„Gemeinsam die Stadt zum Blühen bringen“

2. Selbstorganisation in der Stadt. Die Initiative „blattform: eine stadt – eine garten“

2.1. Initialzündung und InitiatorInnen

Als Christine Brandstätter im Juli 2011 den Stadtteilgarten im ArbeiterInnen-BegegnungsZentrum*1 *( 1 )  koordiniert, kommt sie mit Josef Reithofer, einem Mitarbeiter der Stadtplanung Salzburg, zu sprechen. Zuständig für nachhaltige Stadtentwicklung ist er auf der Suche nach unterstützungswürdigen Initiativen im Bereich Gemeinschaftsgärten. Zu diesem Zeitpunkt gibt es in Salzburg neben dem Stadtteilgarten Itzling den Lieferinger Krautgarten sowie ein weiteres Gemeinschaftsgartenprojekt, das allerdings aus unklaren Gründen zum Stocken kam. Von Seiten der Stadtplanung gibt es also Interesse, eine neue gärtnerische Initiative ins Rollen zu bringen und Christine, die zivilgesellschaftlich aktiv und in der Stadt gut vernetzt ist, findet Gefallen an der Idee. In Folge spricht Christine Leute in ihrem Bekanntenkreis an, die in unterschiedlichen zivilgesellschaftlichen und aktivistischen Zusammenhängen tätig sind, ob sie Interesse hätten rund um das Thema Gemeinschaftsgärten eine Initiative zu starten.
Die Leute, die sie versammelt und die in Folge die Initiative „blattform: eine stadt – ein garten“ gründen, sind mit Lukas Uitz vom Verein fairkehr, Christina Pürgy von der Stadtteilkulturarbeit im ABZ-Itzling, Barbara Sieberth, Grüne Aktivistin und Gemeinderätin, sowie Monika Gumpelmair und Elisabeth Rumpl von der Initiative für eine offene Werkstatt, allesamt junge zivilgesellschaftlich aktive StadtbewohnerInnen. Christian Hörbinger, ein junger Stadtplaner, ist von Anfang an dabei und gleichzeitig Verbindungsglied zum Magistrat. Katharina Paulmichl, Ärztin in Ausbildung und Comic-Zeichnerin für die Öffentlichkeitsarbeit der Initiative, stößt etwas später dazu. Diese Mitglieder der Kerngruppe sind in der Stadt gut vernetzt – sie sind zwischen Mitte zwanzig und Ende dreißigund haben in den meisten Fällen einen gewissen Erfahrungsschatz in der zivilgesellschaftlichen Selbstorganisation sowie bestehende Netzwerke, auf die sie zurückgreifen können. Von Herbst 2011 bis Frühjahr 2012 finden Besprechungen mit MitarbeiterInnen der Stadtplanung und des Gartenamtes statt, um auszuloten, wie eine Kooperation oder Unterstützung im Netzwerk aussehen könnte.

2.2. „Was ist blattform?“

Am Beginn stand die Ideenfindung zur Gründung der Initiative: die Namensfindung, die Formulierung von Ziel und Methode und der Aushandlungsprozess in der Gruppe. Als Methode hat die Initiative das „Garteln“ gewählt, wobei den InitiatorInnen wichtig ist, dass das Garteln in viele Richtungen weitergedacht werden kann und die Themen Energiewende, Gemeinschaftsstärkendes, global denken – lokal handeln, gesunde Mobilität, Artenvielfalt und Klimaschutz mitgedacht werden sowie dieses Spektrum noch erweitert werden kann. Christine betont dabei die Offenheit der Initiative:

[…] die blattform ist einfach eine Plattform, wo viele andocken können, wo wir Leute vernetzen zum Garteln und aus dem heraus wir jetzt einmal vordergründig einfach schauen, dass Gartenaktionen entstehen, die aber in Richtung Guerilla [Gardening] gehen können, die auch in Richtung Gemeinschaftsgärten gehen können, das heißt auf Dauer oder zumindest auf mehrere Jahre und die auch noch viele brachliegende Möglichkeiten sozusagen einfach aufgreifen.“ (CB: 7)star (* 6 )

Auf der Website der Initiative ist u.a. zu lesen, dass sich die blattform für eine Bereicherung und Verschönerung der Stadt einsetzt – über das Garteln im öffentlichen Raum hinaus, soll die Tätigkeit der Initiative „die Vielfalt fördern, zum Nach- und Umdenken anregen und das Bedürfnis der Bevölkerung nach einer Stadt für Menschen jeglicher Lebenslage und Herkunft stärken.“*2 *( 2 )  Die Begriffe „Bereicherung“ und „Verschönerung“ signalisieren hierbei eine lustvolle und friedfertige Herangehensweise, die nicht auf Konfrontation, sondern auf Dialog zielt. Der Untertitel der Initiative, „eine Stadt – ein Garten“, weist auf die Zielrichtung der Initiative hin, Menschen im gemeinsamen Lebensraum Stadt miteinander in Austausch zu bringen und legt die Assoziation nahe, sich um die eigene Stadt wie um einen eigenen Garten zu kümmern. Es geht darum, Verantwortung und Sorge für den gemeinsamen Lebensraum zu übernehmen und dabei den öffentlichen Raum als Allmende anzueignen. Christine erklärt den Untertitel folgendermaßen: „[…] wir haben auch noch einen Untertitel, da haben wir auch noch gemeinsam überlegt: Eine Stadt – ein Garten […] was ich aber so schön finde, weil das Gemeinschaftliche rauskommt, weil dieses freche Klotzen ‚wir nehmen uns die ganze Stadt‘ herauskommt, ja […].“ (CB: 6)star (* 6 )

Als die blattform Gestalt annahm, das Handlungsfeld und die Methode klar waren, brauchte es ein konkretes Projekt, um an die Öffentlichkeit zu treten.

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Berking, H. and M. Löw, Eds. (2008). Die Eigenlogik der Städte. Neue Wege für die Stadtforschung. Interdisziplinäre Stadtforschung. Frankfurt/Main, New York.

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Bourdieu, Pierre: Ortseffekte, in: Ders. et al (Hg.): Das Elend der Welt. Zeugnisse und Diagnosen alltäglichen Leidens an der Gesellschaft, UVK Universitätsverlag Konstanz, 1997, S. 117-127.

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Rancière, Jacques: Die Aufteilung des Sinnlichen. Die Politik der Kunst und ihre Paradoxien, Berlin: b_books, 2008, 2. Auflage (Originalausgabe „Le Partage du sensible. Esthétique et politique, Paris: La Fabrique Éditions, 2000).

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Ders.: Der emanzipierte Zuschauer, (aus dem Französischen von Richard Steurer orig. Titel: Le spectateur émancipé, Editions La fabrique, Paris, 2008); Wien: Passagen Verlag, 2009.

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Spielmann, Walter: Gartenglück auf 19 mal 36 m² (Barbara Reisinger und Gerold Tusch), in: Spielmann, Walter /Robert-Jungk-Bibliothek für Zukunftsfragen /Lebensministerium (Hg.): Die Einübung des anderen Blicks. Gespräche über Kunst und Nachhaltigkeit, S. 63-76.

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Andere Quellen:

Interview mit Christine Brandstätter, Salzburg, 30.5.2012

 

Das ABZ ist eine Einrichtung der Katholischen Aktion im Salzburger Stadtteil Itzling.

Es berichteten ORF-Radio-Salzburg, Salzburger Nachrichten, Stadtnachrichten, Krone, Standard, basics und Woman.

Mit Volxküche wird eine Praxis des kollektiven Kochens bezeichnet, bei der zum Selbstkostenpreis oder auch darunter Essen, meist vegetarisch oder vegan, zubereitet und ausgegeben wird. Volxküchen gibt es in unterschiedlichen Formen, und sie sind Teil linksalternativer Alltagspraxen. Vgl. u. a. http://de.wikipedia.org/wiki/Volxk%C3%BCche, 7.8.2012.

Das Forum Andräviertel ist ein Stadtteilverein, in dem UnternehmerInnen, Kulturschaffende und BewohnerInnen organisiert sind und ein besonderer Fokus in der Kreativbranche liegt.

Vergleiche dazu beispielsweise Walter Spielmann (2009: 64), der in einer Einleitung zum Interview über das gemeinschaftsgärtnerische Kunstprojekt in Oberndorf, „Spielwiese/Gartenglück“ der KünstlerInnen Barbara Reisinger und Gerold Tusch, ebenfalls auf den Philosophen Kohr verweist.

Laila Huber ( 2012): „Gemeinsam die Stadt zum Blühen bringen“. In: p/art/icipate – Kultur aktiv gestalten # 01 , https://www.p-art-icipate.net/gemeinsam-die-stadt-zum-bluhen-bringen/