.

Was die Leute brauchen, um teilhaben zu können? Ich glaube, jeder Mensch hat Skills, die er einbringen kann. Teilhabe heißt ja nicht, so teilzuhaben wie es sich jemand anderes vorstellt oder wie es jemand anderes erwartet. Ich glaube Kulturinstitutionen sollten offen sein für ganz offene Prozesse, sie sollten Möglichkeiten schaffen. Letztlich verhandeln Kulturinstitutionen immer auch gesellschaftliche Fragestellungen, und die brauchen heterogene Perspektiven.

Ich versuche, meine Frage vielleicht anders zu stellen: Wie bewertest du die Rolle oder Funktion von Vermittlungsinstitutionen, zum Beispiel einem Museum, als Übersetzungsräume oder Verhandlungsräume gesellschaftlicher Themen?

Ich sehe das Museum, auch das Salzburg Museum, ganz klar als Verhandlungsraum gesellschaftlicher Themen. Das Salzburg Museum etwa ist 1834 gegründet worden, in einer politisch und gesellschaftlich herausfordernden Zeit. Dass das Museum überhaupt gegründet wurde, ist vor allem auch dem Salzburger Bürgertum zu verdanken, das Museum ist also aus einer Art Bürgerinitiative heraus entstanden. Ich persönlich sehe darin auch ganz klar einen Auftrag an uns. Das Museum „gehört“ uns allen. Unsere Sammlungen bieten so viele Möglichkeiten, aus dem Blickwinkel der Gegenwart auf die Vergangenheit zu blicken und Zukunft zu gestalten. Da ist natürlich auch der Bereich der Kulturvermittlung eine wesentliche Säule.

Welche Rolle spielt der Aspekt der Nachhaltigkeit in der Konzeption des Studio Geschichte?

Das fängt schon bei praktischen Dingen an: „Aus welchen Materialien bauen wir die Möbel in den Ausstellungen?“, „Können wir Möbel wiederverwenden?“ Oder: „Mit welchen Verkehrsmitteln machen wir unsere Dienstreisen?“

Gleichzeitig versuchen wir all unsere Vermittlungsaktivitäten nachhaltig zu denken. „Wie können wir zum Beispiel die Erfahrungen aus unseren Projekten dokumentieren, um sie nachhaltig und langfristig zugänglich zu machen?“, „Inwiefern kann Vermittlungsarbeit auch die Jetztzeit bzw. die Perspektiven der Gegenwart für die Nachwelt nachhaltig dokumentieren?“ Solche Fragen waren etwa bei den Geschichtenkurier:innen wichtig. Und es geht schon auch immer wieder um die Frage: „Was macht eine Stadt lebenswert?“

In Bezug auf die Konzepte des Studio Geschichte, die künftig noch entstehen, hat der Aspekt „Nachhaltigkeit“ natürlich auch durch das Projekt Räume kultureller Demokratie einen inhaltlich wichtigen Stellenwert. Ich bin gespannt, was wir aus dem Austausch mit Wissenschaftler:innen, Künstler:innen und Personen aus dem Bildungsbereich usw. für unsere Arbeit am Museum mitnehmen können.

Interview am 12.3.2020

Das Salzburg Museum ist Kooperationspartner im Projekt Räume kultureller Demokratie. Ab 8. April 2022 wird das Studio Geschichte unter dem Motto „Nachhaltig genießen“ neu eröffnet und knüpft dabei an Zwischenergebnisse des Projektes an. Auch Vermittlungsformate, die im bisherigen Forschungsprozess entwickelt wurden, sollen erprobt und aufgegriffen werden.

Das Interview wurde vor Beginn der Corona-Pandemie geführt. Mittlerweile gibt es verschiedene digitale Vermittlungsformate am Salzburg Museum, die auch kontinuierlich weiterentwickelt werden: beispielsweise live stattfindende Online-Führungen, digitale Veranstaltungen oder digitale bzw. hybride Workshops für Schulklassen. Seit Mai 2020 produziert das Salzburg Museum darüber hinaus einen Podcast mit dem Titel Museum am Sofa. Jede Woche samstags werden darin Geschichten aus den vergangenen Jahrhunderten erzählt.

Sandra Kobel, Timna Pachner ( 2021): „Das Museum als Ort ehrlicher Kommunikation“. Das Studio Geschichte im Salzburg Museum Neue Residenz als Experimentierraum zur dialogischen Kulturvermittlung.
Sandra Kobel im Gespräch mit Timna Pachner . In: p/art/icipate – Kultur aktiv gestalten # 12 , https://www.p-art-icipate.net/das-museum-als-ort-ehrlicher-kommunikation/