Dieser Artikel diskutiert anhand von drei Arbeiten feministischer Künstlerinnen, wie künstlerische Interventionen im öffentlichen Raum gesellschaftliche Konfliktlinien sichtbar machen. Im ersten Teil werden Begriffsklärungen zu Intervention, Happening, Aktionen und Performance vorgenommen, sowie das Verhältnis von öffentlichem und institutionellem Raum im Kunstfeld umrissen und der Beitrag in den Kontext des Themas dieser Ausgabe von p/art/icipate gestellt*1 *( 1 ). Daran schließt die Beschreibung und Analyse der künstlerischen Arbeiten von VALIE EXPORT mit dem Tapp- und Tastkino an verschiedenen Orten (1968), Sanja Iveković mit Lady Rosa of Luxembourg in Luxemburg (2001) und Pussy Riot mit dem Punk-Gebet in der Christ-Erlöser-Kathedrale in Moskau (2012) an.*2 *(2)
Begriffsklärungen
Die Verwendungsgeschichte des Begriffs Intervention im Kontext der Kunstgeschichtsschreibung und -kritik zeigt, dass dieser vergleichsweise allgemein und unspezifisch im Sinn von Eingreifen und Dazwischen-Gehen verwendet wird und sich kaum auf spezifische ästhetische Praktiken bezieht. Bereits bei der Situationistischen Internationale Ende der 1950er, Anfang der 1960er Jahre fand der Begriff der Intervention im Zusammenhang mit dem Umherschweifen in der Stadt (dérive) und dem Herstellen von Situationen Verwendung (Vogel 1998) (* 11 ). Heute wird der Begriff vielfältig eingesetzt: Bernhard Cella, der als Künstler die Buchhandlung im 21er Haus in Wien betreibt, führt den Salon für Kunstbuch laut Eigendefinition „als den weltweit ersten Museumsshop als künstlerische Intervention“ (Mail-Aussendung des Salons für Kunstbuch am 3.12.2013). Auch in den beiden Ausgaben von Kunstforum zu „Urban Performance“ I und II (Hefte 2003 und 224, 2013) werden die Begriffe künstlerische Aktionen und Interventionen synonym verwendet.
Da es sich bei Interventionen in der Regel um räumlich und zeitlich klar definierte Projekte handelt, befinden wir uns in Bezug auf bildende Kunst in Nachbarschaften zu Begriffen wie Happenings, Aktionen und Performances, die in der Kunstgeschichte relativ klar definiert sind.
Happenings setzten in den USA in den 1950er Jahren ein. Gemeinhin wird Allen Kaprows 18 Happenings in 6 Parts im Jahr 1959 als eines der ersten Happenings oder gar das erste bezeichnet (Ursprung 2003) (* 10 ). Kennzeichnend für das Happening, das auch in Deutschland mit Wolf Vostell und anderen eine Fortsetzung fand, ist die aktive und geplante Teilnahme der „BetrachterInnen“ am Geschehen. Das unterscheidet das Happening in der Regel von Aktionen und Performances. Hierbei erscheint mir eine weitere Differenzierung zwischen Teilnahme und Partizipation wichtig, da Partizipation stärker in Richtung eines eigenen Mitgestaltens geht.
Aktionen nannten VertreterInnen des Wiener Aktionismus der 1960er und 1970er Jahre (1. Generation: Günter Brus, Hermann Nitsch, Otto Mühl, Rudolf Schwarzkogler; 2. Generation u.a. VALIE EXPORT, Peter Weibel) ihre zeitlich und räumlich klar definierten Arbeiten, die die Entgrenzung aller traditionellen Genres wie Malerei, Skulptur oder Theater und in der Folge der Medienkunst (EXPORT, Weibel) anstrebten und nur in Ausnahmefällen auch eine Involvierung der BetrachterInnen vorsahen.
Performance ist ein Begriff, der u.a. in der feministischen Kunst der 1970er Jahre sowohl in den USA mit Künstlerinnen wie Adrian Piper, Mary Kelly oder Martha Rosler als auch in Europa mit Marina Abramovic, Gina Pane, Lili Dujourie oder Sanja Iveković ein neues Handlungs- und Diskursfeld prägen sollte. Bei diesen Performances steht in der Regel der Körper der Künstlerin im Mittelpunkt. Die Künstlerin ist die Hauptdarstellerin und bestimmt den Ablauf, der sowohl vor Publikum als auch alleine vor der Kamera stattfinden kann. Performances befinden sich an der Schnittstelle von Theater, Tanz und bildender Kunst. Sie haben in den letzten zehn bis fünfzehn Jahren eine erneute Konjunktur erfahren und sind mittlerweile auch in der Kunstausbildung etabliert.
Erika Fischer-Lichte zeigt in ihrem für dieses Diskursfeld herausragenden Buch „Ästhetik des Performativen“ (2004) (* 3 ), dass Performance-KünstlerInnen in den 1960er Jahren mit ihren Aufführungen bereits postulierten, „daß das Ästhetische zugleich ein Soziales, ein Politisches, ein Ethisches ist. (…) Das eine ist immer schon das andere, das ihm angeblich Entgegengesetzte, Widersprechende. Dies eben ist es, was u.a. die Eigenart der ästhetischen Erfahrung in diesen Aufführungen ausmacht“ (Fischer-Lichte 2004: 300) (* 3 ). Diese These ist zentral für meinen Text, weil künstlerische Aktionen und Performances im öffentlichen Raum nicht das Soziale und Politische repräsentieren – sie sind es. Sie sind gleichermaßen ästhetische, soziale und politische Äußerungen und auch in dieser Kongruenz ästhetisch erfahrbar.
Hildegund Amanshauser ( 2014): Von VALIE EXPORT zu Pussy Riot. Konfliktlinien und weibliche Sichtbarkeit im öffentlichen Raum. In: p/art/icipate – Kultur aktiv gestalten # 04 , https://www.p-art-icipate.net/von-valie-export-zu-pussy-riot/