Über das Wohnen im Bilde sein

In Test.Test.Liegen erkundet sie gemeinsam mit Silke Maier-Gamauf die Möglichkeiten des Liegens im öffentlichen Raum. Ausgehend von ihrer Auseinandersetzung mit den Setzungen privat und öffentlich im Kontext bürgerlicher Haushalte, fokussieren die Künstlerinnen in ihrer Arbeit die Tatsache, dass manchmal übersehen wird, dass nicht allen Menschen Räume für Privates zur Verfügung stehen. Die Künstlerinnen verweisen auf die Diffusion zwischen öffentlich und privat, wenn sie nun diejenigen werden, welche die scheinbar private Tätigkeit des Liegens in öffentlichen Räumen erproben.

In Sofa-Stoff und Anpassen und Tarnen wird das Motiv des Sofas aufgegriffen, welches kunsthistorisch häufig der Ort war, auf dem Frauen liegend oder sitzend dargestellt wurden. Indem die beiden Künstlerinnen sich selbst spielerisch auf dem Sofa platzieren, während sie den Sofastoff am Körper tragen und dieser ebenso auf den Teppichboden und die Wände übergeht, legen sie die vielen Ebenen von Zuschreibung und Sichtbarmachung frei. Die Körper- und Objektgrenzen verschwimmen durch den Einsatz der Textilien, ebenso wie sich die Künstlerinnen nicht auf dem Sofa sitzend einfangen lassen, sondern widerspenstig und ineinander verkrallt auf dem Sofa zu sehen sind. Sie spielen auf diese Weise mit der kunsthistorischen Darstellungskonvention einer Frau auf einem Sofa, indem sie sich diese aneignen und gleichzeitig an den Rändern in den Raum hin auflösen.

Durch die Zusammenführung kunstwissenschaftlicher und künstlerischer Praktiken versucht Hagyo die Stärken beider Handlungsarten zu nutzen und gleichzeitig interdisziplinäre Arbeitsweisen kritisch zu überprüfen. Auf diese Weise scheinen Fragestellungen rund um künstlerische Forschung wie ein Subtext in der Arbeit verhandelt zu werden. „Ich nutze sowohl das Lesen, Denken und Schreiben als auch die künstlerische Arbeit an den Fotografien und die körperliche Arbeit als Erkenntnisquelle.“ (S. 79) Hagyo versucht dabei die reziproken Potenziale zu betonen, die sich aus der Erprobung der Zusammenführung einer wissenschaftlichen und künstlerischen Herangehensweise ergeben, ohne dabei unterschiedliche Zugänge durch den Fokus auf das Verbindende zu nivellieren.

Die Schwierigkeit, die künstlerischen Teile in den Verlauf des Fließtextes zu integrieren, hat Hagyo gelöst, indem sie die Teile 6 und 7 ausschließlich der künstlerischen Forschung widmet. Diese heben sich durch eine andere Papierstärke ab und funktionieren wie ein künstlerischer Katalog zu den beiden Projekten. Während man sich beim ersten Durchblättern eine stärkere Verflechtung der künstlerisch forschenden Teile mit den theoretischen Überlegungen wünscht, merkt man im näheren ‚Hineinlesen‘ schnell, wie die parallel laufenden Forschungsprozesse sich an vielen Stellen kreuzen. Die künstlerisch forschende Annäherung wird dabei als Teilhabe am Prozess der Wissensproduktion verstanden. Schön gelingt die Verbindung beider Spielarten da, wo in den theoretischen Überlegungen Referenzen auf die eigene künstlerische Arbeit gesetzt werden und diese im Text als eine neben anderen künstlerischen Arbeiten behandelt wird.

Hagyo bewerkstelligt, was sie eingangs als doppelte Lesart des Titels andeutet. Sie zeigt einerseits konzise, welche Vorstellungsbilder und Kontexte mit Bildern des Wohnens in Verbindung stehen und welches Wissen dadurch generiert wird, und stellt andererseits differenziert das Wechselverhältnis von Bild und Rezipierenden dar. Gleichzeitig löst sie ihr Verständnis von „im Bilde sein“ ein, indem sie sich selbst künstlerisch forschend einschreibt. Sie wird selbst zum Bildsujet, um dann auch wieder die Rolle der Fotografierenden einzunehmen und damit derjenigen, die Bilder erzeugt. Ebenso wie sie in der Publikation nahtlos zwischen einer theoretischen Auseinandersetzung und dem Schreiben über die eigenen Projekte wechselt, changiert sie in den künstlerischen Arbeiten zwischen distanziertem Blick und subjektivem Erfahren. Sie setzt sich auf diese Weise selbst in das Bild, das sie durch ihre Arbeit zeichnet, und setzt sich solcherart auch aus. Besonders deutlich wird das Glücken dieser doppelten Annäherung an jenen Stellen, wo Hagyo aus der eigenen situierten Position heraus erzählt: „Am Boden liegend und die Blicke der Vorbeigehenden spürend, platziere ich mich selbst […]. Ich schreibe also nicht nur über den Prozess der Platzierung […], sondern ich platziere mich an einem Ort und nehme die Kälte des Asphalts wahr.“ (S. 79)

Anna Stadler ( 2021): Über das Wohnen im Bilde sein. In: p/art/icipate – Kultur aktiv gestalten # 12 , https://www.p-art-icipate.net/ueber-das-wohnen-im-bilde-sein/