„… und dann beginnt aber schon das Unplanbare …“

Ein Interview mit Hansel Sato und Elke Smodics-Kuscher/trafo.K
Von Laila Huber und Elke Zobl

Du hast gesagt, ihr interveniert in Diskurse. Könntest du vielleicht genauer erklären, welche Diskurse euer Anliegen sind und weshalb?

Elke Smodics: Es geht darum, Mehrheitsdiskurse zu brechen, dabei kommt es immer auf das Thema an. Flic Flac ist ein schönes Beispiel: Wir intervenieren hier ganz klar in normierende Darstellungsformen, in normierende stereotypisierende Zuordnungen von Geschlechterrollen und versuchen das an verschiedenen Beispielen zu dekonstruieren und sehen dann, was zulässig ist und was nicht zulässig ist. Es ist immer situationsbedingt, was die TeilnehmerInnen zulassen, was sie nicht zulassen, was sie gerne sehen würden und was nicht. Unser Wollen, ist eine kritische Auseinandersetzung mit den Themen. Bei uns ist das schon sehr impliziert und wird in jüngster Zeit auch immer stärker, aufgrund der gesellschaftlichen Verhältnisse: Wer wann wo Zugänge hat, gerade was das Bildungssystem anbelangt. Und es ist uns immer ganz wichtig, dass wir, wenn wir unsere Workshops entwickeln, raus aus der Institution gehen. Oft geht es aber aus budgetären Gründen nicht, Räumlichkeiten zu mieten. Wenn man aber in Bildungsinstitutionen hineingeht, wo die SchülerInnen oder die Studierenden sich tagtäglich aufhalten, haben sie einen institutionell geprägten Habitus, ein Studierenden-, Schulverhalten. Dann besteht eine klare Rollenzuschreibung: „Wir sind die Vortragenden, wir sind die Lehrenden“, und dies erschwert den partizipatorischen Prozess.

Was verändert sich, wenn man aus dem institutionellen Kontext hinausgeht?

Hansel Sato: Es gibt immer dieses Risiko, dass die Leute die Idee nicht annehmen, wie man will, aber das ist einfach offen. Das ist auch notwendig, für mich zumindest. Ich habe dieses Gefühl gehabt, dass ich wirklich raus aus der Institution muss. Denn sogar die Kritik wird integriert. Politische Projekte werden von den Museen aufgenommen: Wir werden sozusagen als progressiv betrachtet, aber eigentlich ändern wir nichts, sondern wir bieten einfach diesen kritischen Diskurs als ein weiteres Angebot an, zusammen mit den kommerziellen Produkten. Das ist die ewige Geschichte der Kunst: Das System integriert den kritischen Diskurs und es ist schwierig, da herauszukommen. Denn es gibt natürlich Künstler, die in den Institutionen arbeiten, das erzeugt kulturelles, symbolisches Kapital.

Vielleicht kannst du (Elke Smodics) noch etwas mehr über eure Bildungsarbeit und Vermittlungsarbeit als „kritische Wissensvermittlung“ sagen?

Elke Smodics: Wir arbeiten immer in interdisziplinären Teams und entwickeln konzeptuell ein Vermittlungsprojekt gemeinsam mit jenen, die wissen, wie das Thema gelagert ist. Kunst spielt für uns eine ganz große Rolle, Künstlerinnen und Künstler sind immer Teil unserer Projekte, aber es können auch HistorikerInnen dabei sein, AktivistInnen oder WissenschaftlerInnen aus unterschiedlichen Bereichen, die wir dazu einladen, um das Projekt konzeptuell zu fassen und ideenmäßig zu entwickeln. Wenn wir das Projekt in Schulen machen, dann versuchen wir das Konzept so zu entwickeln, dass sich dabei ein Raum öffnet. Für uns ist die Einstiegsphase ganz wichtig. Bei der WienWoche machte ich mit Hansel Sato, der Teil der Gruppe WahlweXel war, einen Workshop. Die WienWoche hatte das Thema Demokratie und wir entwickelten einen Fragenkatalog rund um den Demokratiebegriff. Für uns sind die Instrumentarien sehr wichtig, es müssen schöne, ansprechende Instrumentarien sein. Wir formulierten auf Papierstreifen Fragen und jeder konnte eine davon wählen. Das ist immer der Anfang und dann beginnt aber schon das Unplanbare, weil wir nicht wissen, was die Beteiligten sagen werden. Bei Flic Flac ergibt sich, je nachdem welche Bilder gewählt werden, der Diskurs, und ich mache trotzdem die ganze Runde und erzähle von historischen Momenten und gegenwärtigen Momenten. Flic Flac dauert nur drei Stunden, das ist ein Paket, das wir erproben: Wir versuchen in drei Stunden ein offenes Konzept zu realisieren, einen Eindruck über Feminismus zu geben und den Jugendlichen Instrumentarien in die Hand zu geben, um ihnen andere Möglichkeiten zur Verfügung zu stellen. Das beginnt damit, dass sie einen differenzierten Blick bekommen oder aufmerksam gemacht werden auf einen differenzierten Blick und sehen, wie gut sie im Bildlesen sind, aber wie stark dieses Bildlesen manipuliert ist. Und das nächste ist, sie darin zu unterstützen zu erkennen, dass Sprache ein Machtinstrumentarium und ein wirklichkeitsproduzierendes Instrumentarium ist. Das funktioniert wiederum über künstlerische Arbeit. Ich erzähle beispielsweise von Adrian Pipers „Calling Cards“, das ist für mich einerseits ein Instrumentarium, um einen Diskursraum zu öffnen, aber auch als Handlungsraum, um Selbstermächtigungsfunktionen hineinzutragen. Und das wird zu einem hohen Prozentsatz angenommen.

Herzlichen Dank für das Interview!

Elke Smodics, Hansel Sato, Laila Huber, Elke Zobl ( 2014): „… und dann beginnt aber schon das Unplanbare …“. Ein Interview mit Hansel Sato und Elke Smodics-Kuscher/trafo.K Von Laila Huber und Elke Zobl . In: p/art/icipate – Kultur aktiv gestalten # 05 , https://www.p-art-icipate.net/und-dann-beginnt-aber-schon-das-unplanbare/