Ins Bild setzen: an der Schnittstelle von privaten und öffentlichen Räumen Platz nehmen
Das Projekt „Test.Test.Liegen“
Text: Romana Hagyo, Fotografien: Romana Hagyo und Silke Maier-Gamauf
„Nimm Platz“ fordert nicht nur dazu auf, sich zu setzen, sondern auch, sich den angebotenen Platz oder Raum zu nehmen. Im Duden Online-Wörterbuch finden sich unter „Platz“ neben den Wortbedeutungen „Stelle, Ort“ auch „zur Verfügung stehender Raum für etwas, jemanden“ und die „für eine Person vorgesehene Möglichkeit, an etwas teilzunehmen“. Daran anschließend stellt sich die Frage, wo und für wen im öffentlichen Raum Platz ist und für welche Tätigkeiten dieser vorgesehen ist. Ich werde im ersten Teil meines Beitrags auf den Begriff des öffentlichen Raums eingehen, duale Konzeptionen des Öffentlichen bzw. Privaten zum Thema machen und zur Diskussion stellen, auf welche Weise Ungleichheiten in der Konstitution öffentlicher Räume wirksam werden. In diesem Zusammenhang soll die Wechselwirkung zwischen räumlichen Strukturen, sozialen Praktiken und ihrer visuellen Repräsentation deutlich werden. Repräsentation konzipiere ich nicht als Abbildung von Realität, sondern als Bedeutungsproduktion im Rahmen von Prozessen der Realitätskonstitution, und zwar als einen Faktor im Prozess der Raumkonstitution*1 *(1). Aus diesem Grund werde ich im zweiten Teil des vorliegenden Textes das Projekt Test.Test.Liegen zur Diskussion stellen, das ich gemeinsam mit Silke Maier-Gamauf seit 2015 erarbeite. In fotografischen Inszenierungen wird hierbei die Suche nach Orten im öffentlichen Raum von Städten zum Thema gemacht und nach Möglichkeiten und Grenzen des Aufenthalts im öffentlichen Raum gefragt. Das Projekt versteht sich in Tom Holerts Sinne als „Arbeit an der Veränderung und Redefinition dessen, was im öffentlichen Raum zeigbar und machbar ist“ (2015: 8), (*10) als Erprobung von Strategien, den Handlungsspielraum im Feld des Visuellen zu erweitern. Dieser Ansatz wird abschließend erörtert, indem die künstlerische Vorgangsweise aus einer repräsentationskritischen Perspektive beleuchtet wird. Mein Anliegen ist es, die theoretische Auseinandersetzung mit Konzeptionen des Öffentlichen bzw. Privaten und mit der Wechselwirkung zwischen räumlichen Strukturen und ihrer visuellen Repräsentation in der Arbeit am Projekt Test.Test.Liegen zu überprüfen und weiterzuentwickeln.
Öffentlicher Raum
In der Auseinandersetzung mit dem Begriff des öffentlichen Raums ist es sinnvoll, sowohl Konzeptionen des Öffentlichen bzw. Privaten als auch den Prozess der Konstitution sozialer Räume ins Blickfeld zu rücken. Sozialer Raum wird nicht nur in der Platzierung von Lebewesen und „sozialen Gütern an Orten“, sondern auch im wiederholten Handeln und in der Wahrnehmung und Darstellung desselben hergestellt (Löw 2001: 225). (*16) Zwischen räumlichen Anordnungen und Handlungsweisen besteht eine Wechselwirkung: Die Nutzung von Räumen orientiert sich an gesellschaftlichen Regeln, räumliche Ordnungen werden im Prozess der Raumnutzung aktualisiert oder in Frage gestellt (vgl. Siebel/Werheim 2003: 4). (*32) Auf diese Weise wird der soziale Raum von Bedingungen, Relationen und Möglichkeiten geprägt, die in Bezug zu institutionalisieren Strukturen stehen (vgl. Löw 2001: 272). (*16) Das Potential, Räume zu konstituieren ist vielfach abhängig von der sozialen Situation, den körperlichen und finanziellen Möglichkeiten der Handelnden und von „strukturell organisierten Ein- und Ausschlüssen“ (ebd.). (*16)
Beginnend mit der Etablierung des Haushalts der bürgerlichen Kernfamilie wurden Öffentlichkeit und Privatheit als Gegensätze konzipiert (vgl. Häußermann/Siebel 2004: 59). (*11)*2 *(2) Die Produktion und Distribution von Waren sowie der Austausch von Nachrichten und die Auseinandersetzung über das Zusammenleben in der Gesellschaft fanden in stärkerem Maße in außerhäuslichen, sogenannten öffentlichen Räumen statt.*3 *(3) Die Grenze des Öffentlichen und Privaten aber war immer schon durchlässig. In Eingangs- und Gangbereichen der Häuser wurden Nachrichten ausgetauscht, Salons und sogenannte gute Stuben fungierten als (halb-)öffentliche Bereiche. Historische Forschungen, wie beispielsweise im Sammelband Das Haus in der Geschichte Europas (Eibach/Schmidt-Voges 2015) (*3) dokumentiert, zeigen, dass nicht nur der Salon einen Ausgangspunkt bürgerlicher Öffentlichkeit in Europa darstellte, sondern das Haus speziell für Frauen einen Raum der Erwerbsarbeit bot (vgl. Eibach 2015: 23; (*4) Joris 2015: 355 (*12)). Die Historikerin Elisabeth Joris zeigt anhand der Biografien zweier Schweizerinnen, die ihre Häuser für die Tätigkeiten als Lehrerin bzw. Homöopathin nutzten, wie „für die bürgerliche Gesellschaft des 19. Jahrhunderts konstitutive Zuordnungen“ durchbrochen wurden (vgl. Joris 2015: 355). (*12)
Romana Hagyo, Silke Maier-Gamauf ( 2017): Ins Bild setzen: an der Schnittstelle von privaten und öffentlichen Räumen Platz nehmen. Das Projekt „Test.Test.Liegen“ Text: Romana Hagyo, Fotografien: Romana Hagyo und Silke Maier-Gamauf. In: p/art/icipate – Kultur aktiv gestalten # 08 , https://www.p-art-icipate.net/ins-bild-setzen-an-der-schnittstelle-von-privaten-und-offentlichen-raumen-platz-nehmen/