Intervene! Künstlerische Interventionen
Kollaborative und selbstorganisierte Praxen // Fokus: Antirassistische, feministische und queere Perspektiven
Einführende Überlegungen zum Thema
Die Begriffe Intervention und künstlerische Intervention lassen ebenso wie die Begriffe Selbstorganisation und Kollaboration viele Assoziationen zu. Das Verb intervenieren geht auf das lateinische „intervenire“ zurück und bedeutet „dazwischen-, dazukommen, hindernd oder vermittelnd eingreifen, für jmdn. eintreten“ (von Borries et al. 2012, 72–73); eine ähnliche Bedeutung hat das lateinische Wort „interventio“ im Sinne von Vermittlung und Einmischung. Diese Definitionen beziehen sich primär auf die politische Bedeutung des Begriffs im Sinne eines Einmischens in Staatsangelegenheiten. Das DuMonts Begriffslexikon zur zeitgenössischen Kunst (2006) verweist im Zusammenhang mit Interventionismus auf aktionistische Praktiken und listet unter anderem die Plakate und Aktionen der Guerilla Girls auf, die gegen institutionalisierten Sexismus und Rassismus in der Kunstwelt ironisch und medienwirksam protestierten, oder die Arbeiten der Kollektive ACT UP, Gran Fury und General Idea, die in der AIDS-Krise die LGBTI-Communities*2 *(2) in den USA mobilisierten (Geene 2006: 140). Eine präzisere Definition des Begriffs und seine unterschiedliche Verwendung legt das „Glossar der Interventionen“ (2012) (*13) vor. Der Begriff der Intervention wird dort als Gegensatz zu Konvention verstanden und er dient in der bildenden Kunst in den letzten zwanzig Jahren zur Beschreibung von kulturellem Aktivismus, Kunst im öffentlichen Raum und informellen und subversiven künstlerischen Strategien (von Borries 2012: 126). (*13) Eine Spezifizierung lässt sich im Verlauf der 1980er Jahre mit dem Begriff der Interventionskunst erkennen, der zur Beschreibung künstlerischer Arbeiten dient, die dezidiert in das soziales Umfeld eingreifen. Dem Glossar der Online-Publikation „Zeit für Vermittlung“ folgend, meint Interventionskunst jene künstlerischen Praktiken, die den der Kunst zugemessenen Raum überschreiten und Auseinandersetzungen mit dem „Außen“, also dem lokalen Kontext, suchen und sich im Bereich der sozialen Bewegungen verorten.
„Kunst und Aktivismus finden in Praktiken der Intervention zueinander und erfinden dabei mithin populäre Formen des Politischen, wie etwa die bekannten Störungen des nach wie vor männlich dominierten Kunstbetriebs durch die Guerilla Girls oder die theatralen Demonstrationen der Volxtheaterkarawane gegen die europäische Grenz- und Asylpolitik.“ (Institute for Art Education 2013, o. S.) (*5)
Im Gegensatz zu den Vorstellungen über autonome Kunstproduktion verorten die Kunst- und KulturproduzentInnen ihre künstlerischen Interventionen in sozialen, kulturellen und politischen Kontexten und versuchen auf soziale Ungleichheiten aufmerksam zu machen und dagegen anzukämpfen. Sie fordern mit ihren in der Regel zeitlich begrenzten, impulsgebenden, störenden und irritierenden Eingriffen in den gesellschaftlichen Status Quo verstärkt die soziale und politische Verantwortung der Kunst ein. Bei der Wahl ihrer Methoden greifen sie auf künstlerische Ansätze und Strategien aus den Bereichen der Konzeptkunst, der Performance Art und der feministischen Kunst zurück und kombinieren diese Strategien mit aktivistischen und institutionskritischen Ansätzen. Die zentralen Begriffe, die mit interventionistischen künstlerischen und kulturellen Praktiken einhergehen, sind Prozesshaftigkeit, Dialog, Kommunikation, Partizipation, Kooperation, Recherche, Analyse, Kontext und Ortsbezug. (vgl. Wege 2001: 23–24) (*15)
Elke Zobl, Rosa Reitsamer ( 2014): Intervene! Künstlerische Interventionen. Kollaborative und selbstorganisierte Praxen // Fokus: Antirassistische, feministische und queere Perspektiven. In: p/art/icipate – Kultur aktiv gestalten # 04 , https://www.p-art-icipate.net/intervene-kunstlerische-interventionen/